An der von uns durchgeführten Online-Umfrage Anfang Mai 2020 haben über 1000 Brandenburger Bürger teilgenommen und der Landesregierung eine klare Ohrfeige für deren Corona-Krisenmanagement verpasst. Die Umfrage bestand neben den klassischen statistischen Fragen, wie man sie von anderen Umfragen kennt, auch aus offenen Fragen. Die zahlreichen Texteingaben sind in Brandenburg in dieser Form einmalig und zeigen Einblicke in Einstellungen, Sorgen, Nöte und Schicksale der Brandenburger während der Corona-Krise.
Die wichtigsten Erkenntnise im Überblick:
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wichtigste Themen: soziale Isolation, Kinderbetreuung, Homeschooling, persönliche Job- und Finanzsituation, wirtschaftliche Sorgen allgemein, Sorgen und Existenzängste von Selbstständigen, Abschaffung der Maßnahmen, mangelnde Klarheit / Transparenz und Nachvollziehbarkeit der politischen Entscheidung, Kritik an der Landesregierung sowie Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen.
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54 % finden Maßnahmen übertrieben
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42 % finden Landesregierung agiert zu spät
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58 % finden Kritik an der Landesregierung angebracht
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57 % sehen Testkapazitäten als nicht ausreichend
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30 % rechnen mit Maßnahmen bis in das Jahr 2021, 17,4 % rechnen mit Maßnahmen bis Ende 2020
Deutliche Kritik an Landesregierung zu Verhältnismäßigkeit, Transparenz und rechtzeitiger Reaktion
Die überwiegende Mehrheit (58,5%) der Probanden stellt der rot-schwarz-grünen Landesregierung im Corona-Krisenmanagement ein schlechtes Zeugnis aus und findet Kritik angebracht oder eher angebracht. Aus den Textantworten lässt sich auch deuten, wie verwundert und verärgert die Menschen über die schlechte Vorbereitung auf eine mögliche Pandemie sind und fordern bessere Strategien zur Bewältigung derartiger Krisen. Die Klarheit und Nachvollziehbarkeit der getroffenen Maßnahmen wird von sehr vielen Probanden eingefordert. Entscheidungen sind für viele nicht logisch nachvollziehbar und ihre Entstehung intransparent. Viele sind offenkundig enttäuscht vom Krisenmanagement der Landesregierung unter Führung von Ministerpräsident Dietmar Woidke. Durch die unzureichende, intransparente Kommunikation werden aus Sicht mancher Probanden auch unnötig Ängste geschürt. Vielen Brandenburgern fehlt eine konkrete Perspektive was Lockerungen von Maßnahmen und das normale Weiterleben betrifft.
Verhängte Maßnahmen schätzten viele Brandenburger als übertrieben ein und erzeugten Angst bei Betroffenen
Eine deutliche Mehrheit (54 %) findet die getroffenen Maßnahmen und Einschränkungen eher übertrieben oder übertrieben. Für 33,7 % der Teilnehmer waren die Maßnahmen eher angemessen oder angemessen. Rund 7 % hielten die Maßnahmen für nicht ausreichend, wollten also noch stärkere Einschränkungen. Viele fühlen sich gegängelt von den Maßnahmen und halten diese in Relation zu den Todes- und Infektionszahlen für unangemessen. Eine hohe Zahl fordert eine komplette Beendigung aller Maßnahmen, andere fordern spezifische Erleichterungen in einzelnen Bereichen. Selbst Personen, die die Einschränkungen durch die Pandemie grundsätzlich akzeptieren, sind über einige Entscheidungen irritiert. Zum Beispiel fragt ein Proband, warum er im Baumarkt mit hunderten Fremden einkaufen könne, aber Verwandte nicht besuchen dürfe. Der Shutdown ganzer Wirtschaftsbranchen stößt auf Unverständnis und bei den direkt Betroffenen auf Angst. Im Kontrast dazu gibt es auch einige mahnende Stimmen, die vor zu schnellen Lockerungen warnen.
Kritik von BVB / FREIE WÄHLER an zögerlichem Regierungshandeln wird von den Brandenburgern überwiegend geteilt
Eine leichte Mehrheit (41,98 %) ist der Ansicht, dass die brandenburgische Landesregierung eher zu spät bzw. zu spät reagiert und Maßnahmen ergriffen hat. Für 33,4 % der Probanden hat die Landesregierung eher rechtzeitig oder rechtzeitig gehandelt. Im Laufe der Hochphase der ersten Pandemiewelle ab Mitte März 2020 hatten wir immer wieder die Landesregierung aufgefordert, nicht zu zögerlich zu handeln und rechtzeitig über Maßnahmen nachzudenken. In den meisten Fällen wurden unsere konstruktiven Vorschläge zunächst ignoriert, um sie kurze Zeit später dann doch umzusetzen. Die Landesregierung, insbesondere die Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher, haben mehrfach die Lage völlig falsch eingeschätzt, obwohl es bereits Hinweise aus anderen Ländern und Bundesländern zu einzelnen Entwicklungen gab. Sei es die Maskenpflicht, das unabgestimmte Vorgehen zwischen Berlin und Brandenburg, die Erweiterung der Testkapazitäten oder schlicht das Ignorieren eines Angebotes für Schutzmittel: Bei zu vielen Themen hat die Landesregierung kein gutes Bild abgegeben. Auch in der Umfrage kam dieser Unmut klar heraus.
