Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen Abgeordnete! Ich freue mich sehr, dass wir hier heute schon mehr als drei Stunden über eine der aus meiner Sicht wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen der Landespolitik für die nächsten Jahrzehnte sprechen, obgleich ich mir nicht sicher bin, ob wir in diesen drei Stunden schon so viel Erkenntnisfortschritt erzielt haben.
Allerdings sollte es unser gemeinsames Ziel sein – und ist es hoffentlich auch -, die beste Strategie und den bestmöglichen Mix an Maßnahmen für die erfolgreiche Bewältigung des bereits begonnenen Strukturwandels in unserer Lausitz zu finden. Ich glaube, wir sind etwas spät dran, da der Strukturwandel schon begonnen hat, aber hoffentlich kommen wir in dieser Hinsicht noch auf gute Ansätze, gute Ideen, gute Strategien und gute Maßnahmen.
Wir von den Brandenburger Vereinigten Bürgerbewegungen / Freien Wählern sehen uns genau hierfür – für die Lausitz und unser ganzes Land – auf jeden Fall mit in der Verantwortung. Wir teilen auch das Ziel, weitere Strukturbrüche – sie wurden heute schon angesprochen – zu vermeiden und die Region gemeinsam mit unseren Bürgern der Lausitz voranzubringen und zu gestalten – auch das wurde heute schon angesprochen; darauf werde ich gleich noch eingehen. Auch wollen wir natürlich mit dafür sorgen, dass die rund 10,3 Milliarden Euro aus dem Strukturstärkungsgesetz für kluge und gezielte Investitionen in die Zukunft der Lausitz genutzt werden. Wir werden uns dazu sicher noch intensiv austauschen und streiten, wie das genau erfolgen soll und muss.
Nun hat hier die Regierungskoalition – die Koalitionsfraktionen – einen Antrag vorgelegt, der sich – lasse ich die heiße Luft vorne weg – mit den Grundlagen für eine Strukturentwicklung in der Lausitz beschäftigen soll. Ich gehe gleich noch darauf ein, aber ich muss ehrlich sagen: Was ich hier heute gehört habe, ist ganz viel Verbreiten von Optimismus und Verbreiten eines Bildes von blühenden Landschaften. Nun hat „blühende Landschaften“ Helmut Kohl einmal gesagt, und wir wissen alle, was aus seinem schönen Bild blühender Landschaften, die er vorhergesagt und an die Wand gemalt hat, geworden ist. Darauf brauche ich, glaube ich, nicht eingehen.
(Zurufe)
– Ja, fragen Sie einmal die Menschen, wie die Treuhandgesellschaft diesen blühenden Landschaften den Weg bereitet hat und mit den industriellen Strukturen, die auch hier in der Region noch vorhanden waren, in der Regel umgegangen ist!
Konkret zum Antrag: Die einzelnen von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagen Maßnahmen im Bereich „Infrastruktur“ erscheinen erst einmal grundsätzlich sinnvoll. Allerdings muss man dafür sorgen, dass die neuen Schienen, die neuen Straßen, die hier alle geplant und gebaut werden sollen, auch wirklich vermehrt genutzt werden und nicht weitgehend leer stehen bleiben. Deshalb muss unsere Lausitz nicht nur für Industrie und Gewerbe, sondern auch für junge gut ausgebildete und innovativ denkende Menschen attraktiver werden. Das dürfen wir in all den Diskussionen über die als Standortfaktoren relevanten Merkmale für Unternehmen nicht aus den Augen verlieren.
Die einzelnen von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagen Maßnahmen im Bereich „Wirtschaft/Ansiedlung“ hören sich im ersten Moment gut an. Aber was genau steckt hinter der – Entschuldigung – Sprechblase „Die Lausitz soll eine Energie- und Industrieregion bleiben“? Ich habe heute zu dem Punkt leider ganz wenig gehört, und das, was ich gehört habe, kannte ich schon seit Jahren.
