Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen Abgeordnete! Ich bin wirklich unglaublich beeindruckt von den Reden der Herren Vogelsänger und Schaller: faktenfreie, inhaltsfreie Reden zum Haushalt, die – insbesondere im Fall von Herrn Schaller – nichts mit dem Haushalt zu tun hatten, eigentlich am Thema vorbeigingen und nicht hätten zugelassen werden dürfen. Offensichtlich fiel Ihnen nichts mehr zur Haushaltsdiskussion ein, Herr Schaller, deswegen haben Sie hier schöne Weihnachtsgeschichten und Jahresrückblicke dargeboten. Das kann ich verstehen, würde ich wahrscheinlich auch machen, wenn ich Sie wäre und mir die Argumente ausgegangen wären, aber das passt nun wirklich nicht hierhin.
Zum Kommunalen Rettungsschirm: Ich glaube, es gibt in diesem Hause niemanden, der gegen den Kommunalen Rettungsschirm ist. Im Gegenteil: Die Kollegen von der Linken und wir haben das im Frühjahr monatelang gefordert, mussten Sie aber zum Jagen tragen, bis Sie irgendwann im Juni so weit waren.
(Zuruf)
– Herr Bretz, ich verstehe ja, dass Sie immer dazwischenreden müssen, weil Sie heute nicht hier vorn sprechen konnten. Ich beginne jetzt trotzdem mit meiner Rede.
An diesem Einzelplan kann man ablesen, wohin die Reise gehen soll; denn hier werden ja – ich spreche vom Einzelplan 20, wir behandeln die Einzelpläne 12 und 20 ja zusammen -, wie wir alle wissen, all die globalen Dinge, insbesondere die Kreditaufnahme, verortet. Wenn man sieht, dass die Landesregierung aufgrund der Steuerschätzung gezwungen ist, Mehrausgaben zu leisten und Mindereinnahmen zu kompensieren, sollte man doch eigentlich denken: Es muss so sein, im Großen wie im Kleinen. Wenn ich wenig Geld habe, muss ich sparen. – Aber hier, in Brandenburg, spart kein einziges Ressort. Eher das Gegenteil ist der Fall: Sogar ein Stellenaufwuchs wird gewährt. Brechen nach der November-Steuerschätzung voraussichtliche Einnahmen aus Steuern weg, wird umgehend und ohne mit der Wimper zu zucken die Kreditaufnahme mal eben schnell um rund 103 Millionen Euro erhöht und davon gleich der Schattenhaushalt namens Sondervermögen mit 28 Millionen Euro weiter aufgefüllt. Es lebe also der Puffer für die Erfüllung der Wunschträume der Koalitionäre bis zum Jahr 2024! Das lässt sich auch sehr schön an den Verpflichtungsermächtigungen ablesen, die der halben Höhe des gesamten Haushalts entsprechen, was wir noch nie hatten. Das nicht einzusparen nenne ich, es tut mir leid, Realitätsverweigerung. Einfach weiter so wie geplant, auch wenn die Welt um Sie herum gerade einstürzt!
Haushaltsberatungen mit zum Teil sehr kurzfristig – über Nacht – eingereichten Änderungsanträgen der Koalition, insbesondere zum Einzelplan 20, machten diesen Haushalt noch mehr zum Dreh- und Angelpunkt. Jetzt wollen Sie plötzlich Kredite in Höhe von 2,4 Milliarden Euro aufnehmen, insbesondere für die Corona-Hilfspakete, den Rettungsschirm für die Kommunen und für das sogenannte Sondervermögen „Brandenburgs Stärken für die Zukunft sichern“. Dafür haben Sie das Sondervermögen mal eben von 903 auf 931 Millionen Euro erhöht – übrigens natürlich kreditfinanziert -, wobei allerdings nicht die gesamte Summe unterlegt ist, sondern lediglich 346 Millionen Euro für Steuermindereinnahmen, 41 Millionen Euro für Gewerbesteuerausfälle und 71 Millionen Euro für die kommunale Verbundmasse eingeplant sind.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Erläuterung, die man in Ihren Anträgen findet. Darin steht nämlich:
„Mit Abschluss des Haushaltjahres 2021 wird der Teil der gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 HG aufgenommenen Kredite, der im Haushaltsjahr 2021 nicht zur Deckung von coronabedingten Ausgaben oder zur Kompensation von nicht konjunkturbedingten Steuermindereinnahmen im Haushalt 2021 benötigt wird, in das Sondervermögen übertragen.“
„Nicht zur Deckung von coronabedingten Ausgaben“, schreiben Sie. Eine derart dreiste Dokumentation der Rechtswidrigkeit der Kreditbeschaffung und der Verschiebung in einen unkontrollierten Schattenhaushalt ist extrem schockierend. Offensichtlich sitzen Sie auf einem so hohen Ross, dass Sie sich sagen: Ach, wir können machen, wozu wir Lust haben. Wir drücken sowieso alles durch. – Da hat man sofort den Slogan im Kopf, den man auch sonst oft hört, wenn man im Land, in den Kreisen auf Ebene der Kommunalpolitik unterwegs ist. Von der SPD kommt immer der Ruf: „Brandenburg gehört uns!“, also Politik nach Gutsherrenart. – Genau das machen Sie hier, und das ist einer Diskussion über den Haushalt im Parlament – Stichwort Königsrecht – in keiner Weise würdig.
