Rede von Matthias Stefke in Textform:
Herr Abg. Stefke (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer draußen an den Bildschirmen! Überschrift und Inhalt des Antrags der Koalitionsfraktionen passen nicht wirklich zueinander. Kurze Rekapitulation zum Thema: Im vergangenen Jahr wurde zur Entlastung der Landkreise und kreisfreien Städte die Abschiebepraxis neu geregelt. Zwar obliegt ihnen weiterhin die Entscheidung über Abschiebungen, deren unmittelbare organisatorische Abwicklung wurde jedoch – wie bis zur 1997 eingeführten Funktionalreform üblich – wieder der Zentralen Ausländerbehörde, ZABH, in Eisenhüttenstadt übertragen.
Beim Abgleich des Antrages mit dem Taskforce-Papier aus dem MIK fällt auf, dass abweichend davon die Möglichkeiten der freiwilligen Rückkehr vorrangig vor Abschiebungen genutzt und ausgebaut werden sollen. Es scheint sich auch ein Widerspruch eingeschlichen zu haben, Herr Minister Stübgen. Einerseits heißt es: Sofern Verfahren zu dem Ergebnis führen, dass Geflüchtete und Asylsuchende nicht in der Bundesrepublik Deutschland bleiben können und es keinen weiteren Grund gibt, der eine Rückkehr ausschließt, müssen diese entsprechend geltenden Gesetzen das Land wieder verlassen. – Andererseits wird formuliert: Grundsätzlich sind hierfür die im Land Brandenburg bestehenden Möglichkeiten der freiwilligen Rückkehr vorrangig vor Abschiebungen zu nutzen. Das Land wird die bestehenden Möglichkeiten erweitern.
Ihnen sei zugestanden, dass es in einer Koalition mitunter nicht einfach ist, divergierende Standpunkte unter einen Hut zu bringen. Die Koalitionsfraktionen haben das in diesem Antrag versucht, aber es ist ihnen, offen gesagt, nicht gelungen.
Es muss die Frage gestattet sein, welche Erkenntnisse Sie als Innenminister im Zeitraum von April bis heute – also seit der Einsetzung der Taskforce – gewonnen haben, die Sie offenkundig zu einem Positionswechsel bewegt haben. Als Beispiel nenne ich Formulierungen in der Vorbemerkung Ihres Papiers wie die folgende: Aufgabe der Taskforce ist es, die vollziehbare Ausreisepflicht der betroffenen Personen herzustellen und eine Abschiebung aus der Haft zu forcieren, sofern dies im Einzelfall möglich ist. – In Punkt 8 heißt es: Ein wichtiges Instrument für die Absicherung der Ausreisepflicht ist die Überführung der Abzuschiebenden in einen Ausreisegewahrsam oder eine Abschiebungshaft. – Das hört sich so gar nicht nach Freiwilligkeitskonzept an.
Der Antrag wirft zum gesamten, zugegebenermaßen komplexen Prozedere weitere Fragen auf. Unklar bleibt der Antrag beispielsweise dahingehend, ob es grundsätzlich bei der Aufgabenteilung zwischen den örtlichen Ausländerbehörden und der Zentralen Ausländerbehörde bleibt oder eine Kompetenzerweiterung für die ZABH bzw. über die Taskforce im MIK angestrebt wird, wenn Sie Möglichkeiten erweitern wollen. Eine Gesetzesänderung oder Änderung entsprechender Verwaltungsvorschriften ist jedoch nicht Gegenstand des Antrages. Auch bleibt unklar, in welchem Umfang und über welchen Weg diese Erweiterung erfolgen soll.
Eine weitere Frage schließt sich an: Mit Ihrem Antrag wollen Sie im Sinne eines durchsetzungsfähigen Rechtsstaates dafür Sorge tragen, dass prioritär vollziehbar ausreisepflichtige, straffällig gewordene inhaftierte ausländische Personen – darunter teilweise Intensivstraftäter – konsequent und zügig in die jeweiligen Herkunftsländer zurückgeführt werden, um die kommunalen Ausländerbehörden zu unterstützen. Wobei und wie sollen sie denn unterstützt werden? Sie schreiben selbst: Zuständige und damit aktenführende Behörde bleibt die Ausländerbehörde, die für die Person vor Einbringung des Falls zur Bearbeitung in der Taskforce zuständig war. – Und: Zwingende Voraussetzung für die Einbringung einer Person in die Taskforce ist die örtliche Zuständigkeit einer Brandenburger Ausländerbehörde.
Die Entscheidung darüber, ob abgeschoben werden soll, ist und bleibt doch die Zuständigkeit der kommunalen Ausländerbehörden, die praktische Umsetzung die der ZABH. Wenn Letztere oder Abteilungen im MIK mit Personal verstärkt werden müssen und sollen, um bestehende Vollzugsdefizite zu beseitigen, können sie das jederzeit in eigener Ressortverantwortung tun, müssen dies aber nicht unter der Überschrift „Taskforce“ verkaufen. Bezeichnend ist deshalb auch der letzte Satz in Ihrem Antrag, demzufolge es Ihnen um die Erhöhung der Akzeptanz von Integrations- und Hilfeleistungen innerhalb der Bevölkerung geht. Dazu braucht man wohl eine knackige Überschrift in einem solchen Antrag.
Wir sehen aufgrund der aufgeworfenen Fragestellungen keine Möglichkeit, dem Antrag bereits heute zuzustimmen. Deshalb haben wir eine Überweisung an den AIK beantragt, wo ohnehin noch das Konzeptpapier zur Taskforce zur Beratung ansteht. Anderenfalls werden wir uns heute bei der Abstimmung enthalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.