Auch die beabsichtigte Ansiedlung von „tarifvertraglich abgesicherte[n] Arbeitsplätze[n]“ – das steht da genauso drin – würde, denke ich, jeder von uns unterschreiben. Aber welche Strategie zur Vermarktung und zur Standortentwicklung – in welchen Sektoren, für welche Branchen speziell – steckt konkret dahinter? Dazu habe ich heute nichts gehört. Und dass die WFBB auch dort weiterhin ihrer Aufgabe nachkommen soll und muss, bestehende Unternehmen und die vorhandene kleinteilige Wirtschaftsstruktur zu unterstützen und zu stärken, ist ebenso keine sensationell neue Erkenntnis wie die Erforderlichkeit einer möglichst optimalen Nutzung europäischer Fördermittel zur Unterstützung des wirtschaftlichen Strukturwandels. Für mich sind das Selbstverständlichkeiten.
Was die Koalition im Bereich „Verwaltung und Organisation“ – das sind die Überschriften, die sie zur Zusammenfassung ihres Sammelsuriums von alten Ideen und Selbstverständlichkeiten gewählt hat – vorschlägt, ist leider absolut nichts Neues. Das Schlimme ist: Die Ideen sind noch abgespeckt. Früher hieß es: Ministerien oder oberste Landesbehörden sollen in die Region. – Jetzt heißt es noch: Es können Außenstellen oder nachgeordnete Behörden dorthin gehen. – Ganz toll, ich bin wirklich beeindruckt von den unheimlich konkreten, konstruktiven und die Region voranbringenden Vorschlägen in dem Bereich.
Positiv möchte ich den „Teilhabefonds für die Förderung der Zivilgesellschaft“ hervorheben. Über den wurde eben schon zum Teil gestritten. Das finde ich grundsätzlich erst einmal eine gute Idee. Das hat auch Herr Raschke so ausgeführt, und ich habe den Eindruck, dass dieser Teilbereich durch die Grünen in den Antrag hineingekommen ist. Das finde ich gut, weil auch ich der Ansicht bin: Wenn man Menschen einbindet, sie mitnimmt, sie ernstnimmt, sie in die Prozesse einbindet, ihnen die Möglichkeit gibt, mitzudiskutieren, wenn sie ihre Ideen einbringen können – Stichwort „Schwarmintelligenz“ -, dann haben wir eine Chance, dass der Wandel am Ende auch funktioniert. Die Menschen vor Ort müssen den dortigen Wandel mitgestalten, aktiv mit dabei sein. Denn wenn sie sich nicht mitgenommen fühlen, dann wird es noch viel schwieriger.
Erstrebenswert wäre jetzt allerdings, dass – auch darüber wurde eben schon diskutiert – über die Mittelvergabe für die sogenannten strukturrelevanten Projekte maßgeblich von den zivilgesellschaftlichen Akteuren vor Ort in der Lausitz entschieden und sie ihnen überlassen wird. Da denke ich, dass die eben schon angesprochenen Strukturen aus den LEADER-Regionen sicherlich kein schlechtes Beispiel sind.
Präsidentin Prof. Dr. Liedtke: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):
Nein, im Moment nicht. Ich würde gerne erst einmal weitermachen.
Präsidentin Prof. Dr. Liedtke: Gut.
Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW): Die Maßnahmen in den Bereichen Forschung, Bildung, Wissenschaft und Kultur sind auch alles andere als neu, wie ich leider ebenfalls feststellen muss. Darin steht der Medizinstandort in Cottbus. Das haben wir heute bereits hinlänglich gehört und schon vor Jahren lesen können. Das steht auch in den entsprechenden Konzepten des Ministeriums. Es ist übrigens das einzige Ministerium, das ein Konzept für den Strukturwandel und ne Umsetzungsstrategie für die Lausitz vorgelegt hat – leider aber, wie gesagt, gar nichts Neues.
Die einzelnen Ansätze bei der Forschung in der Lausitz, die dort mit externen Forschungsgesellschaften realisiert werden sollen, haben mich ebenfalls nicht vom Hocker gehauen; die kannte ich. Dass das Ganze jetzt noch mit einem Kulturplan Lausitz garniert werden soll, ist sicherlich hilfreich und sinnvoll. Sehr zu meinem Bedauern, Herr Ministerpräsident Dr. Woidke, habe ich heute jedoch keine großen, genialen neuen Ideen, neuen Initiativen oder konkreten Maßnahmen gehört, um den Strukturwandel in der Lausitz zu gestalten.
Zusammenfassend muss ich leider festhalten: Gerade auch diese Regierungserklärung war für mich erneut eine Aneinanderreihung ziemlich vieler Sprechblasen und standardisierter Begrifflichkeiten nach dem Motto: Wir wollen ein Bild der blühenden Landschaften erzeugen. Es tut mir leid, aber mit diesem Bild von blühenden Landschaften kann man mich nicht vom Hocker reißen, weil ich weiß, wie das ganz schlimm scheitern kann.
