Rede von Péter Vidain Textform:
Herr Abg. Vida (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Ein Haushalt in einer Krisenzeit verlangt von einer Opposition, wohldosierte Kritik an den Tag zu legen. Das ist das Maß, das man anwendet, weil man im Gegenzug von der Regierung erwartet, dass es ein Haushalt wird, der alle mitnimmt und auch die berechtigten Interessen und Ideen aller widerspiegelt.
Wie man früher erwarten konnte, dass nicht Parteienprofilierung im Vordergrund steht, weil sich die Corona-Krise eben nicht für einseitige Rechthaberei eignete und auch nicht eignet, ist es nun angezeigt, die Auswirkungen dessen kollegial zu meistern. Man kann deswegen erwarten, dass es auch hier kein einseitiges, diesmal der Regierung zum Vorteil gereichendes Durchdrücken der eigenen Vorstellungen gibt.
Dass man dieser fairen Grundannahme mit dem vorliegenden Haushalt Rechnung trägt, darf bezweifelt werden. Genauso werfen auch die Bürger des Landes einen Blick auf unser Handeln. Die Mehrheit akzeptierte die Entscheidungen, die Einschränkungen; es wurden große persönliche, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Opfer gebracht. Die Menschen taten dies in dem Vertrauen und in der Erwartung, dass ihre gewählten Vertreter in der Bewältigung der Krise an sie denken, nicht an ihre parteilichen Interessen, sondern an übergeordnete Belange, dass man Maß wahrt zwischen Versprochenem und Machbarem, zwischen Notwendigem und Wünschenswertem, ja zwischen Beibehalten und Einsparen.
Der Haushalt ist umfangreich und enthält Ausgaben für Investitionen in noch nie da gewesenem Ausmaß. Die Landesregierung plant Investitionen in Höhe von 4,7 Milliarden Euro bis 2025, darunter 1,9 Milliarden Euro neue Schulden für die Bewältigung der Pandemie-Krise. „Brandenburgs Stärken sichern“ heißt nun das Programm, welches man dem Namen nach kaum ablehnen kann, wobei sich ein Blick hinter die Kulissen aber lohnt.
BVB / FREIE WÄHLER hat der Regierungskoalition zugestimmt, als sie in der anhaltenden Niedrigzinsphase den Zukunftsinvestitionsfonds mit einem Volumen von einer Milliarde Euro ins Leben gerufen hat, um notwendige Investitionen tätigen zu können – übrigens eine Maßnahme, für deren Idee wir in der gesamten letzten Wahlperiode gescholten worden sind, auch von dem hier als Realo beklatschten ehemaligen linken Finanzminister, als wir regelmäßig unter Verweis auf die Niedrigzinsphase genau solche in dieser Form finanzierten Investitionsvorhaben vorgeschlagen haben.
BVB / FREIE WÄHLER hat der Regierungskoalition auch zugestimmt, als sie 2 Milliarden Euro an Krediten aufgenommen hat, um ein Corona-Soforthilfeprogramm für die Bewältigung der Folgen der Krise in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft auflegen zu können.
Es ist allerdings wichtig, die richtige Balance zwischen Investieren, Schuldenaufnahme, Vorlegen von Einsparungen und wirtschaftlichem Handeln zu finden. Das ist ein schwieriges Unterfangen, und bisher hat die Landesregierung diese Balance durchaus auch gewahrt und die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um Investitionsstaus abzubauen und in der Krise helfen zu können. Mit dem Nachtragshaushalt 2020 und dem nun vorliegenden Haushalt 2021 hat die Koalition den Zukunftsinvestitionsfonds nun aber mit geplanten Ausgaben von 920 Millionen Euro bis 2025 faktisch aufgebraucht. Auch die Ermächtigungen für die Kreditaufnahmen für Corona-Soforthilfen läuft in gut drei Monaten aus. Hinzu kommen Steuerausfälle von einer Milliarde Euro, die ausgeglichen werden müssen.
Hätte man den Beteuerungen der Koalitionsfraktionen geglaubt, dass es im Kabinett ein zähes Ringen um die Projekte, die SPD, CDU und Grünen wichtig sind und auf die im Zweifel teilweise verzichtet werden muss oder die zumindest verschoben werden müssen, gegeben hat, hätte man ein anderes Ergebnis gesehen. Denn das angeblich zähe Ringen um Einsparungen wandelte sich dann doch in ein leises Zähneknirschen und führte zu einem Rekordhaushalt mit einer neuen, üppigen Kreditaufnahme. Die einzig groß präsentierte Einsparung war dann der demonstrative Verzicht auf die Regionalkoordinatoren; doch dass das Volumen dieser beim Gesamtvolumen von 15 Milliarden Euro kaum ins Gewicht fällt, dürfte auch jedem Laien klar sein.
