Matthias Stefke zu „BER Sonderausschuss fortsetzen“ von BVB/Freie Wähler vom 25.03.2021

25. Mrz 2021

Link zum Vorgang: https://www.bvb-fw-fraktion.de/parla_tracking

Rede von Matthias Stefke in Textform:

Herr Abg. Stefke (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen! Zu der Absicht der Koalition, den Sonderausschuss BER in wenigen Wochen einzustellen, könnte man sagen: Mann, die trauen sich was! – Man könnte aber auch sagen: „Die haben Chuzpe!“, was bedeutet: Es ist eine Unverfrorenheit, eine Dreistigkeit sondergleichen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, ich neige zu letzterer Beurteilung, vor allem wegen der Begründung. In Ihrem Antrag aus der letzten Sitzung des Sonderausschusses am Montag vergangener Woche formulieren Sie – ich zitiere -: Durch die erfolgte Fertigstellung und Inbetriebnahme des Flughafens BER im Oktober 2020 ist diese Komplexität nun nicht mehr gegeben. – Gemeint war damit der Auftrag aus dem Einsetzungsbeschluss aus dem Jahr 2014, alle relevanten Themen und Fachfragen zum Flughafen zusammenzuführen und konzentriert zu bearbeiten.

Sind tatsächlich alle relevanten Themen und Fachfragen geklärt? – Mitnichten! Ich komme gleich noch darauf zurück. Es ging doch nicht um die reine Fertigstellung und Inbetriebnahme den Worten nach! Gemeint waren – da bin ich mir sehr sicher – eine geglückte Fertigstellung und ein funktionierender Betrieb. Beides ist jedoch nicht der Fall.

Nach der Einweihung setzten sich die Katastrophen der vergangenen Jahre fort, wenn auch – noch – in geringerem Umfang. Wasser dringt in Größenordnungen wegen Schäden am Dach und an Wasserleitungen ins Flughafengebäude, die Gesundheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gepäckabfertigung war aufgrund von Stromschlägen gefährdet, der Check-in wurde aus dem Terminal 1 in Nebengebäude ausgelagert, weil es im Main Pier wegen des darunter gelegenen Bahnhofs im Winter zu kalt ist. Experten halten das Debakel um den BER für größer als den Wirecard-Skandal, den größten Betrugsfall in der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Betrug wurde auch bei der Umsetzung des Schallschutzprogramms vermutet, nicht von mir, sondern von Journalisten.

Schließlich fordert die Flughafengesellschaft von den drei öffentlichen Gesellschaftern unter dem Vorwand der Coronapandemie weitere Hunderte Millionen Euro, ohne die sie Insolvenz anmelden müsste. Im Sonderausschuss übt man sich diesbezüglich darin, Verwirrung zu stiften, um nicht „zu vertuschen“ zu sagen.

In dieser Situation verfügt ein Mitglied der Geschäftsleitung mit einem sechsstelligen Jahresgehalt noch über Kapazitäten, in der Adventszeit öffentlichkeitswirksam Schokoladenkalender zu verteilen, während für hunderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kurzarbeit angeordnet wurde, 400 Stellen sollen künftig gänzlich wegfallen. Wie unsensibel ist das eigentlich?

Der Chefkontrolleur, der Aufsichtsratsvorsitzende Bretschneider, verkündet indessen seinen Abgang für den Juni, und FBB-CEO Lütke Daldrup wenig später für September. Das Gespenst von der Pleite der Flughafengesellschaft geistert weiter durch die Medien, aber die Koalition will uns glauben machen: Alles im grünen Bereich. – Wohl nicht!

Ich war überrascht, dass sich in der letzten Sitzung des Sonderausschusses plötzlich der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Herr Kollege Raschke, in die Videokonferenz hineinschaltete, interessanterweise zu dem Tagesordnungspunkt 2, „Information zur aktuellen finanziellen Situation der Flughafengesellschaft“. Die Erklärung dafür folgte zwei Tage später: „Flughafengesellschaft ‚ist eine Blackbox‘: Grüne verweigern BER weitere Finanzhilfen“ – das ging über die Nachrichtenagenturen.

„Das Unternehmen fordert Jahr für Jahr mehr Steuergeld, doch die Abgeordneten im Bund, Brandenburg und Berlin bekommen keinen wirklichen Einblick. Damit muss endlich Schluss sein.

“ So wurde Benjamin Raschke zitiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Grünen, dahinter kommen Sie nicht mehr zurück. Für Sie stellt sich jetzt der finanzpolitische Lackmustest. Oder war es nur eine parteitaktische Gegenoffensive in Richtung der Finanzministerin, weil die SPD Ihre Gesundheitsministerin kritisiert hat?

Neben diesem Problem ist der passive Schallschutz mit Hunderten unbearbeiteten Anträgen ebenso ein nicht abgearbeiteter Punkt wie die Umfeldentwicklung, auch unter dem Titel „Masterplan BER 2040“ bekannt.

Wie Sie in dieser fatalen Lage überhaupt auf die Idee kommen können, den Sonderausschuss einzustellen, kann ich mir nur damit erklären, dass Sie die komprimierte Behandlung in einem Ausschuss unter allen Umständen verhindern wollen. Denn wer verfolgt schon Tagesordnungspunkte in einem Unterausschuss, nicht wahr? – Völlig abwegig? Dann bitte ich um Aufmerksamkeit für folgende Meldung der dts-Nachrichtenagentur vom 24. Februar dieses Jahres.

„In der Debatte um eine millionenschwere Finanzspritze für die angeschlagene Betreibergesellschaft des Hauptstadtflughafens BER verlangen die Grünen im Bundestag Auskunft über die Geschäftslage des Flughafens Berlin-Brandenburg […]. Bislang werde das Parlament darüber im Unklaren gelassen, sagte der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler“

– ich habe ihn hier schon öfter und gerne zitiert –

„den Zeitungen der Funke-Mediengruppe […]. ‚Die FBB will das Geld des Bundes haben, aber legt nicht dar, wie sie finanziell tatsächlich aufgestellt ist‘, sagte Kindler […]. ‚Wir können doch nicht blind einfach Hunderte Millionen Euro Steuergelder verschenken.‘“

Wenn Sie bei all den Problemen den BER-Sonderausschuss dennoch politisch beerdigen wollen, tun Sie, was Sie nicht lassen können. Wer aber glaubt, damit das größte Debakel in der Nachwendegeschichte Brandenburgs in die Schweigespirale verschieben zu können, täuscht sich. Ich weiß schon, wer sich sehr auf Erörterungen in anderen Fachausschüssen freuen wird. Ich glaube, ich brauche den Namen gar nicht zu nennen, Sie kennen ihn alle.

Die Bitte um Zustimmung zu diesem gemeinsamen Antrag der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion BVB / FREIE WÄHLER spreche ich dennoch aus. Man kann sich ja auch innerhalb von 45 Minuten noch eines Besseren belehren lassen. Ich hoffe sehr, Sie tun das. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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