(Ministerpräsident Dr. Woidke: Davon reden Sie die ganze Zeit, Herr Dr. Zeschmann, nicht wir!)
– Nein, Entschuldigung, Sie haben hier Sprechblasen verkündet und den Eindruck erweckt: Alles ist rosig, alles ist perfekt, alles ist organisiert und strukturiert. Es gebe eine Strategie, Konzepte und Maßnahmen. – Alles das gibt es leider nicht.
Werte Koalitionäre und werte Landesregierung, wenn das alles ist, was Sie in einer Regierungserklärung zur Gestaltung des Strukturwandels in unserer Lausitz auffahren können, dann wird mir schlicht angst und bange um die Zukunft der Lausitz und ihrer Bürger.
Es gibt den schönen Spruch von Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen. – Bei Ihnen, Herr Woidke, habe ich den Eindruck, Sie sind gar nicht auf die Idee gekommen, Visionen zu entwickeln, und zwar aus einem einfachen Grund: Sie wissen, Sie können nicht zum Arzt gehen, weil Ihnen der Ärztemangel in Brandenburg das gar nicht ermöglichen würde.
Sie führen immer wieder das Bild von Brandenburg als Gewinnerregion des 21. Jahrhunderts an, das uns morgen noch einmal stundenlang unter die Nase gerieben werden wird. Ich würde mich freuen, wenn das stimmen würde. Bisher ist es bestenfalls ein Wunschtraum oder eine Fata Morgana. Unterlegen Sie das Bild doch einmal mit einer konkreten Strategie und mit konkreten wirtschaftspolitischen Maßnahmen.
(Ministerpräsident Dr. Woidke: Lesen Sie die Regierungserklärung noch einmal durch!)
– Ja, ich habe sie gelesen. Immer nur den Ausdruck „Gewinnerregion des 21. Jahrhunderts“ zu wiederholen, ohne diesen zu unterlegen oder zu konkretisieren, hilft uns leider nicht weiter.
Wir würden sehr gerne intensiv und gemeinsam mit allen hier vertretenen Abgeordneten und Fraktionen daran arbeiten, dass das in der Lausitz ein Erfolg wird. Dafür brauchen wir aber etwas mehr Grundlagen.
Die Kollegen von der AfD-Fraktion haben mit ihrem Antrag auf Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone – SWZ – auf diese doch sehr dünnen Ausführungen der Regierungskoalition geantwortet. Allerdings lese ich in dem Antrag von „quasi planwirtschaftlichen Hilfen“. Da kommt mir natürlich automatisch die Frage in den Kopf: Soll es SWZ oder SBZ heißen? – SBZ scheint wohl doch nicht ganz gemeint zu sein, denn zurück in die Vergangenheit will hoffentlich keiner mehr.
Es stellt sich die Frage: Was ist diese Sonderwirtschaftszone? Warum soll der Versuch einer Wiederbelebung dieser Idee für die Lausitz unternommen werden? Interessant finde ich, dass die Kollegen der AfD-Fraktion selber in ihren Antrag hineingeschrieben haben, warum es in Deutschland noch nie eine Sonderwirtschaftszone gegeben hat. Als wesentliche Gründe dafür, dass das nicht als Erfolgsmodell – auch nicht nach 1990 – angesehen wird, werden weitreichende Deregulierungen sowie abweichende tarif- und arbeitsrechtliche Regelungen genannt. Sie selbst schreiben in der Begründung Ihres Antrags, dass Sie das nicht wollen. Interessant ist nur, dass Sie unter einem konkreten Punkt genau das fordern; darauf komme ich gleich noch zu sprechen.
Warum soll eine Sonderwirtschaftszone Lausitz heute besser passen oder gar sinnvoller sein als für die damals neu entstandenen Bundesländer? Sie, Frau Spring-Räumschüssel, haben angesprochen, man solle bewährte Instrumente nutzen. Gerade die Sonderwirtschaftszone ist nicht bewährt und hat es in Deutschland aus guten Gründen noch nicht gegeben.