Auch da ist kein großes Opfer gebracht worden. Die Einschnitte in der Staatskanzlei sind nicht so schwerwiegend, dramatisch und aufopferungsvoll wie dargestellt; denn die hohe Besoldungsstelle hat man genauso behalten, wie man elf der 20 Zusatzstellen in den Regionalkoordinatorenbüros in den hohen Entgeltgruppen schon einmal reserviert hat – sicher ist sicher.
Meine Damen und Herren, auch die Kollegen der beiden anderen Oppositionsfraktionen üben sich an dieser Stelle in vornehmer Zurückhaltung, denn offenbar brauchten auch sie dank eines neuen Kredits kaum einen ihrer Wünsche oder Vorschläge aufzugeben. Statt sich zu besinnen und zu eruieren, was in nächster Zeit wirklich wichtig ist, wird das durch Kredite zur Verfügung gestellte Geld großzügig ausgegeben. Wir bestreiten nicht, dass die Notwendigkeit vieler Investitionen und auch Projekte sinnvoll und gegeben ist und werden auch hier die Zustimmung nicht verweigern. Allerdings scheint es so, dass der Blick für Maß, Mitte, das Wesentliche und das wirklich Notwendige durch die zur Verfügung gestellten Kreditmittel etwas getrübt ist.
Da kommt natürlich die Frage auf, wie glaubwürdig es ist, wenn sich hier die Koalition einer Lösung des Problems der Erschließungs- und Altanschließerbeiträge verweigert. Der Fraktionsvorsitzende der CDU hat hier gerade meinen Vortrag kritisiert, noch bevor ich ihn gehalten habe. Das passiert natürlich, wenn man eine pauschale Rede hält und hier Vorträge von sich gibt, die mit der vorgesehenen Rede überhaupt nichts zu tun haben.
Wenn Sie heute – wo Sie uns wieder die Märchenzahl von 500 bis 700 Millionen Euro pro Jahr vorgehalten haben – zum Beispiel einfach einmal in die Parlamentsdokumentation schauen, unsere Nachfragen zum Thema Sandpisten genau ansehen und die Antwort des Infrastrukturministeriums, die Sie für bare Münze gehalten haben, lesen, erfahren Sie, dass alle von uns kritisierten Punkte zur lückenhaften Datenerhebung heute per Mitteilung der Landesregierung eingeräumt werden: Es gibt keine Datenerhebung zur Ausbaupraxis, keine Datenerhebung zu Eigenanteilen der Gemeinden. Auf die Frage, ob nun alle Sandstraßen berechnet worden seien, heißt es, man nehme an, dass es nicht so sei, weil die Frage ja qualifiziert gewesen sei. Genaue Daten habe man nicht. Man räumt ein, dass es zu sämtlichen zehn Fragen keine Daten gibt. Trotzdem basieren Ihre Zahlen auf dieser lückenhaften Erhebung, und zwar nicht nur Ihre Zahlen, sondern auch Ihre vorgeschobene Kritik.
Meine Damen und Herren, da müssen Sie sich gefallen lassen, dass Sie bei der Frage der Erschließungs- und Altanschließerbeiträge nicht glaubwürdig sind. Denn während in Krisenzeiten die Entlastung der Bürger von besonderen Belastungen, Zusatzkosten und Sonderopfern ein anerkanntes volkswirtschaftliches Mittel ist, werden in dieser Frage Neid und Missgunst geschürt, womit den Betroffenen Unrecht getan wird und zumindest eine Regierungsfraktion hier massiv ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt.
Denn während in einer Zeit, in der wieder über Steuereinnahmen, Steuerausfälle, Haushalt und Sonstiges diskutiert wurde und Ihre Fraktion ganz schnell dabei war, dies zu fordern, wird jetzt, wo wir ganz konkret über Geld verhandeln und die Vorschläge zeitlich angebracht sind, dieses Recht einfach pauschal in Abrede gestellt. Für uns als BVB / FREIE WÄHLER gilt, dass auch in Krisenzeiten Gerechtigkeit keine Frage der Kassenlage sein darf.
