Matthias Stefke zum Antrag „Landesaufnahmeprogramm für Brandenburg“ von SPD, CDU, Grüne – 27.08.20

27. Aug 2020

Rede von Matthias Stefke in Textform:

Herr Abg. Stefke (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer draußen an den Bildschirmen! Die weltweite Flüchtlingskrise ist nicht erst 2015 entstanden, hat aber in jenem Jahr eine besondere Aufmerksamkeit erfahren – zu Recht. Es kann und darf einer zivilisierten Gesellschaft nicht gleichgültig sein, wenn Menschen aufgrund von Krieg und Hungersnot zu Millionen aus ihren Heimatländern flüchten.

Natürlich gibt es allein hierzu – beispielsweise zu möglichen Fluchtursachen – schon eine Menge zu sagen. Das würde jedoch den Bereich der internationalen Politik, also der Außenpolitik, stark tangieren. Beides ist nicht unsere Aufgabe und unterfällt nicht unserer Zuständigkeit. Aber auch wenn wir keine Außenpolitik betreiben wollen und dürfen, ist es selbstverständlich jederzeit möglich, Mitmenschlichkeit und Barmherzigkeit zu zeigen und in die Landespolitik einfließen zu lassen.

Daher sehen wir es als einen begrüßenswerten Vorschlag an, ein humanitäres Landesaufnahmeprogramm für besonders Schutzbedürftige, vor Krieg geflüchtete Menschen und aus religiösen Gründen Verfolgte, wie Christinnen und Christen, aufzulegen.

Wer Kinder hat, den schmerzt es besonders, zu sehen, unter welch katastrophalen Bedingungen Kinder beispielsweise auf den griechischen Inseln untergebracht sind. Das kann niemand als selbstverschuldetes oder selbstgewähltes Schicksal abtun. Auch ist die im Antrag genannte Zahl von 200 Schutzsuchenden eine Größenordnung, die das Land Brandenburg in jedem Fall verkraften kann.

Allerdings stellt sich uns die Frage, ob mit dem vorgeschlagenen Weg dorthin der zweite vor dem ersten Schritt gemacht wird. Frau Johlige und die Kollegin Richstein haben es kurz angesprochen. Es ist bekannt, dass Berlin und Thüringen vergleichbare Programme auflegen wollten. Bundesinnenminister Seehofer hat hierfür jedoch nicht das gemäß § 23 Aufenthaltsgesetz erforderliche Einvernehmen erteilt – im Falle von Berlin sogar schon dreimal nicht. Deshalb verwundert die Aussage im dritten Punkt – ich zitiere -:

„Das brandenburgische Landesaufnahmeprogramm wird gemäß § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) umgesetzt […].“

Warum sollte es Brandenburg anders ergehen als Berlin und Thüringen? Hat Herr Innenminister Stübgen einen besseren Draht zum Bundesinnenminister? Woher speist sich Ihre Hoffnung, dass Brandenburg nicht das gleiche Schicksal droht wie den beiden genannten Bundesländern?

Daher ist die Frage legitim: Werden hier, abgesehen von der Arbeit und den Mühen, die in ein solches Landesaufnahmeprogramm zu investieren sind, Erwartungen, ja Hoffnungen geweckt, die sich nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht erfüllen lassen?

Ein weiterer Punkt verursacht ein großes Fragezeichen. Im zweiten Punkt heißt es im letzten Satz:

„Zum regulären Auswahlverfahren“ – gemeint ist die Auswahl der besonders schutzbedürftigen Personen – „gehört eine Überprüfung des Verfassungsschutzes.“

Die Formulierung dieses Punktes mag ein Zugeständnis an den Koalitionspartner CDU gewesen sein; die Umsetzung erscheint allerdings mehr als fraglich. Nicht selten verfügen Geflüchtete über keine gültigen Ausweispapiere, weshalb ihre Identität entweder nur schwer oder gar nicht ermittelt werden kann. Ein Großteil der 200 schutzsuchenden Menschen, die über das Programm Aufnahme finden sollen, dürften Kinder sein, die aus unserer Sicht keiner Prüfung durch den Verfassungsschutz bedürfen. Insofern halten wir diesen Satz und eine solche Prüfung für entbehrlich.

Wir hoffen, dass Herr Minister Stübgen die von uns aufgeworfenen Fragen beantworten kann – wobei wir gerade gesehen haben, dass Frau Ministerin Nonnemacher antwortet -, damit wir dem Antrag zweifelsfrei zustimmen können.

Dem Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE können wir zustimmen. Wir verstehen, ehrlich gesagt, nicht, warum sich die Koalition so sträubt. Es geht um einen reinen Prüf- und Berichtsauftrag. Da sollte es keinen Grund geben, größere Auseinandersetzungen zu führen. Wenn ich das so empfehlen und darum bitten darf: Geben Sie sich einen Ruck und nehmen Sie das noch dazu. Dann wird das eine runde Sache. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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