Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! „Ökologie und Ökonomie im Einklang“ steht über dem Antrag. Das hört sich nach ganz großer Versöhnung und Harmonie an. Nun sage ich: Das wird aber – nach ungefähr 30 Jahren Debatte über den ökologischen Umbau der sozialen Marktwirtschaft, vielfältigen Theorien, Konzepten und Vorschlägen dazu – auch Zeit.
Leider fehlt mir hier die Zeit, auf die Grundlagen der ökologischen sozialen Marktwirtschaft, das Säulenmodell und die vielfältigen Veröffentlichungen, unter anderem des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, einzugehen, aber eine Einführungsveranstaltung zu dem Thema wäre für die Koalitionsfraktionen offensichtlich sehr empfehlenswert.
Was uns in dem Antrag – übrigens ohne Begründung, das scheinen die Koalitionsfraktionen nicht mehr nötig zu haben – vorliegt, hat nämlich mit einer Quintessenz aus den jahrzehntelangen wissenschaftlichen und fachlichen Diskussionen zu den Möglichkeiten und Ansatzpunkten eines ökologischen Umbaus der sozialen Marktwirtschaft für und in Brandenburg leider nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich bei der Vorlage erneut um eine Zusammenfassung ganz viel alten Weins in neuen Schläuchen aus dem berühmt-berüchtigten Durchlauferhitzer der Koalition, diesmal im dritten Aufguss der PR-Abteilung der Staatskanzlei oder der Landesregierung; einer der Vorredner hat das schon auf den Punkt gebracht.
Und wie das so mit einem dritten Aufguss ist, wird es dadurch nicht besser. Das Ganze mutet wie ein erneuter Versuch an, Brandenburg zu einem Industrieland umzukrempeln, was Herr Ministerpräsident Woidke ja bereits im letzten Frühjahr versucht hatte.
Dagegen wirbt unser Land unter der Hauptüberschrift – das kennen Sie bestimmt – „Es kann so einfach sein“ – was ja offensichtlich unzutreffend ist, siehe BER, Tesla, Digitalisierung, E-Government – mit dem Slogan „Das Paradies vor der Haustür“. Kennen Sie, werter Herr Woidke, kennen Sie, liebe Koalitionsfraktionen, Ihre eigene Landeswerbung? Oder wollen Sie mit diesem immer wieder hervorgehobenen Gerede über ein Industrieland Brandenburg diese Landeswerbung absichtlich unterlaufen und zerstören? Wenn nicht, sollten Sie vielleicht vorher doch einmal mit der Tourismuswirtschaft sprechen oder sich mit der TMB abstimmen, welche Auswirkungen dieses Gerede auf unsere Tourismuswirtschaft hat.
Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 steht im Antrag. Die Herausforderung für die Brandenburger Wirtschaft, also die ihr abverlangten erheblichen Transformationserfordernisse, böten – Zitat – „die Chance, neue industrielle Strukturen in innovativen Branchen aufzubauen“. Auch das hört sich ganz toll an, wären da nur nicht der ab 2023 zu erwartende regelmäßige Zusammenbruch unserer Stromversorgung aufgrund fehlender Reservekraftwerke und der deutschland- und europaweit höchste Strompreis, den Frau Dr. Ludwig erfreulicherweise schon angesprochen hat, die derartige Blütenträume dieser Landesregierung wie Seifenblasen zerplatzen lassen werden, bevor auch nur ein Unternehmer auf die Idee kommt, unter diesen Rahmenbedingungen in diesem Land noch weiter zu investieren, außer natürlich, er bekommt enorme Subventionen auf unser aller Kosten – also von den Steuerzahlern – für einen kurzen Zwischenstopp in Brandenburg, wie das bei Tesla der Fall ist.
Ich zitiere noch einmal aus dem Antrag: „Die dafür erforderlichen Veränderungs- und Modernisierungsprozesse“ – Zitatende – sollen den abverlangten dramatischen Umbruch beschönigend verschleiern. Einem Eingeständnis der Hoffnungslosigkeit gleich steht in dem Antrag auch – ich zitiere gern noch einmal -:
„Hierfür braucht es gut ausgebildete und gut bezahlte Fachkräfte,“
– wir haben eben gehört, die gibt es nicht –
„investitions- und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen, eine leistungsfähige Infrastruktur sowie unbürokratische und zügige Entscheidungsverfahren.“
Es handelt sich um all das, was wir in Brandenburg bekanntermaßen nicht haben, was es hier nicht gibt. Statt investitions- und innovationsfreundlicher Rahmenbedingungen herrscht nämlich oftmals eine überbordende und schwerfällige Genehmigungsbürokratie. Statt einer leistungsfähigen Infrastruktur haben wir vielfach marode Straßen und gesperrte Brücken.
Und bei den Worten „unbürokratische und zügige Entscheidungsverfahren“ fällt es mir schwer, nicht zu lachen. Fragen Sie doch einmal die selbstständigen Handwerker, die Klein- und Mittelständler in Brandenburg, wie „toll“, „schnell“ und „unbürokratisch“ sie oft jahrelang auf kleinste Genehmigungen für Betriebserweiterungen warten müssen oder was sie von dem im bundesund europaweiten Vergleich peinlichen Tempo bei der Digitalisierung, insbesondere in öffentlichen Verwaltungen und beim E-Government halten!
Die Zielsetzung, Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen, ist richtig und notwendig. Der Weg dorthin wird hier nicht wirklich beschrieben, und die punktuellen Maßnahmen zur Umsetzung sind nicht nur unzureichend, sondern kontraproduktiv.
(Unruhe) –
Und die Diskussion hier rechts neben mir ist auch extrem störend.
Erforderlich wäre eine Konzeption mit realistischen Zielen. Dazu müssten angestrebte Zielkorridore und ein vielfältiger darauf abgestimmter zielorientierter Maßnahmenkatalog erstellt werden. Stattdessen werden uns hier zusammenhanglose dürftige Ideen und reichlich Aufgüsse vorhandener Aktivitäten vorgelegt.
Leider ist jetzt die Zeit zu Ende, deswegen kürze ich das jetzt weiter zusammen. Dieser dritte Aufguss, respektive dieser Antrag der PR-Abteilung der Landesregierung, stammt aus dem berühmten Durchlauferhitzer der Koalition und ist leider wieder nur ein Sammelsurium nicht konzeptionell verbundener vermeintlicher Maßnahmen. Er ist dazu mit dem hohen Risiko behaftet, Brandenburg in eine Abwärtsspirale von Deindustrialisierung und Abwanderung zu bringen: Wir haben jetzt schon Unternehmen, die nicht mehr hier investieren. Er ist also gefährlich und abzulehnen. – Danke schön.