Deswegen werden wir auch nicht lockerlassen. Wir werden Lösungen suchen, die ökonomisch, sozial, rechtlich und auch moralisch zu rechtfertigen sind, egal welche Sonntagsreden hier gehalten werden. Meine Damen und Herren, deshalb ist dieser Haushalt nicht wirklich innovativ. Er ist in vielen Teilen etwas großspurig und auch übertrieben. Die Bewilligung der Corona-Soforthilfen hat gezeigt, dass es in diesen Zeiten wichtig ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, Notlagen zu meistern, wirtschaftliche Probleme zu lindern und auch krisenfest zu werden.
Wesentlich sind nach unserer Auffassung Bildung, Krankenhäuser, Pflege, Brand- und Katastrophenschutz, handlungsfähige Polizei und Justiz, bei der wir nicht nach entsprechenden populistischen Aussagen des Fraktionsvorsitzenden der CDU irgendwelche Einsparungen vornehmen wollen, ganz im Gegenteil. Sie rühmen sich dessen, dass die Zielzahlen weiter im Haushalt stünden. Dass da zwar keine Personen hineinkommen, sondern das nur Platzhalterlücken, Zahlen, Tabellen sind, sagen Sie den Bürgern nicht. Während Sie anderen den Schwarzen Peter zuschieben wollen, verdienen Sie ihn sich selbst in Ihrem Haushalt und verteidigen das auch noch in lauschigen Sommerinterviews am See bei gutem Wetter.
Auch gehören für uns starke Gemeinden, zukunftsfähige Verkehrs- und Schieneninfrastruktur einschließlich vor allem gutem ÖPNV dazu. Dass Sie das, was Sie vor Ort fordern, uns hier vorwerfen, spricht auch Bände. Aber so ist das manchmal, wenn man in der Regierungskoalition bestimmte Grundsätze aufgibt und das wahrscheinlich nicht einmal merkt.
Meine Damen und Herren! All das, was uns so wichtig ist, findet sich in Teilen auch im Haushalt 2021, und diese Projekte werden wir auch unterstützen. Aber unseres Erachtens sind auch Dinge enthalten, die jetzt nicht zwingend umgesetzt werden müssten. An dieser generellen Betrachtung werden sich unsere Anträge, die Sie sehen werden, bei denen Sie die Chance haben zuzustimmen – wenn es Ihnen wirklich wichtig wäre -, und auch unser Abstimmungsverhalten messen lassen.
Meine Damen und Herren, zudem ist der Umstand bedenklich, dass sich die Landesregierung nicht vor 2024 – fürs Protokoll: Dann sind Landtagswahlen – Gedanken über die Rückzahlung der Kredite machen möchte.
Lassen Sie uns verantwortungsvoll mit den dringend notwendigen Investitionen auf der einen Seite und der Bewältigung der unbestritten schwierigen Folgen der Corona-Pandemie auf der anderen Seite umgehen und erst einmal die zur Verfügung stehenden Mittel nutzen. Sollte sich im Rahmen der außergewöhnlichen Notlage zeigen, dass weitere Kredite notwendig werden, um Wirtschaft und Gesellschaft zu unterstützen, kann dies auch in einem Nachtragshaushalt 2021 wie schon für 2020 geregelt werden. Lassen Sie uns in den Fachausschüssen konstruktiv über die Notwendigkeit der Änderungen der veranschlagten Projekte diskutieren. Wir werden die Kritik danach ausrichten, was gesagt wird, was beantragt wird, und nicht, bevor es beantragt und gesagt wird. Lassen Sie uns daher Kollegialität vor Profilierung üben, und geben Sie Vorschlägen der Opposition – so wie Sie von der Opposition konstruktive Vorschläge fordern – auch eine Chance.
Es geht uns – das werden Sie uns zubilligen – nicht um eine Fundamentalkritik aus Prinzip am vorliegenden Haushaltsplan, sondern um einen wirtschaftlichen Einsatz des Geldes, der nicht wie in den vergangenen Jahren üppig fließenden Steuereinnahmen, um eine auf das Notwendigste zu beschränkende Aufnahme von Krediten, die zulasten künftiger Generationen gingen, um notwendige Investitionen in die Zukunftsfelder des Landes, darum, den Menschen in der Krise beizustehen und bei der Bewältigung der Krise nahe zu sein, und darum, erkannte Ungerechtigkeiten zu lindern. Das ist Grundlage unserer Haushaltsbetrachtung und Haushaltsberatung. Das schließt zunächst offene Augen unsererseits für das Richtige ein und erfordert zugleich Gehör für Verbesserungen Ihrerseits. Hierum bitten wir Sie. – Danke schön.