Rede von Péter Vida in Textform:
Herr Abg. Vida (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Nach diesen blumigen Worten erlaube ich mir, zum Einzelplan an sich zu sprechen. Wir haben im Rechtsausschuss intensiv darüber beraten. Dabei schien es ein bisschen so, als ob es zwei Fraktionen gäbe, die wirklich kritische, punktuell bezogene Anträge stellen können. Dazu gehörten die Koalitionsfraktionen nicht; das möchte ich einmal ganz klar sagen.
In Richtung AfD-Fraktion: Herr Hanko, Sie führen sich hier so auf, als hätten Sie die großen rechtsstaatlichen Erkenntnisse gewonnen. Sie haben teilweise Anträge gestellt – und dabei auf Richterstellenbesetzungen Bezug genommen -, die schon seit zwei Jahren obsolet und überholt waren. Das wollen wir der Wahrheit halber dazusagen.
Aber, Herr Raschke, sehen Sie es mir nach: Nach dem, was Sie hier angeführt haben, waren wir kurz vor dem achten Weltwunder. Ich habe es mir notiert:
„So viel Rechtsstaat … war noch nie.“
Vielleicht geht es ein paar Etagen tiefer. Das ist der Einzelplan 04 des Haushalts 2021, und wir sind hier nicht bei einer revolutionären Neufassung der rechtsstaatlichen Strukturen.
Wenn so viel Rechtsstaat wie noch war, können Sie vielleicht auch etwas dazu sagen, wann die Rückerstattung der Altanschließerbeiträge erfolgt. Vielleicht erfahren wir auch schon morgen etwas darüber, wie wenigstens sichergestellt wird, dass bei denen, die nicht gezahlt haben, nicht weiter vollstreckt wird. Das war hier Konsens.
Da so viel Rechtsstaat wie noch nie war, gehe ich davon aus, dass ab morgen die Auszahlung der rechtswidrigen Rückmeldegebühren erfolgt bzw. dass es nachher, beim entsprechenden Haushaltsplan, eine Zustimmung Ihrerseits gibt – „So viel Rechtsstaat … war noch nie“ -, dann freue auch ich mich sehr.
Wir haben auch Änderungsanträge gestellt, die, wie bei anderen Ressorts – wahrscheinlich weil wir so viel Rechtsstaat haben wie noch nie -, abgelehnt worden sind, und zwar, im Vergleich zu anderen Ausschüssen – das war das Qualifikationsmerkmal -, ohne eine Stellungnahme seitens der Ministerin oder ihres Haushaltsbevollmächtigten. Das gab es in anderen Ausschüssen wirklich nicht: dass man Änderungsanträge formuliert und die Ministerin es noch nicht einmal für nötig erachtet, einen Kommentar zu diesen Änderungsanträgen abzugeben
– (Zuruf)
zu keinem einzigen unserer Fraktion.
Meine Damen und Herren, das ist auch eine Form des Umgangs. Sie haben ja groß gedankt. Ich kann mich diesem Dank nicht anschließen. Das bleibt festzuhalten. Das ist wirklich ein bemerkenswerter Vorgang.
Richtig ist, dass wir die Schaffung von fast 30 zusätzlichen Stellen für Staatsanwälte und Richter begrüßen. Wenn man sich die geringe Zahl an neuen Richterstellen in den vergangenen Haushaltsjahren ansieht, stellt man fest, das ist der richtige Schritt. In der letzten Legislaturperiode – das muss man in der Tat unterstreichen – wurde gerade die Unterbesetzung mit Richtern in den jeweiligen Gerichten immer wieder problematisiert, auch weil dies zu einem hohen Altfallbestand und zu langen Verfahrensdauern geführt hat, bis es eine endgültige Gerichtsentscheidung gab.
Deswegen ist dieser Paradigmenwechsel richtig und wichtig. Es ist nämlich eine Frage des Rechtsstaates und auch eine Frage der Rechtsweggarantie, dass es in einer angemessenen Zeit Entscheidungen gibt. Es ist korrekt – das unterstützen wir -, hier die Fehler der Vergangenheit auszubügeln.
Aber es geht nicht nur darum, Richterstellen zu planen, sondern auch darum, sie zu besetzen. Daher sollte es ein prioritäres Anliegen des Ministeriums der Justiz sein, für Nachwuchs zu sorgen. 70 der für 2020 vorgesehenen Richterstellen sind nicht besetzt. Insofern bleibt viel zu tun.
Umso unverständlicher ist dann die pauschale Ablehnung unseres Änderungsantrags, 18 zusätzliche Rechtspflegerstellen zu schaffen. Über die grundlegende Bedeutung von Rechtspflegern habe ich hier und auch im Rechtsausschuss mehrfach berichtet. Der Berufsverband – nicht nur wir – fordert eine deutliche Erhöhung ihrer Zahl, weil es hier erstens mehr Bedarf gibt, als die Planung es vorsieht, und weil zweitens ab nächstem Jahr weitere Aufgaben auf die Rechtspfleger zukommen und es hier überproportional viele Altersabgänge gibt. Insofern ist das ein Punkt, an dem es notwendig wäre, die Wichtigkeit der Rechtspfleger zu erkennen und insbesondere eine wirkliche Entlastung der Gerichte auch in diesem Bereich abzubilden.
Dafür reicht die vorgesehene Stellenzahl unseres Erachtens nicht aus. Hätte man sich intensiv mit dem Vorschlag des Rechtspflegerverbandes und dem Berufsbild auseinandergesetzt und die geschilderten Probleme ernst genommen, hätte dieser Antrag im Ausschuss nicht abgelehnt werden dürfen. Sie können diesen Fehler heute beseitigen.
