Christine Wernicke zum Gesetzesentwurf „Gemeinden in Regionalversammlungen“ von BVB/FW vom 13.05.20

13. Mai 2020

Link zum Vorgang: https://www.bvb-fw-fraktion.de/parla_tracking

Rede von Christina Wernicke in Textform:

Frau Abg. Wernicke (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Im Koalitionsvertrag haben sich die Koalitionspartner das Ziel gesetzt, unzeitgemäß gewordene Gegensätze zu überwinden und gleichwertige Lebensverhältnisse in Brandenburg zu schaffen. Der soziale Zusammenhalt soll überall im Land gestärkt und „eine ganzheitliche strategische Landesentwicklung für Brandenburg etabliert“ werden.

„Dafür müssen die vorhandenen strukturellen Ansätze der Landesentwicklung regional untersetzt und lokal mit Leben erfüllt werden.“

Weiterhin heißt es im Koalitionsvertrag: „Die Regionalentwicklung und die regionalen Förderkonzepte sollen maßgeblich von allen Akteurinnen und Akteuren der Region mitbestimmt und mitentwickelt werden. […] Die Koalition wird prüfen, wie die Planungsgemeinschaften gestärkt werden können, um den gewachsenen Anforderungen gerecht zu werden. Sie prüft außerdem, ob alle amtsfreien Gemeinden und Ämter bzw. Amtsgemeinden zukünftig in den Regionalen Planungsgemeinschaften vertreten sein können, ohne dass die Arbeitsfähigkeit eingeschränkt wird.“

Da kommt dieser  Gesetzentwurf doch zur rechten Zeit und zum richtigen Thema.

Warum ist es so wichtig, dass alle Gemeinden und Gemeindeverbände in den Regionalversammlungen mit stimmberechtigten Regionalräten vertreten sind? Die Regionalen Planungsgemeinschaften sind Träger der Regionalplanung im Land Brandenburg. Die Regionalplanung ist ein wesentliches Instrument für die Umsetzung der hochstufigen landesplanerischen Festlegung aus dem Landesentwicklungsprogramm und den Landesentwicklungsplänen.

In vielen der amtsfreien Gemeinden und Gemeindeverbänden, deren Einwohnerzahl unter 5 000 liegt, befinden sich große Windeignungsgebiete. Besonders in den Planungsgemeinschaften Prignitz-Oberhavel und Uckermark-Barnim wird dies deutlich. So kommen in der Gemeinde Gumtow 33 Einwohner auf ein Windrad. In Uckerland sind es sogar 25 Einwohner. Diese Gemeinden haben jedoch per Gesetz kein Recht auf eine Mitgliedschaft in der Regionalversammlung. In den einwohnerstarken Städten, die per Gesetz Mitglied der Regionalversammlung sind, ist die Anzahl der Windenergieanlagen häufig sehr gering. Beispielsweise befinden sich in Schwedt 23 Windenergieanlagen; das ergibt 1 197 Einwohner pro Anlage. In Templin sind es nur sechs Windenergieanlagen; das ergibt 2 633 Einwohner pro Anlage.

Am 4. November 2019 hat sich die Regionalversammlung der Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim konstituiert. Die Regionalversammlung beschloss, das regionale Energiemanagement für die Jahre 2020 und 2021 fortzuführen und das regionale Energiekonzept Uckermark-Barnim weiterzuentwickeln. Warum sollen Kommunen, in denen sich der Großteil der Flächen des Energiekonzepts befindet, aufgrund ihrer Einwohnerzahl nicht über die Fortführung und Weiterentwicklung der Energiekonzepte beraten, sie prüfen und über sie mitbestimmen dürfen?

Es gibt sechs Gemeinden, die keine Stimme in der Regionalversammlung Uckermark-Barnim haben. Bei der Planungsgemeinschaft Prignitz-Oberhavel betrifft das neun Gemeinden, bei der Planungsgemeinschaft Havelland-Fläming sieben, bei der Planungsgemeinschaft Oderland-Spree acht und bei der Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald elf. Also sind 41 von 199 Gemeinden und Gemeindeverbänden Brandenburgs nicht vertreten. Diese Gemeinden haben einen Anteil von 25 % an der Gesamtfläche des Landes Brandenburg. Somit besteht ein enormes Missverhältnis zum Beteiligungsrecht der einwohnerschwachen Gemeinden und Gemeindeverbände in den Regionalversammlungen. Derzeit sind in den fünf  Regionalversammlungen 158 stimmberechtigte Gemeinden vertreten.

In der Regionalversammlung der Planungsgemeinschaft Prignitz-Oberhavel sind die Hauptverwaltungsbeamten der amtsfreien Gemeinden und Gemeindeverbände mit weniger als 5 000 Einwohnern bereits als Mitglied vertreten, jedoch nur als beratendes Mitglied mit einem passiven Teilnahmerecht. Für die Entwicklung des ländlichen Raums, insbesondere für die regionale Konkretisierung der Entwicklungsvorstellungen, darf die Einwohnerzahl nicht die Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der Regionalversammlung sein.

