Rede beitrag von Péter Vida in Textform:
Herr Abg. Vida (BVB/FW):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Wir als BVB / FREIE WÄHLER begrüßen grundsätzlich die Reform der Kommunalverfassung. Die hier vorgenommenen Schritte sind wichtig und in weiten Teilen auch richtig, aber auf jeden Fall nicht ausreichend.
Im Hinblick auf die Bürgerbegehren ist es gut, dass es eine Vorabprüfung durch die Kommunalaufsicht gibt. Fraglich ist in der Tat, ob es diese Zwischenstufe geben muss, dass man erst 2 % der Unterschriften sammeln muss. Immerhin ist im Entwurf vorgesehen, dass die Unterschriften fortzählen. Das ist sozusagen die 2 %-Prüfung, und dann kann man weitersammeln, um auf die 10 % zu kommen; das ist so weit ganz okay.
Wichtig wäre auch, dass die Kommunalaufsichten verpflichtet werden, die Kostenschätzungen der Gemeinden zu überprüfen, damit es nicht zu Zuständen kommt wie aktuell in Breese, einer kleinen Gemeinde in der Prignitz. Dort hat der Amtsdirektor, der das Bürgerbegehren nicht will, eine Kostenschätzung abgegeben, die jenseits von Gut und Böse ist. Sogar die Kosten für die Abstimmung, also für die Zettel, hat er mit reingezählt. Auch die Erfrischungsgelder für die Wahlhelfer hat er in die finanziellen Auswirkungen des Bürgerbegehrens hineingerechnet; völlig absurd und natürlich so auch gesetzlich nicht vorgesehen.
Ein Bürgerbegehren und ein Bürgerentscheid müssen unter fairen Bedingungen laufen können. Es kann nicht sein, dass der Bürgermeister einer Gemeinde, wenn ihm ein Bürgerbegehren nicht gefällt, Wahlkampf auf Kosten der Stadt betreibt. Das muss in Zukunft unterbleiben.
Es braucht natürlich noch mehr im Bereich der Bürgerbegehren. § 15 Abs. 3 Kommunalverfassung muss endlich entschlackt und zeitgemäß gestaltet werden. Bürgerbegehren müssen endlich auch zu Satzungen und Bebauungsplänen möglich werden.
Die Bürger wollen mitentscheiden. Sie wollen nicht nur mitreden nach § 3 Baugesetzbuch, Öffentlichkeitsbeteiligung, sondern auch mitbestimmen – damit es nicht zu Zuständen wie derzeit in Tempelfelde im Landkreis Barnim kommt, wo eine 200 Hektar große Photovoltaikanlage errichtet werden soll, die bis zehn Meter an die Wohnhäuser heranreicht, und die Bürgermeisterin, wenn sie von den Anwohnern kritisiert wird, darauf verweist, es gebe ja eine Entscheidung der Gemeindevertretung und man solle sich nicht so haben.
Meine Damen und Herren, wir brauchen auch eine Senkung der Quoren für Bürgerentscheide. Es kann nicht angehen, dass Bürgermeister und Landräte mit einem Mindestquorum von 15 % gewählt werden, bei Bürgerentscheiden aber ein Quorum von 25 % verlangt wird. Das steht in keinem Verhältnis. Auch da erwarten wir Verbesserungen.
Vizepräsident Galau: Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Herr Abg. Vida (BVB/FW): Jawohl.
Herr Abg. Pohle (SPD):
Danke schön, Herr Vida. Sie sprachen vorhin die Prignitz an und einen Amtsdirektor, der das Bürgerbegehren nicht möchte. Ich wüsste gerne, wer das ist. Können Sie mir das sagen?
Herr Abg. Vida (BVB/FW):
Das ist die Gemeinde Breese. Ich weiß jetzt nicht den Namen des Amtsdirektors, ich kenne nur das Amt. Bad Wilsnack heißt das Amt, glaube ich.
(Zuruf: Jacob!)
Herr Abg. Pohle (SPD):
Weisen.