Es sind weitere 20 neue Auszubildendenstellen im Justizvollzug geplant. Das ist erst einmal eine gute Sache. Wenn man sich die andauernden Schwierigkeiten der JVAs, Nachwuchs zu finden, sowie die seit Jahren bestehende Unterbesetzung in diesem Justizbereich ansieht, stellt sich einem die geplante Anzahl als zwar okay, aber als insgesamt recht gering dar. Anzumerken ist auch, dass sich die Anzahl der Beschäftigten im Justizvollzug im Haushaltsjahr 2021 gegenüber dem Haushaltsjahr 2020 nicht wesentlich geändert hat. Es gibt aus unserer Sicht daher sehr viel Nachholbedarf, was eine zukunftsorientierte Personalplanung anbetrifft; denn auch im Justizvollzug bleibt der Personalbestand bis einschließlich 2024 im Wesentlichen konstant.
Für die Koalition jedenfalls scheint der Haushalt der Justizministerin kein Problem darzustellen. Wir haben heute gehört, etwa ein Drittel Ihrer Zeit verwenden Sie auf Dankesreden und das symbolische, virtuelle Überreichen von Blumen. Tatsächlich haben die Koalitionsfraktionen keinen einzigen Änderungsantrag zum Einzelplan 04 eingebracht.
(Zuruf)
– Herr Eichelbaum, ich weiß, dass, wenn bei Haushaltsberatungen keine Änderungsanträge eingereicht werden, es immer Ausdruck einer besonderen Brillanz ist. Das Problem ist nur, dass es ein normaler Vorgang ist. Bei anderen Einzelplänen war es auch so, dass die Koalitionsfraktionen Änderungsvorschläge gemacht haben. Insofern ist diese Kritik hier festzuhalten. Deswegen ist festzuhalten, dass Zweifel daran bestehen, dass hier eine so tiefgründige Auseinandersetzung erfolgt ist, wie es wünschenswert gewesen wäre.
Ein Spiegelbild dessen ist, dass, wie ich eingangs sagte, die Ministerin es nicht einmal für nötig befand, die entsprechenden Änderungsanträge zu kommentieren. Jetzt können Sie sagen, sie kommentiert sie nicht, weil sie alle schlecht sind. Aber wenn das Ergebnis Ihrer Haushaltsberatung darin besteht, dass alles, was die Opposition einreicht, schlecht ist und Sie alles brillant machen, ist das, tut mir leid, anmaßend. Wenn man mit einer solchen Anmaßung an Haushaltsberatungen herangeht: Das kann man machen, es führt aber zu Kritik, und die müssen Sie sich gefallen lassen.
Meine Damen und Herren, anstatt sich qualifiziert damit auseinanderzusetzen, sonnen Sie sich lieber in Schaufensteranträgen. Wir hätten morgen – jetzt ist das auf Januar verschoben – den dritten Schaufensterantrag im Bereich Justiz gehabt. Es werden uns Dinge dreimal verkauft: Einmal wird im Koalitionsvertrag gesagt, Sie hätten da groß etwas geplant, dann wird hier ein Antrag gestellt, man solle prüfen, damit man das im nächsten Jahr auf den Weg bringen kann, und dann wird es vielleicht im nächsten Jahr gemacht. So kriegt man dafür dreimal eine Schlagzeile und es heißt: Wir tun doch. – Diese Schaufensteranträge müssten Sie nicht stellen, wenn alles so brillant wäre. Nein, Sie verlagern das in Schaufensterformate, um es hier präsentieren zu können, um sich dessen zu rühmen, um dann zum Haushalt keine Änderungsanträge zu stellen und zu sagen, Sie machen es nicht, weil alles so brillant ist. Das ist die Methode, die hier angewendet wird. Und, tut mir leid, das führt zu Kritik. Das ist für uns nicht nachvollziehbar und geht an den bestehenden Problemen vorbei.
Deswegen haben wir weitere Änderungsanträge gestellt. Wir glauben, dass die personelle Ausstattung von Staatsanwaltschaften, Gerichten und Justizvollzug so hohe Priorität haben muss, dass es mit schönen Sitzungssälen nicht gleichzustellen ist. Wir sehen hier einen Fehler in der Prioritätensetzung, auch wenn wir schöne Sitzungssäle nicht schlecht finden. Denn erst sollte ausreichend Personal eingeplant und eingestellt werden, und dann kann man sich um das Drumherum kümmern – so schön es auch sein mag. Daher der entsprechende Einsparvorschlag unsererseits.
Auch die Kürzung der Mittel für Projekte zur Betreuung und Beratung von Kriminalitätsopfern und zum Täter-Opfer-Ausgleich – insbesondere in den Bereichen Gewalt gegen Kinder, politische Gewalt, Sexualstraftaten – ist aus unserer Sicht genauso unverantwortlich wie die Kürzung von Ausgaben zur Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements bei der Betreuung von straffälligen Jugendlichen, Haftentlassenen oder für psychologische und soziale Nachbetreuung, Schuldner- und Insolvenzberatung, für die Hilfe für kindliche Opferzeugen und deren Familien. Auch dazu hatten wir Anträge gestellt, um das zu korrigieren. Diese Anträge wurden – weil alles so brillant ist – wie alle anderen Änderungsanträge von der Koalition durch die Bank abgelehnt. Wir hoffen sehr, dass sich dies nicht rächt.
Im Ergebnis können wir dem Einzelplan angesichts dieses Ungleichgewichts und dieser Unwuchten im Umgang mit Änderungsvorschlägen sowie der Verweigerung, auch nur punktuell einen einzigen Verbesserungsvorschlag anzunehmen, nicht zustimmen. – Vielen Dank.