Des Weiteren haben Sie die Corona-Finanzmittel aufgestockt, natürlich ebenfalls kreditfinanziert. Damit kommen wir zum Kommunalen Rettungsschirm, den wir ja alle richtig finden. Ihn haben Sie von 53 auf 129,6 Millionen Euro aufgestockt – hiervon übrigens nur 2,6 Millionen Euro kreditfinanziert.
Warum plötzlich so knauserig, liebe Kollegen von den Koalitionsfraktionen? Ah! Gleichzeitig nehmen Sie unseren Gemeinden 16,7 Millionen Euro an Schlüsselzuweisungen, 23 Millionen Euro für sonstige Investitionen, 6,5 Millionen Euro an Schlüsselzuweisungen an die Kreise, 5,4 Millionen Euro beim Familienlastenausgleich und 1,6 Millionen Euro bei den investiven Schlüsselzuweisungen weg.
Der vermeintliche Rettungsschirm scheint also schon vor dem Aufspannen im Jahr 2021 arg löchrig. Hier zeigt sich eine Selbstbedienungsmentalität auf Kosten unserer Kommunen.
Um hier eines klarzustellen: Wir als BVB / FREIE WÄHLER haben immer gefordert, dass Kredite aufgenommen werden, um Investitionen voranzubringen, insbesondere in einem günstigen Finanzierungsumfeld. Wir waren immer – das haben wir im Laufe des Jahres auch öfter mit Anträgen dokumentiert – für die Unterstützung der Gewerbetreibenden, die von einem Tag auf den anderen ihren Betrieb schließen mussten, für die Künstler, für die Einrichtungen im Kulturbetrieb, für die Branchen, die auch jetzt wieder schließen müssen. Wir mussten Druck machen und Sie zum Jagen tragen; Sie haben Ihre Versprechen von Ende März, wie Sie wissen, nicht eingehalten. Aber: Es widerspricht einem verantwortungsvollen Umgang mit Steuermitteln, wenn man nur wenige Stunden vor der Ausschusssitzung und mehrfach über Nacht Änderungsanträge über ein Volumen von mehreren Hundert Millionen Euro einreicht.
Transparenz ist auch ein schönes Thema, das Sie immer wieder vor sich hergetragen haben; es wurde heute schon angesprochen, zuletzt von Herrn Vogelsänger. Aber leider wird das von Ihnen in keiner Weise mit Leben erfüllt. Oder wie erklärt die Landesregierung, dass sie trotz enormer Kreditaufnahmen Ausgaben einplant, für die es weder einen Nachweis der Notwendigkeit noch eine schlüssige Begründung gibt? Hier werden zum Beispiel 31 Millionen Euro für eventuell – vielleicht! – eintretende zusätzliche Personalausgaben in allen Einzelplänen vorgehalten. So etwas ist aus unserer Sicht nicht zu vertreten und widerspricht dem Haushaltsgrundsatz der Klarheit und zum anderen einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung. Allein in Höhe dieses Ansatzes könnte die Kreditaufnahme reduziert werden. Das wäre ein echtes Zeichen an den Landtag gewesen, dass sich die Landesregierung tatsächlich bemüht, Einsparungen vorzunehmen.
Das Gleiche trifft auf die Kassenkredite zu: Hier erhöhen Sie die Mittel um einige Millionen Euro, die für Kassenkreditzinsen zu zahlen sind. In dem aktuellen Zinsumfeld ist das aber unnötig, weswegen wir auch an dieser Stelle kürzen würden.
Insgesamt sind es 35 Millionen Euro, um die der Haushalt ohne Mühe reduziert werden könnte, wodurch natürlich auch die Kreditaufnahme gesenkt werden könnte.