Interessant finde ich zudem, dass Sie schreiben, die Sonderwirtschaftszone solle ein – Zitat – „Experimentierterritorium für Innovation“ sein, in dem es – wieder Zitat – „in einer digitalen Freiheitszone Voraussetzungen dafür gibt, innovative Produkte und Dienstleistungen unter realen Bedingungen in Reallaboren zu testen“.
Jetzt kommt wieder der tolle Begriff von „Reallaboren“. An den Begriff habe ich mir geschrieben: Na ja, da hat jemand das Papier des Kohlekompromisses gelesen und den äußerst fragwürdigen Begriff von den Reallaboren aufgegriffen. Nur, was ist eigentlich ein Reallabor? Kann mir das jemand von Ihnen definieren?
(Bretz [CDU]: Ja!)
– Ja, Herr Bretz, dass Sie das immer gerne versuchen und spontan reagieren, weiß ich. Trotzdem glaube ich nicht, dass das der Fall ist. Außerdem gibt es keine klare Definition von Reallabor.
Das, was in den Papieren steht, ist offenkundig, dass es sich hier um nichts anderes als um ein Versuchslabor mit realen Menschen – nämlich mit denen aus der Lausitz – als Versuchskaninchen handelt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD-Fraktion, Sie müssen unseren Bürgern in der Lausitz dann aber auch sagen, dass sie Versuchskaninchen sind und dass bei Versuchen öfter etwas schiefgehen kann.
Es stellt sich nach wie vor die Frage, wofür wir die Sonderwirtschaftszone überhaupt brauchen, wenn in den realen Laboren, die Sie angesprochen haben, ohnehin alles ausprobiert werden kann und soll.
Sie haben in Ihrem Antrag 14 verschiedene Punkte aufgeführt, die die Sonderwirtschaftszone Lausitz kennzeichnen sollen. Ich muss nach dem Durchlesen dieser 14 Punkte allerdings festhalten: Die Mehrheit der von Ihnen geforderten konkreten Punkte kann ich problemlos auch ohne Sonderwirtschaftszone umsetzen.
So ist zum Beispiel die Digitalisierung in den Kommunalverwaltungen jederzeit möglich und bereits in Gange, was man von der Landesregierung, wie wir vom Landesrechnungshof letzten Freitag erfahren haben, nicht sagen kann.
Auch Bauland und Gebäudeinfrastruktur durch die öffentliche Hand zu günstigen Bedingungen zur Nutzung bzw. zum Erwerb zur Verfügung zu stellen, wäre möglich, wenn wir dafür die Voraussetzungen beschließen und viel Geld in die Hand nehmen. Die Frage ist nur: Ist das überhaupt erforderlich oder sinnvoll? Denn Bauland ist gerade in der Lausitz im Vergleich zu vielen anderen Regionen in Brandenburg jetzt schon relativ günstig. Es scheint also nicht erforderlich zu sein.
Auch die Ansiedlung von Unternehmen in, wie Sie schreiben, bereits vorhandenen historischen Gebäudekomplexen ist ohne Sonderwirtschaftszone bereits möglich. Es muss nur aktiv betrieben und den Unternehmen konkret schmackhaft gemacht werden. Ich teile diesen Ansatz. Darum muss man sich aber bemühen; dazu brauche ich keine Sonderwirtschaftszone.
Ebenso ist die sozialwissenschaftliche Vernetzung mit der Region des Ruhrgebietes jederzeit möglich, wahrscheinlich sogar sinnvoll und notwendig, um von den dortigen Transformationsprozessen der letzten 40 bis 50 Jahre etwas lernen zu können: Was war gut? Welche Fehler sollte man nicht wiederholen? Meines Erachtens wäre es eine Hausaufgabe für die Landesregierung, die Kollegen in Nordrhein-Westfalen und aus der Region des Ruhrgebietes anzusprechen, wie das alles gelaufen ist – darüber gibt es bestimmt ausführliche Studien -, um nicht dieselben Fehler zu machen.
Auch Reallabore für unterschiedliche Anwendungsfelder zu etablieren, wie es sich die AfD-Fraktion wünscht, ist bereits damals im Ergebnis des Strukturstärkungsgesetzes und der Kohlekommission ausgeführt worden. Eine Verbindung mit digitalen Freiheitszonen, wie Sie das formulieren, wirft bei mir die Frage auf, was das heißt. Bedeutet das keinen Datenschutz mehr für die Lausitzer?