Folgender Kommentar illustriert die Sicht vieler Bürger eindrucksvoll:
Die Rückkehr vom Aktionismus zu solider Gesundheits- und Wirtschaftspolitik. Masken, die im Februar niemand „benötigt“ aber im Mai Pflicht sind, ohne dass die evt. wirklich effektive Masken der Bevölkerung und dem Gesundheitswesen zur Verfügung stehen. Vorbeugender Katastrophenschutz kann nicht aus Panikmache im Ernstfall und dem Masken-Karneval in Rio bestehen.
Eltern von Klein- und Schulkindern fühlen sich von der Regierung im Stich gelassen
Der gesamte Themenkomplex Kinderbetreuung und Schulen gehört zu den mit Abstand am häufigsten genannten konkreten Forderungen an die Politik. Viele Umfrageteilnehmer fühlen sich von der Regierung im Stich gelassen und werden zerrieben zwischen Kinderbetreuung, Homeschooling und Homeoffice bzw. ihrem Erwerbsleben. In diesem Zusammenhang wird auch öfter von negativen psychischen Folgen und sozialer Isolation der Kinder gesprochen. Konkret erwarten Eltern, dass im Bereich digitale Schule mehr gemacht wird und Lehrer besser betreuen. Weiterhin gibt es die Forderung, wenigstens Spielplätze zu öffnen. Auch zu diesem Themenkomplex gibt es vereinzelt Gegenpositionen, die keine schnellen Schulöffnungen wollen und die Sorgen der Eltern kaum nachvollziehen können.
Exemplarische Kommentare von Eltern:
Ich erwarte, dass die Kindertagesstätten als wichtiger Bestandteil der frühkindlichen Bildung und zur Entlastung berufstätiger Eltern insbesondere der Mütter schrittweise für alle Kinder wieder öffnen. Desweiteren gilt es den Schulkinder ihr Recht auf Bildung nicht weiter zu verwehren. Die Schulen müssen für alle Kinder wieder geöffnet werden. Dabei sollte es für alle Schulen einheitliche Regeln geben, bei deren Umsetzung sie von der Landesregierung umfassend unterstützt werden. Zur Zeit existiert ein wahrer Fleckenteppich. Jede Schule geht zur Zeit ihren eigenen Weg, die Kinder haben z.T. alle zwei Tage oder auch nur einmal die Woche Unterricht, wenn überhaupt. Soziale Ungerechtigkeiten werden hier noch weiter verstärkt.
Kinderbetreuung, Job und Homeschooling sind nicht vereinbar. Elternzeitrückkehrer haben es besonders schwer. Es werden keine Krippeneingewöhnungen durchgeführt. Entweder keine Kapazitäten oder kein Anspruch auf Notbetreuung, weil nicht eingewöhnt. Besonders wenn beide nicht systemrelevant sind schwierig. Wovon soll man leben? Luft und Liebe? Und dann noch Homeschooling, wo die Schule noch in der Testphase ist. Also ein 7 und 1 jähriges Kind neben dem Vollkonzentrationsjob betreuen, geht nicht.
Unsere Kinder zu Hause zu unterrichten ist eine Zumutung. Der Klassenlehrer macht sich ein paar schöne Tage und sendet einmal die Woche per Mail ein paar Arbeitsblätter. Echt tolle Leistung! Wie wäre es mal mit ein paar Unterrichtsstunden per Web? Oder ein YouTube Video? Wo ist das Problem? Jeder Teenager bekommt sowas hin, nur halt unsere Lehrer nicht.
Viele fürchten um wirtschaftliche Existenz – Selbstständige besonders hart betroffen
Ein weiterer sehr wichtiger Themenkomplex sind die wirtschaftlichen Folgen. Die Brandenburger sorgen sich um ihre eigene finanzielle Situation, aber auch um die gesamte Wirtschaft. Das gilt in hohem Maße für besonders betroffene Wirtschaftssektoren wie Tourismus, Gastronomie und den Kulturbereich. Die Selbstständigen unter den Umfrageteilnehmern haben große wirtschaftliche Probleme und existenzielle Zukunftsängste. Manche bangen um ihr aufgebautes Unternehmen (Lebenswerk) sowie die Arbeitsplätze. Die von der Landesregierung versprochenen Soforthilfen sind kompliziert zu beantragen und werden nicht zeitnah ausgezahlt. Dass die Landesregierung die Förderbedingungen während des Verfahrens geändert hat, wird von manchen sehr scharf kritisiert. Die Aufforderung, Sozialhilfe zu beantragen wird von den Betroffenen ebenfalls kritisiert. Es passt hierzu ins Bild, dass der von BVB / FREIE WÄHLER im April 2020 eingebrachte Antrag, bei den Soforthilfen die Bedingungen der Klein- und Soloselbstständigen zu berücksichtigen, von der Regierungskoalition aus SPD, CDU und Grüne abgelehnt wurde. Unser Antrag zum Thema „Fördermaßnahmen zur wirtschaftlichen Stabilisierung“ vom Juni 2020 wurde ebenfalls von der Regierung abgelehnt.
