Péter Vida zum Gesetz „Neustrukturierung der Arbeitsgerichtsbezirke“ von SPD, CDU, Grüne – 24.03.21

24. März 2021

Rede von Péter Vidain Textform:

Herr Abg. Vida (BVB/FW):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich möchte daran erinnern, dass die Landesregierung zu Beginn der Wahlperiode versprochen hat, die Gerichtsversorgung insgesamt zu verbessern. Dazu gehören nicht nur Planstellen, sondern auch besetzte Stellen, dazu gehören zügigere Verfahren, aber dazu gehören auch – das wurde damals zwar nicht gesagt, gehört für uns aber selbstverständlich dazu – Gerichtsstandorte. Diese werden nicht nach wirtschaftlichen Kriterien bewertet, sondern wir wissen allesamt, dass eine enge Präsenz von Vorteil ist, weil sie die Rechtswegerleichterung ermöglicht und weil sie schnelle Entscheidungen unterstützt.

Ich möchte daran erinnern, woher wir, rein von der zeitlichen Schiene, kommen: In der Auftaktsitzung des Rechtsausschusses im November 2019 hat die Ministerin ihre Arbeitsziele für diese Wahlperiode definiert und skizziert. Darin kam dieser Aspekt nicht vor. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: BVB / FREIE WÄHLER war an der letzten Regierung nicht beteiligt und ist an der jetzigen Regierung nicht beteiligt – mich interessiert nicht, welcher Schlagabtausch mit welchen Vorgängern wie diskutiert wird. Ich nehme zur Kenntnis, dass in der konstituierenden Sitzung des Rechtsausschusses nicht über diesen Aspekt informiert wurde. Wir hatten in den Haushaltsberatungen 2020 diverse Änderungsanträge zum Einzelplan diskutiert – Justiz, elektronische Akte, Ausstattung der Richter und alles Mögliche -; da wurde auch nicht darüber informiert. Einen Monat später durften wir als Ausschussmitglieder es dann aus der Zeitung erfahren. – Und das nur zur B-Note. Zur B-Note gehört auch Folgendes: Frau Ministerin, ich habe das noch genau im Ohr; Sie haben hier gesagt: Vertreibung aus dem Paradies, Sie müssen in der Realität ankommen. – Ich finde das anmaßend, und Sie müssen sich gefallen lassen, politisch auch daran gemessen zu werden, was Sie dem Landtag hier sagen.

Nun kommen wir weg von der B-Note, hin zu den harten Zahlen. Da muss ich Ihnen sagen: Es wurde Bingo gespielt. Wir lesen nun in der Gesetzesbegründung, wir haben in Eberswalde von 2003 bis heute einen 56%igen Rückgang. Das ist eine völlig unwissenschaftliche, mathematisch unzulässige Betrachtung; denn es wird willkürlich ein Zeitpunkt gesetzt, von dem aus man einen großen Rückgang herbeirechnen kann. Entscheidend ist aber nicht, den Bezugspunkt 2003 zu setzen, sondern man muss quasi berechnen, wie lange es angesichts des negativen Anstieges, den man jetzt hat – also erste Ableitung -, dauert, wenn es in diesem negativen Anstieg degressiv weitergeht, bis wir unter die zwei Richterstellen rutschen. Das würde für Eberswalde ungefähr 26 Jahre dauern. Daran können Sie erkennen, mit welch einem Zeithorizont das hier gestrickt ist.

Es heißt im Gesetz auch, so einfach nolens volens, dass man annimmt, dass die Eingangszahlen aufgrund des demografischen Wandels weiter heruntergehen würden – ohne jegliche Zahlengrundlage, einfach demografischer Wandel, ein Schlagwort ohne Substanz, ein Schlagwort, das längst widerlegt ist. Wir haben in Eberswalde auch Erledigungsquoten von 103, in Potsdam von 98 – die sind gut, aber auch nicht so überbordend, dass sie einen Anhaltspunkt dafür bieten würden, dass es jetzt extrem schneller geht. Wir haben auch keinen Anhaltspunkt für ein weiteres Sinken der Zahlen.

Tesla und Corona: Ich kann es auch nicht quantifizieren, weiß aber, dass es bei Ihnen gar nicht hineingerechnet wurde, und deswegen fordern nahezu alle Fachverbände, Gewerkschaften, alle Einrichtungen, dieses Vorhaben zu stoppen oder zumindest – das sind die etwas Höflicheren – die Zahlen wissenschaftlich fundiert zu eruieren. Das kann man ja wohl verlangen.

Das Vorgehen der Ministerin Hoffmann erinnert sehr stark an die Kreisgebietsreform. Da hieß es auch: Demografischer Wandel, größere Strukturen bedeuten weniger Aufwand. – Das heißt es auch hier wieder, so die Argumente in der Gesetzesbegründung. Das wirkt auf mich wie eine Echokammer des damaligen Großlandrates Schröter. Dabei, meine Damen und Herren, sind Gerichtstage keine gleichwertige Alternative, das liegt auf der Hand. Die Ausbildung der Rechtsantragsstellen, die Ausweitung, die vorzunehmen ist, die „rollenden Richter“, die einzurichten sind, das alles ist nicht effizient, und genau deswegen lehnen Bürgermeister, Anwaltsverbände, Anwaltskammer, Richter – soweit sie reden dürfen – dieses Vorgehen ab, weil sie wissen, es ist nicht nur problematisch für die Rechtswegerleichterung, sondern hat auch eine Bedeutung für die Gesamtinfrastruktur des Ortes. Und, meine Damen und Herren, sehen Sie es uns nach, sehen Sie es mir nach, Sie haben in den letzten zwei Monaten keine stichhaltigen Gründe liefern können und deswegen …

(Zuruf)

– Nein, auch heute nicht. Sie waren im Rechtsausschuss nicht dabei, ich kann Ihnen das hier gerne wiedergeben.

… lehnen wir es auch ab. Sie schaffen Verunsicherung und eine weiterhin unklare Lage. Diese Situation sollte nicht weiter vertieft werden. Deswegen ist es angezeigt, diese falsche Reform zur richtigen Zeit zu stoppen und deswegen heute bereits die Überweisung an den Rechtsausschuss abzulehnen, was wir empfehlen und auch tun werden. – Danke schön.

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