Philip Zeschmann zum „Änderung des Vergabegesetz“ von LINKE und SPD, CDU, Grüne vom 24.03.21

24. März 2021

Rede von Philip Zeschmann in Textform:

Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Liebe Kollegen! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Das Ziel dieser Beschlussempfehlung und des Gesetzentwurfes ist löblich – wir hatten das im Landtag schon öfter erwähnt – und wirklich sozial. Er wäre auch ein sehr solidarischer Akt der Gesellschaft gegenüber Geringverdienern. Dem würden wir uns grundsätzlich auch anschließen können.

Allerdings ist es so ähnlich wie mit den Mitarbeitern der Branchen, die vom Lockdown betroffen sind, nämlich körpernahe Dienstleistungen, Kinos, Hotels, Cafés, Restaurants, Einzelhandel, die auch oftmals sehr niedrige Löhne erhalten. Um die kümmern sich die Koalitionsfraktionen leider fortgesetzt überhaupt nicht.

Jetzt betrifft es insbesondere öffentliche Aufträge im Bau- und Dienstleistungsbereich. Daher ist es verständlich und nachvollziehbar, für die Mitarbeiter der Firmen, die öffentliche Aufträge ausführen, einen höheren Mindestlohn durch einen entsprechenden Vergabemindestlohn im Land Brandenburg sicherstellen zu wollen.

Leider leben wir nicht in einer „Wünsch-dir-was-Welt“, gerade jetzt nicht. Durch die nunmehr seit einem Jahr anhaltende Coronakrise wurden unsere öffentlichen Haushalte, liebe Mitglieder sämtlicher Fraktionen des Finanzausschusses, in einem extremen Maße mit Krediten belastet, sodass hier, wie Frau Finanzministerin gesagt hat, der Blitz einschlagen kann, wenn wir kein Glück haben.

Wir werden in den nächsten Jahren und Jahrzenten dramatische Einsparungen in unseren Haushalten vornehmen müssen, um genau diese Kredite wieder abzutragen und ebenfalls exorbitant steigende Versorgungslasten im Landeshaushalt abbilden und bedienen zu können. Unsere politischen Gestaltungsspielräume über unsere Landeshaushalte hinweg werden also in einem nicht gekannten Maße massiv zusammenschmelzen, vielleicht sogar gegen null gehen.

Daher ist es, so bedauerlich es auch ist, schlicht der falsche Zeitpunkt und deshalb weltfremd, gerade jetzt den Vergabemindestlohn deutlich über den allgemeinen Mindestlohn anheben zu wollen. Wir werden diese Dinge spätestens ab 2023, wenn die Notkredite aufgebraucht und die Ausgleichszahlungen für krisenbedingte Mindereinnahmen an die Kommunen endgültig ausgelaufen sind, nicht mehr bezahlen können.

Wenn wir uns jetzt gesetzlich binden und die Löhne trotzdem über unsere Vergaben indirekt zahlen, werden wir unsere haushaltspolitischen Handlungsmöglichkeiten über unsere öffentlichen Haushalte noch mehr einschränken, als sie ohnehin schon minimiert werden. Deswegen, werter Herr Rüter, wenn Sie sagen, das sei der große soziale Ausgleich und der faire Umgang und Brandenburg liege ganz vorne, dann sage ich: Das sind sozialpolitische Luftschlösser bei finanzpolitischem Harakiri.

Stattdessen ist hier und jetzt der nötige finanzpolitische Weitblick gefordert, den ich von den Kollegen aus dem Finanzausschuss eigentlich erwarten würde.

Hinzu kommt, dass gerade die Kommunen, die zur Anwendung dieses Vergabegesetzes von Ihnen letztlich verpflichtet werden, vielfach schon jetzt keine finanziellen Spielräume mehr haben. Hier werden schon lange über viele Jahre hinweg Investitionen ausgesetzt oder verschoben, weil die kommunalen Haushalte die fortwährenden Kostensteigerungen schlicht nicht abbilden können.

Zudem gibt es aus kommunaler Sicht bereits am bestehenden Vergaberecht massive Kritik. Wie die Gesetzesverweisungen des Bundesverfassungsgerichts aufzeigen, gelten dort folgende Regelungen für die öffentliche Vergabe: erstens die Vergabeverordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge, zweitens das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und je nach Art und Umfang des Auftrags zusätzlich die Unterschwellenvergabeverordnung bzw. die Vergabe- und Vertragsverordnung für Bauleistungen oder die Vergabe- und Vertragsverordnung für sonstige Leistungen – VOL/A und VOL/B – oder die Vergabe- und Vertragsverordnung für freiberufliche Leistungen VOL/F.

Sie fügen jetzt noch eine ergänzende Bestimmung nach dem Brandenburgischen Vergabegesetz hinzu. Allein die Zahl an Gesetzen und Verordnungen von insgesamt sieben erschwert die Anwendungen all dieser Gesetze und die zügige Arbeit in der kommunalen Praxis doch erheblich.

So müssen die Verwaltungen mit den Vergabeunterlagen nicht nur zusätzlich die jeweils gültigen Formulare und Erklärungen bereithalten und versenden, sondern sind diese von den Bietern auch zwingend vollständig auszufüllen. Dieser bürokratische Aufwand überfordert gerade kleine Betriebe, wie Herr Bommert erfreulicherweise schön illustriert hat, sodass sich diese zunehmend nicht mehr an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen.

Es liegt die Vermutung nahe, dass der geforderte Mindestlohn für genau diese kleinen Betriebe – es ging heute auch um regionale Anbieter, die wir stärken wollen – ein weiteres Ausschlusskriterium darstellt, sich überhaupt an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen. Fakt ist jedenfalls, dass es öffentlichen Verwaltungen mittlerweile zunehmend schwerfällt, überhaupt noch drei gültige Angebote auf ihre Ausschreibungen hin zu erhalten, um eine Vergabeentscheidung gesetzeskonform herbeiführen zu können; auch das wurde heute schon vorgetragen. Es wäre daher sinnvoll, eine Vereinfachung des Vergaberechts anzustreben, statt weitere bürokratische Hürden aufzubauen und die praktische Arbeit zu erschweren.

Vor diesem Hintergrund und aufgrund dieser Sachlage, geprägt von Bürokratismus und völliger Überforderung unserer öffentlichen Haushalte, kann man sich hier …

Vizepräsident Galau: Herr Kollege, Sie müssten zum Schluss kommen.

Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW): … bestenfalls enthalten.

Weitere Beiträge

Bilanz: Bildungspolitik / Schulwege

Bilanz: Bildungspolitik / Schulwege

Bildung ist das höchste Gut. Sie ist von entscheidender Bedeutung für die Zukunft unserer Kinder. Eine gute Bildung ebnet den Weg für persönliches Wachstum, berufliche Chancen und damit für eine...

mehr lesen

Danke für Ihren Besuch

Diese Seite wird nicht mehr gepflegt, bleibt jedoch weiterhin bestehen und gewährt einen Überblick über die parlamentarische Arbeit von BVB / FREIE WÄHLER während der 7. Wahlperiode (2019–2024). Für Fragen und Themenanregungen wenden Sie sich bitte an den Landesverband BVB / FREIE WÄHLER.