Ebenso verhält es sich mit der Nutzung von Modellen zur Mitarbeiterbeteiligung. Es muss jedoch zunächst etwas vorhanden sein, an dem sich die Mitarbeiter beteiligen können, oder Möglichkeiten, ihre Firma durch Management-Buy-out oder Ähnliches zu übernehmen. Es scheint gerade das Problem zu sein, dass die Strukturen wegbrechen und noch keine neuen vorhanden sind.
Abschließend möchte ich sagen, dass jederzeit die Mobilisierung von mehr privatem Wagniskapital möglich ist, wenn sich jemand dieser Aufgabe verschreibt, gezielt Werbung für die Möglichkeiten und Chancen in einer „neuen Lausitz“ betreibt und diese gut herausarbeitet. Da sind wir wieder bei den vielen lauten Sprechblasen und den vermeintlich blühenden Landschaften, die hier beschrieben werden. Ich bin deshalb ganz optimistisch, dass das klappen wird.
Mich hat irritiert, dass die AfD-Fraktion, die sich sonst immer gerne als – vermeintlicher – Vertreter des kleinen Mannes und als „Rächer der Lausitz“ geriert, ernsthaft in den Antrag geschrieben hat: Sie wollen Öffnungen im Arbeits- und Sozialrecht in der Lausitz einführen, wodurch, wie heute schon angesprochen wurde, – Zitat – „innovationsförderliche Arbeitszeiten, Arbeitsorte und Arbeitszeitsouveränität gewährleistet“ werden können. – Ich finde das ziemlich entlarvend.
Herr Kubitzki, Sie sprachen in diesem Zusammenhang von der Schaffung von Wohlstandsregionen. Wenn Sie solche Durchlöcherungen des Arbeits- und Sozialrechts zulassen, wird das Gegenteil eintreten: Dann werden die Menschen weniger verdienen und weniger sichere Arbeitsplätze haben. Damit widersprechen Sie ein bisschen Ihrem eigenen Antrag. Sie wollen zwar Wohlstandsregionen, Sie wollen aber eine Durchlöcherung von arbeits- und sozialrechtlichen Standards schaffen.
Ich bin der Auffassung, dann sollten Sie auch in der Lausitz plakatieren, dass Sie das wollen. – Ebenfalls problematisch ist die Forderung – ich zitiere -, „bestehende Regulierungen und Vorschriften zu streichen oder zu lockern sowie durch Ausnahmeregelungen regulatorische Freiheiten zu schaffen, Bürokratie zu straffen, Vorschriften zu vereinfachen oder temporär auszusetzen.“ Das kann auf die wirtschaftliche Entwicklung förderlich wirken; das ist richtig. Das kann aber auch Bürgerbeteiligungen deutlich reduzieren oder gar ausschließen oder umwelt- und naturschutzrechtlich erforderliche Vorschriften einfach mal so hinwegfegen. Wenn wir das weiterdenken, dürfen Sie aber genau das bei Tesla auch nicht mehr kritisieren.
Im Ergebnis können wir festhalten: Vieles von dem Geforderten ist bereits möglich oder wird schon angegangen, einiges ist sehr kritisch zu betrachten. Demnach scheint also auch die Sonderwirtschaftszone nicht wirklich der Stein der Weisen zu sein, um den Strukturwandel in der Lausitz entscheidend voranzubringen. Trotzdem können und werden wir die Lausitz als Experimentierfeld für neue innovative Ideen und Technologien entwickeln, aber möglichst ohne unsere Bürger dort partiell zu entrechten.
Ich möchte noch eine kurze Anmerkung zu dem Vorschlag machen, einen Sonderausschuss für die Lausitz einzurichten und die Kooperation mit Sachsen zu gestalten. Damit gehe ich auch auf den Antrag der Kollegen der Linken ein.
Jenseits der Strategiefrage und der richtigen innovativen Maßnahmen und deren Umsetzung steht die Frage im Raum, wie die Steuerung und Koordination des Strukturwandels sowie die Abstimmung der vielen verschiedenen Akteure und Mitwirkenden klug und effizient, aber ebenso partizipativ für die kommunale Ebene und unsere Bürger in der Lausitz organisiert werden können. Hierzu schlagen die Regierungsfraktionen auf parlamentarischer Ebene die Einrichtung eines Sonderausschusses vor. Er erscheint angesichts der Komplexität der zu behandelnden Fragestellungen und Themen, die sicherlich einen großen Querschnitt fast aller Politikfelder abbilden, ebenso wie angesichts der zeitlichen Perspektive des Strukturwandels in der Lausitz als sicherlich sinnvoll.