Nun hat man in der Vergangenheit an vielen – falschen – Stellen kaputtgespart: Wir denken nur an die Schulschließungen auf dem Land oder die sogenannte Polizeireform, die Sie inzwischen selbst zurückgedreht haben – zumindest versuchen Sie es. Die Auswirkungen dieser Entscheidungen stellen weiterhin schwere Lasten dar, an denen wir noch lange Jahre werden tragen müssen.
In Zeiten wie diesen, in denen viele Prioritäten überdacht werden und man sich in den Koalitionsfraktionen eigentlich gezwungen fühlen müsste, eigene Projekte mit Blick auf die gesamtwirtschaftliche Lage und den daraus resultierenden absehbaren Einbruch der Steuereinnahmen mindestens auf später zu verschieben, klotzt die Koalition, statt auch nur eine Idee zur Einsparung zu entwickeln. Das tut sie weder für das Jahr 2021 noch für 2022 bis 2024. Hierfür werden die vorhin schon angesprochenen 7,7 Milliarden Euro an Verpflichtungsermächtigungen eingestellt. Das entspricht einem halben Jahreshaushalt. Mir ist nicht bekannt, obwohl ich mich etwas kundig gemacht habe, dass es so etwas jemals vorher gegeben hätte.
Dann kommt natürlich, wie immer, der Flughafen – ewig grüßt das Murmeltier. Das entsprechende Darlehen wollen Sie von 2020 auf 2021 verschieben; 40 Millionen Euro sollen an den Flughafen ausgereicht werden. Es fehlt leider immer noch das Bekenntnis der Landesregierung, dass diese Kredite nicht für den weiteren Ausbau des Flughafens genutzt werden können. Dieses Bekenntnis wird genauso versagt wie der Ausweis dazu, wofür die Mittel vom Flughafen wirklich verwendet werden sollen. Auch hier scheint Corona ein willkommener Anlass zu sein, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die der BER auch ohne Corona hat und hätte, abzumildern und der eigentlich insolventen Gesellschaft kreditfinanziert eine finanzielle Basis unter den Füßen zu schaffen. Ebenso wie bei den Corona-Hilfen fehlt es auch bei der FBB an Transparenz. Wie ich schon angesprochen hatte, erhöhen Sie schnell noch die Kreditvergabe von 190 auf 205 Millionen Euro, ohne dass Sie irgendeinen Nachweis dafür erbracht hätten, dass es wirklich allein um coranabedingte Kosten geht. Wir haben das in verschiedenen Ausschüssen – im Sonderausschuss BER, im Wirtschaftsausschuss – mehrfach eingefordert. Sie finanzieren hier also die Dauerbeatmung des Intensivpatienten BER. Aus unserer Sicht ist es eine Selbstverständlichkeit, hier einzusparen und Transparenz walten zu lassen; denn hier geht es um die Steuergelder der Bürger, auch wenn Sie dafür Kredite aufnehmen.
Also, in diesem Sinne Ihrer eigenen Interpretation von Transparenz – weil Sie nichts darstellen, weil Sie trotz Nachfragen nichts bringen – ist das offensichtlich nicht gewünscht.
Werte Kollegen von den Koalitionsfraktionen, Sie müssen den Bürgern im Land aber auch das einmal sagen. Sie geben ihr Geld aus und wollen nicht genau sagen, wofür und aus welcher Veranlassung. Hören Sie also endlich auf mit dem Versteckspiel, mit dem Tricksen und Täuschen, und fangen Sie an, mit dem Geld unserer Bürger sparsam und mit der selbstverständlich gebotenen Transparenz umzugehen, werte Koalitionsfraktionen.
Wenn hier nicht Koalitionszwang im Sinne der beteiligten Parteiinteressen herrschen, sondern gesunder Menschenverstand regieren würde, würde die Kreditaufnahme definitiv auf das nachweislich coronabedingte Maß begrenzt sein. Dann würden die Ermächtigungen zur Schuldenaufnahme natürlich im Haushalt verbleiben und nicht in irgendeinem Sondervermögen, das nicht kontrolliert werden kann, versteckt werden. Dann würde immer und grundsätzlich der Haushalts- und Finanzausschuss über beabsichtigte kreditfinanzierte Ausgaben informiert und bei größeren Ausgaben natürlich dessen Votum eingeholt werden müssen, und zwar so, wie es, zumindest von der Berichtspflicht her, im Jahr 2020 der Fall war, weswegen es keinen Grund gibt, im Jahr 2021 und den Folgejahren davon abzuweichen.
Das nennen wir eine angemessene Beteiligung des Haushaltsgesetzgebers, eine maximale Transparenz im Umgang mit den Steuergeldern unserer Bürger, eine Einhaltung der Prinzipien der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, zu der wir alle verpflichtet sind, werte Landesregierung und werte Frau Finanzministerin. – Danke schön.