Herr Abg. Vida (BVB/FW):
Genau, Amt Bad Wilsnack/Weisen. Hier wurde eine Kostenschätzung abgegeben. Da dies teilweise im nichtöffentlichen Teil erfolgte, kann ich sie hier nicht wiedergeben, allerdings wurden in die Kosten des Bürgerbegehrens auch die Kosten der Durchführung eingerechnet, was gesetzlich nicht vorgesehen ist. Das muss kostenneutral betrachtet werden, insofern wird dort verzögert. Es ist ein kassatorisches Bürgerbegehren vorgesehen. Die Frist läuft bereits, die Kostenschätzung wird verschleppt, mit der Folge, dass die Bürger frustriert werden. Wir haben uns heute unterstützend ans Innenministerium gewandt. Wir können nachher gern noch einmal darüber sprechen, dann können wir Ihnen die Details mitteilen. Das ist kein vernünftiger Umgang mit den Bürgern. Inhaltlich möchte ich das nicht bewerten, das entscheiden die Bürger in der Gemeinde vor Ort. Aber es muss möglich sein, ein Bürgerbegehren unbeeinträchtigt durchzuführen.
Des Weiteren ist für die größere Reform, die vorgesehen ist, wichtig: Die Kommunalaufsichten müssen gestärkt werden und ihrem Namen endlich alle Ehre machen, damit sie Recht und Gesetz durchsetzen, damit sie handlungsfähig und handlungspflichtig gemacht werden, damit Minderheitenrechte gewahrt werden. Es sind rechtsstaatliche Mindesterfordernisse, die wir hier fordern. Es muss endlich die Möglichkeit geben, dass die Kommunalaufsichten bei systematischen Verletzungen von Minderheitenrechten in Kommunen eingreifen, statt sich ständig auf das Opportunitätsprinzip zu berufen. Den Kommunalaufsichten muss auch ein Durchgriffsrecht bei der Verletzung parteipolitischer Neutralität im Vorfeld von Wahlen gegeben werden, insbesondere angesichts der nahenden Bundestagswahl. Wir kennen das Spiel: Es wird immer groß bedauert, nach der Wahl wird es kritisiert, und dann beginnt das Spiel von vorn. Das muss endlich sanktioniert werden.
Des Weiteren begrüßen wir und sprechen dafür unseren Dank aus, dass die Ortsteilbudgets verbindlich geregelt werden sollen. Das ist eine gute Sache und muss flächendeckend genutzt werden. Dazu gehört aber auch, dass ortsteilbezogene Bürgerbegehren, also auf einen Ortsteil beschränkte Bürgerbegehren, leichter ermöglicht werden.
Meine Damen und Herren, weitere Maßnahmen braucht es dann im Rahmen der großen Reform, an der wir uns intensiv mit Diskussionen, Änderungsvorschlägen und Hinweisen beteiligen wollen: eine Stärkung der Rolle der sachkundigen Einwohner, die gerade in den Gemeinden eine wichtige Arbeit vollbringen; eine Stärkung der Rechte der Fraktionslosen, denn auch sie sind gewählt, auch sie repräsentieren Bürger, Wähler, auch sie müssen, wie es früher, vor 2008, möglich war, Mitwirkungsmöglichkeiten in Ausschüssen erhalten. Ebenso fordern wir endlich ein Verbot, dass Kreistage die Hürde zur Bildung einer Fraktion auf 9 % der Mandate anheben. Auch das findet in manchen Kreistagen statt. Es kann nicht angehen, dass 9 % der Mandate erforderlich sind, um Kreistagsfraktionen zu bilden. Auch das muss in der Kommunalverfassung endlich untersagt werden.
Des Weiteren ist es nötig, Inkompatibilitäten sinnvoller zu regeln. Es kann nicht angehen, dass beispielsweise Mitarbeitern von Rettungsdiensten ihre Kreistagsmandate entzogen werden, während Bauhofsleiter mit einer engen Verbindung zum Bürgermeister in der Gemeindevertretung sitzen und den Bauausschuss leiten. Da wird uns erklärt, das habe mit Inkompatibilität nichts zu tun, während ein einfacher Mitarbeiter des Rettungsdienstes dies nicht darf. Das sind keine vernünftigen Verhältnisse.
Des Weiteren braucht es klare Entschädigungsregeln für Beauftragte und Beiräte, die derzeit das Problem haben, keine Entschädigung erhalten zu dürfen.
Die BVB / FREIE WÄHLER Fraktion wird sich hier intensiv einbringen. Wir hoffen auf sinnvolle Reformen. Wir hoffen auf die Beachtung der Hinweise der Kommunen. Was verstehen wir unter Kommunen? Nicht nur den Städte- und Gemeindebund, sondern die Vielfalt der Kommunen und der dort vertretenen demokratisch gewählten Fraktionen und Vertreter. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.