Weiterhin fürchten viele dauerhafte Probleme auf der Arbeit oder gar Kündigung des eigenen Arbeitsplatzes und in der Folge finanzielle Probleme. Einige Arbeitnehmer, die in Kurzarbeit sind, haben schon jetzt Probleme, über die Runden zu kommen. Selbstständige haben Angst, ihre Existenzgrundlage zu verlieren. Die meisten eint zusätzlich die Angst und Ungewissheit, wie es in Zukunft weitergeht, was neben den finanziellen Aspekten den psychischen Druck erhöht.
Diese Antworten von Umfrageteilnehmern bringen es besonders gut auf den Punkt:
Ich bin Hauptverdiener meiner Familie, meine Frau hat einen Teilzeitvertrag im Einzelhandel und ist derzeit in Kurzarbeit. Ich bin selbstständig mit einem Veranstaltungstechnik Unternehmen, muss nun ALG2 beantragen. Der vereinfachte Antrag hat ca. 24 Seiten!…Corona Soforthilfen und Rücklagen halten mein Unternehmen momentan noch (Lager, Büro, Material, Versicherungen, 3 Fahrzeuge bis zu 7.5to) Ich habe aufgrund der Verordnung keine Kundschaft mehr. 100% Umsatz für immer weg… Ich habe momentan keine Perspektive wie es weitergehen soll, wenn die Politik und Virologen selbst nach dem 31.08. schon wieder eine Herbst und Winterwelle voraussagen, wie soll mein Unternehmen das überleben?? Laut politischer Ansage fast 1 Jahr lang oder mehr??
Das Soforthilfeprogramm des Landes Brandenburg ist ein skandalöses Projekt und bleibt dennoch recht unbeachtet. Anfangs wurde beschrieben, dass die Soforthilfe für Verdienstausfälle ausgereicht wird. Nachdem das Landesprogramm ein paar Tage im März lief, erfolgte klammheimlich eine Änderung des Soforthilfeprogrammes. Nunmehr werden nur noch Liquiditätsengpässe unterstützt. Ich habe erst Ende April davon erfahren. Die Vorgehensweise des Landes finde ich skandalös und unmöglich. Da kann man echt den Glauben an Recht und Gesetz oder Anstand und Moral verlieren. Sollt das Land Brandenburg dies im Nachhinein korrigieren, so wäre es inhaltlich eine gute Geste, der GLAUBWÜRDIGKEITS-Schaden ist jedoch kaum wieder gut zu machen.
Kluge Ideen der Brandenburger zur Bekämpfung der Pandemie
Auf die Frage, welche Ideen die Brandenburger zur Eindämmung der Pandemie haben, werden am häufigsten die Erweiterung der Testkapazitäten, eine stärkere Aufklärung, Isolation der Risikogruppen, Verstärkung des Gesundheitswesens und der Ordnungsbehörden sowie Investitionen in die Forschung genannt. Außerdem befürworten einige Probanden, die regionalen Unterschiede zu berücksichtigen, weil es z. B. in ländlichen Regionen nicht nachvollziehbar sei, dass gesamte Landkreise bei wenigen Corona-Fällen heruntergefahren werden. Ein Ansatz könnte hier die Bevölkerungsdichte sein.
Die Beurteilung über bisher vorhandene Testmöglichkeiten fällt sehr kritisch aus. 57,4 % finden die vorhandenen Möglichkeiten nicht oder eher nicht ausreichend. Nur rund 19 % finden die Corona-Tests eher ausreichend oder ausreichend. 23,4 % haben auf die Frage nach bisherigen Testkapazitäten keine Antwort gegeben. Viele Brandenburger sind der Überzeugung, dass einige Maßnahmen noch länger andauern werden. 30 % rechnen mit Maßnahmen bis in das Jahr 2021 hinein. Rund 17,4 % gehen davon aus, dass getroffene Maßnahmen noch bis Ende des Jahres 2020 andauern werden.
Methodische Hinweise: Die Umfrage wurde als Online-Umfrage angelegt, an der 1060 Probanden teilnahmen. Die Umfrage ist nicht repräsentativ.