Allerdings halten wir die angestrebte Übernahme – Zitat – „federführender und koordinierender Aufgaben“ durch den Sonderausschuss für eher nicht möglich. Denn es gibt noch die Staatskanzlei, die Abstimmung auf Ministerpräsidentenebene mit Sachsen – falls sie denn weiterhin stattfinden sollte -, die sogenannte Großräschen-Runde mit den Ministern und Staatssekretären und die Lausitzbeauftragten.
Aus unserer Sicht besteht ein erheblicher Klärungsbedarf, wer genau wofür zuständig sein soll und wie diese Zuständigkeiten klar voneinander abgegrenzt und zugleich durch wen effizient koordiniert werden sollen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf die parlamentarischkooperative Zusammenarbeit zwischen dem Landtag Brandenburg und dem Sächsischen Landtag eingehen, die die Linke vorstellt. Damit sind wir bei dem Thema der Umfirmierung der Wirtschaftsregion Lausitz GmbH zu einer Strukturentwicklungsgesellschaft für den brandenburgischen Teil der Lausitz und dem damit verbundenen Austritt – das wurde heute schon angesprochen – von zwei sächsischen Landkreisen, die bisher an diesem kommunalen Gremium beteiligt waren.
Wir denken, dass die Frage einer Weiterführung und einer guten und eng abgestimmten Zusammenarbeit mit Sachsen und dem sächsischen Teil der Lausitz extrem wichtig ist, weil wir gerade jetzt noch über die Strategie und darüber sprechen, die Weichen zu stellen, und weil es gerade jetzt darauf ankommt, das gemeinsam zu tun, damit nichts schiefgeht.
Speziell haben die Kollegen von den Linken mit dem Antrag eingebracht, dass verhindert werden soll, einen Subventions- und Standortfaktorenwettbewerb mitten durch die Lausitz zu produzieren. Das ist nämlich genau das Problem, das wir dann haben: dass in Brandenburg und in Sachsen unterschiedliche Strategien und Politiken verfolgt werden und wir dann möglicherweise in einen Subventions- oder Standortwettbewerb geraten. Deshalb ist die Idee, diese länderübergreifende Zusammenarbeit für die Lausitz mit Sachsen zu organisieren, richtig und notwendig. Wenn wir das jetzt weglassen – ich glaube, Herr Barthel hat es vorhin gesagt; Sie haben gesagt, es sei zwar ein guter Vorschlag, aber er sei nicht mehr aktuell -, dann – tut mir leid – fällt das Kind jetzt in den Brunnen.
Wir müssen jetzt die Weichen richtig stellen, wir müssen uns jetzt eng mit den sächsischen Kollegen abstimmen, damit wir das letztlich gemeinsam für die ganze Region Lausitz voranbringen, gemeinsam national und international als Standort vermarkten und entsprechend transportieren können. Genau hier weist der Antrag der Koalitionsfraktionen eine Leerstelle auf – schlicht eine Leerstelle, man könnte auch sagen: Null. Deswegen sind wir der Ansicht, dass dieser Punkt der Koordination und Abstimmung mit Sachsen unbedingt in den Antrag der Koalitionsfraktionen auf Einsetzung des Sonderausschusses aufgenommen werden sollte. Denn wir wollen ja gerade die Probleme und Risiken infolge der mangelnden Koordination oder Abstimmung mit Sachsen von vornherein vermeiden. Deswegen sind wir dafür, dass die Punkte 1 bis 3 des Antrags der Linken in den Antrag auf Einsetzung des Sonderausschusses als Auftrag für den Sonderausschuss eingehen. Dies beantragen wir hiermit als Änderungsantrag zum Antrag 7/1819 und appellieren an die Mitglieder der Regierungsfraktionen, das zu übernehmen, und an alle Mitglieder des Landtages, dies zu ermöglichen. Denn wir wollen doch alle zusammen den Strukturwandel in der ganzen Lausitz gemeinsam mit der besten Strategie und dem besten Mix an Maßnahmen angehen und am Ende erfolgreich bewältigen und gestalten können – oder? Also, verhalten Sie sich entsprechend! – Danke schön.