Durch eine Vertretung aller Gemeinden bzw. Gemeindeverbände erfolgt eine deutlich höhere Akzeptanz für die Entscheidungen der Regionalversammlung. Und auch die Erhöhung der Akzeptanz der Windkraft hat sich die Koalition zum Ziel gesetzt. Die Anzahl der Regionalräte und Regionalrätinnen soll gemäß § 6 Abs. 1 Satz 4 des Gesetzes zur Regionalplanung und zur Braunkohlen- und Sanierungsplanung insgesamt 60 nicht überschreiten. Schon jetzt halten sich drei der fünf Regionalversammlungen nicht an diese gesetzliche Regelung.

Sollten alle Gemeinden in den  Regionalversammlungen stimmberechtigt vertreten sein, so wie es unser Antrag vorsieht, schränkt dies nicht die Arbeitsfähigkeit der Regionalversammlungen ein. Keine Regionalversammlung hätte zum Beispiel mehr als 88 Regionalräte – und dass ein Gremium mit dieser Anzahl von Mitgliedern gut arbeiten kann, beweisen wir alle hier. Eine Arbeitsunfähigkeit ist angesichts des nur leichten Anstiegs der Mitgliederzahl daher nicht zu befürchten.

Auf der untersten Ebene werden im LEP HR die Grundfunktionalen Schwerpunktorte im Land Brandenburg außerhalb Zentraler Orte in den Regionalplänen festgelegt. Diese Grundfunktionalen Schwerpunkte sollen die funktionsstarken Ortsteile von geeigneten Gemeinden sein. Innerhalb dieser Grundfunktionalen Schwerpunkte sollen die Grundfunktionen der Daseinsvorsorge mit Einrichtungen des täglichen Bedarfs, die über die örtliche Nahversorgung hinausgehen, durch planerische Anreize gesichert werden. Sie dienen der räumlichen Bündelung von Grundversorgungseinrichtungen außerhalb zentraler Orte.

Diese Grundfunktionalen Zentren sollen pro Jahr einen pauschalen Ausgleichsbeitrag in Höhe von 100 000 Euro vom Land Brandenburg erhalten, um die nicht bezifferbaren Mehrbelastungen aufgrund der Eigenschaft als Grundfunktionales Zentrum auszugleichen. Die amtsfreien Gemeinden und Gemeindeverbände, in denen weniger als 5 000 Einwohner leben, können nach dem Gesetz zur Regionalplanung und zur Braunkohlen- und Sanierungsplanung keine Regionalrätinnen und Regionalräte als Mitglieder für die Regionalversammlung stellen. Die Entscheidung, welcher Ortsteil einer Gemeinde als Grundfunktionaler Schwerpunkt anerkannt wird, obliegt jedoch den Regionalversammlungen.

Von der Entscheidung, welcher Ortsteil ein Grundfunktionales Zentrum in der Gemeinde wird, sind also alle Gemeinden mit weniger als 5 000 Einwohnern ausgeschlossen. In diesem Auswahl- und Entscheidungsprozess können sie ihre Stimme nicht abgeben. Sie können ihre Interessen nicht wahrnehmen; denn die Gemeinden mit mehr als 5 000 Einwohnern bestimmen darüber, welcher Ortsteil einer Gemeinde mit unter 5 000 Einwohnern ein Grundfunktionales Zentrum wird. Ob dies nach den Regelungen der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg überhaupt zulässig ist, könnte man prüfen.

Die Mitgliedschaft in der Regionalversammlung und somit die Beteiligung an der Aufstellung, Fortschreibung, Änderung und Ergänzung der Regionalpläne, die einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der ländlichen Regionen haben, soll deshalb unabhängig von der Einwohnerzahl erfolgen. Nur so können die ländlichen Regionen gestärkt und die Entwicklung in den strukturschwachen Gebieten gefördert werden.

Im Koalitionsvertrag erklären die Fraktionen von SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass die Regionalentwicklung und die regionalen Förderkonzepte maßgeblich von allen Akteurinnen und Akteuren der Region mitbestimmt und mitentwickelt werden sollen. In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zu der von der BVB / FREIE WÄHLER Fraktion vorgeschlagenen Gesetzesänderung, wonach alle amtsfreien Gemeinden und Gemeindeverbände unabhängig von ihrer Einwohnerzahl in der Regionalversammlung durch geborene Regionalräte vertreten sind, und darum, als ersten Schritt diesen Gesetzentwurf an den Ausschuss für Infrastruktur und Landesplanung zu überweisen. – Vielen Dank.

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