Rede von matthias Stefke in Textform:
Herr Abg. Stefke (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Gäste auf der Tribüne und sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer draußen an den Bildschirmen! Die Koalition greift in diesem Antrag, grundsätzlich betrachtet, ein wichtiges Thema auf, das im Kern mit dem Ärztemangel, der auch in Brandenburg zu beklagen ist, zu tun hat.
Nirgendwo in Deutschland, so berichtete der RBB nach Auswertung des Bundesarztregisters vor nicht einmal einem Jahr, sind Ärzte für mehr Bürgerinnen und Bürger zuständig als in Brandenburg. Demnach kommen in Brandenburg auf 100 000 Einwohner und Einwohnerinnen rund 186 Ärzte, und damit hat Brandenburg von allen Bundesländern die niedrigste Dichte an Ärzten. Zum Vergleich: Die höchste Arztdichte hat Bremen mit rund 296 Ärzten pro 100 000 Einwohner.
Die Lage bei der ärztlichen Versorgung droht sich jedoch auch altersbedingt zu verschlechtern; denn 8 % aller praktizierenden Ärzte sind älter als 65 Jahre; bei den Hausärzten sind es sogar um die 11 %. Geringe Aussichten auf Nachfolgerinnen und Nachfolger, insbesondere für Spezialisten wie Augen-, Haut- oder HNO-Ärzte, könnten schon in wenigen Jahren in Orten wie Storkow, Eisenhüttenstadt, Guben oder Luckau zu Versorgungsengpässen führen.
Warum habe ich diese Zahlen in meinen Redebeitrag aufgenommen? Weil sie eindrücklich vermitteln, in welcher Situation wir uns in Brandenburg in Bezug auf die ärztliche Versorgung aktuell befinden und vor welchen Herausforderungen wir darüber hinaus stehen. Besonders unverständlich ist es deshalb, dass in dieser tatsächlich misslichen Lage der Amtsschimmel laut wiehert.
(Beifall BVB/FW)
Neben anderen in der Bundesrepublik erkennt seit Sommer vergangenen Jahres auch die Brandenburger Zulassungsstelle, das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit, die Abschlüsse von polnischen Medizinerinnen und Medizinern nicht mehr an. Begründung – Frau Kniestedt hat es schon kurz gesagt -: die Änderung der EU-Richtlinie 2005/36/EG aus dem April 2019.
Nun wollen wir der Regierung nicht etwas vorwerfen, wofür sie letztlich nicht verantwortlich ist. Der vorliegende Antrag ist auch in der Sache begrüßenswert. Schließlich müssen wir alles in unseren Möglichkeiten Stehende tun, um den – unzureichenden – Grad an ärztlicher Versorgung zu erhöhen; keine Frage.
(Beifall BVB/FW)
Ein Fragezeichen darf man allerdings bei seiner handwerklichen Ausarbeitung anbringen. „Der Landtag Brandenburg begrüßt …“, „Der Landtag nimmt zur Kenntnis …“, „Die Landesregierung wird aufgefordert, sich weiterhin dafür einzusetzen …“, „folgende alternative Lösungsansätze konstruktiv zu prüfen …“: Da darf die Frage gestellt werden, ob Sie es nicht ein wenig konkreter haben. Vor fast einem Jahr wurde die EU-Richtlinie, die ich eben genannt habe, modifiziert, und erst jetzt soll die Landesregierung mittels dieses Antrags aufgefordert werden, sich für eine zielgerichtete Anwendungspraxis einzusetzen, die dem europäischen Recht nicht entgegensteht, oder mit dem Bund und der Republik Polen konstruktiv eine Änderung der Berufsanerkennungsrichtlinie durch Polen oder eine Ausnahmeregelung, wie sie Österreich und Frankreich mit der EU-Kommission erzielt haben, zu prüfen.
Es drängt sich einem leider der Eindruck auf, dass die Koalitionsfraktionen mit diesem Antrag die in den letzten Wochen wieder aufgekeimte Berichterstattung zu diesem Thema unter Kontrolle bringen und den Eindruck vermitteln möchten: Wir sind da dran. – Er fügt sich damit in die Reihe der gestrigen Anträge der Koalition wie „Unsere freiwilligen Helferinnen und Helfer entlasten – Erfassung der aktiven ehrenamtlichen Dienstzeit vereinheitlichen!“ oder „Nachhaltigeres, schnelleres und einfacheres Bauen – Modernisierung der Brandenburgischen Bauordnung“ ein. Das sind vielversprechende Überschriften; der Inhalt wird den Erwartungen jedoch nicht gerecht.
(Beifall BVB/FW)
Da fühlt man sich an die Klementine-Werbung für ein Waschmittel erinnert. Oberflächlich rein, aber porentief betrachtet? – Das allein ist zu wenig.
Die letzte rot-rote Landesregierung hatte dem Thema Gesundheit in ihrem Koalitionsvertrag insgesamt 392 Wörter gewidmet. Eingeleitet wurde das Kapitel mit dem Satz – ich zitiere -:
„Die Koalition wird auch in Zukunft die Rahmenbedingungen für eine hochwertige gesundheitliche Versorgung in allen Regionen des Landes sicherstellen.“
Ergebnis der fünfjährigen Regierungsarbeit von Rot-Rot war, dass Brandenburg bei der Ärzteversorgung das Schlusslicht im Ranking aller Bundesländer ist. Unter hochwertiger gesundheitlicher Versorgung verstehen die Menschen im Land etwas anderes.
(Beifall BVB/FW)
Meine Redezeit ist abgelaufen. Obwohl wir den Antrag inhaltlich nicht für sehr substanziiert halten, werden wir ihm aufgrund der Bedeutung des Themas Ärzteversorgung letztlich doch zustimmen. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.