Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Sehr verehrte Frau Finanzministerin Lange, ich war wirklich sehr beeindruckt, als ich las, dass Sie das Defizit im Haushaltsjahr 2021 von den ursprünglich geplanten 1,94 Milliarden Euro auf rund 1,3 Milliarden haben drücken können.
„Beeindruckend“ ist auch, wie Sie mit den Hilfen für die unterschiedlichen Gruppen Betroffener der Coronakrise knausern und im Verbund mit dem Herrn Wirtschaftsminister die bürokratischen Hürden so hoch legen, dass am Ende mehr Geld in der Kasse bleibt und die Menschen ihren Job, ihr Unternehmen und ihre Lebensgrundlage verlieren, wie es insbesondere bei vielen Menschen in der Gastronomie, im Beherbergungsgewerbe, bei den körpernahen Dienstleistungen, beim Messebau sowie bei der Kunst und Kultur geschehen ist. Ebenso hat mich wirklich beeindruckt, was aus Ihren Worten aus dem letzten Jahr – ich zitiere: sparen müssen bis es quietscht, sonst schlägt hier der Blitz ein – geworden ist.
Ihre daraus resultierende bemerkenswerte Vorgabe von 7 % Einsparung je Ressort ist nicht wirklich aufgegangen – schöne Grüße übrigens vom Rasenmäher -, dass man einfach einmal pauschal überall 7 % wegstreicht und keine Prioritäten setzt. Politische Steuerung und Akzentsetzung sieht anders aus.
Außerdem hieß es, dieser Sparhaushalt würde einen Monat früher kommen. Stattdessen kam er viele Wochen später und landete bekanntlich zuerst bei der „Bild“-Zeitung anstatt bei uns im Landtag und in den Fraktionen; das, finde ich, ist auch ein „beeindruckendes“ Signal für Stärke und Durchsetzungskraft.
Im Sommer schon hatten Sie verkündet, alles werde auf Null zurückgesetzt, weil kaum ein Ressort die Sparvorgaben erfüllt habe – also Nachsitzen für die Damen und Herren Minister. Welch ein beeindruckender und erstmals in Brandenburg erfolgter Schuss vor den Bug der vermeintlich mächtigen Finanzministerin! Aus den Reihen der Koalitionsfraktionen ertönte es bestätigend – das konnte man in der Presse mehrfach nachlesen -, diese Einsparziele seien zwingend umzusetzen, sonst könne kein Haushalt vorgelegt oder gar beschlossen werden. So viel konsequentes Sparen nach den hohen Kreditaufnahmen der letzten Jahre, vorbei an der noch kurz zuvor gepriesenen und in die Landesverfassung aufgenommenen Schuldenbremse, hat mich ebenfalls sehr beeindruckt.
Und jetzt liegt er vor, dieses geniale Konstrukt der berühmten Quadratur des Kreises, des manifestierten Sparwillens und der Durchsetzungsstärke unserer Finanzministerin. Kein Ressort hat seine Sparvorgaben erreicht, und das Blockadeschisma der Koalition konnte nur ganz knapp vor Schluss durch ein Aufrauchen der letzten Rücklagen des Landes aufgelöst werden. Und diese gibt es ja bekanntlich nur deswegen noch, weil – wie vorhin ausgeführt – im Rahmen der Coronakrise bei der Unterstützung vor allem der Soloselbstständigen und der kleinen und mittelständischen Unternehmen geknausert wurde; nur deswegen waren überhaupt noch Rücklagen übrig, denn eigentlich waren sie im Haushalt 2021 vollständig verplant. Wir können also festhalten: einfach nur glücklich – für Sie, Frau Ministerin, und die Koalitionsfraktionen.
Rückblickend zeigt sich, wenn wir auf den Haushalt 2020 zurückschauen, auch, dass genau diese Rücklagen weniger genutzt wurden und dadurch überhaupt noch ein Puffer da war, um hier sparen zu können. Allerdings ist es offenkundig so, dass es auch noch genügend Puffer in den Ressorts gab, um nicht wirklich sparen zu müssen.
Aber was gilt nun: die sommerlichen Beschwörungen aus den Reihen der Koalitionsfraktionen, die ich oben zitiert habe – also kein Haushalt ohne diese Einsparungen -, oder die vorliegende Verzweiflungstat unserer Finanzministerin, die die hinsichtlich ihrer Häuser eigensüchtigen Ministerien kalt haben abblitzen lassen? Ich habe den Eindruck, das Orchester macht, was es will, während die Dirigentin verzweifelt mit dem Taktstock wedelt.
Aber vielleicht steht es ja gar nicht so schlimm. Schauen wir uns den Haushaltsentwurf etwas genauer an. Sicher ist doch bestimmt, dass die Umsetzung aller wichtigen Anliegen der Koalitionsfraktionen aufgrund des großzügigen Bedienens an der Rücklage finanziell abgesichert und schon auf dem Weg ist oder zumindest in den kommenden Jahren mit großem Elan gestartet wird, zum Beispiel das Hauptwahlversprechen der SPD im Landtagswahlkampf 2019: Wir schaffen die Kitabeiträge ab. – Oh, da habe ich jetzt gerade gelesen und auch heute wieder vernommen, dass Herr Woidke verkündet hat, das müsse noch um ein Jahr verschoben werden. Nur: Wer von den bereits seit Jahren immer mehr parteienverdrossenen Bürgern soll ihm diese Vertröstungsstrategie ernsthaft abnehmen? Dazu gibt es nicht ohne Grund bereits massiven Protest von der kommunalen Ebene, zum Beispiel aus Heidesee und von anderen Bürgermeistern.
Wie erklären Sie den Eltern, dass sie entgegen Ihren Versprechen weiter Elternbeiträge zahlen müssen, weil das Geld lieber dem Tesla-Multimilliardär hinterhergeworfen wird, damit er im Wasserschutzgebiet eine Batteriefabrik von uns finanziert bekommt? Woher wollen Sie die jeweils rund 1,5 Milliarden Euro für den Ausgleich der strukturellen Defizite der Jahre 2023 bis 2025, die Sie in Ihrem mittelfristigen Finanzplan ausweisen, nehmen? Wie wollen Sie die ausgleichen und dann noch zusätzliche Mittel in den Jahren 2023, 2024 oder 2025 mobilisieren, um die Kitabeiträge abzuschaffen? Das ist offenkundig unmöglich, außer, die Mittel fallen vom Himmel. Oder vielleicht, werte Frau Finanzministerin Lange, haben Sie doch noch den Dreh gekriegt und die Druckerpresse, die wir Ihnen letztes Jahr im Dezember überreicht haben, in Schwung gebracht. Eines von beidem muss jedenfalls passieren, damit über das Füllen der Finanzlücken für die nächsten Jahre hinaus – wie gesagt, bis zum Jahr 2025 fast 5 Milliarden Euro – noch Geld für die Erfüllung der Versprechen des Koalitionsvertrages und hier insbesondere die Abschaffung der Kitabeiträge zur Verfügung steht.
Ich weiß, die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber am Ende wird es wieder einmal heißen: Versprochen und gebrochen.
Zweiter Punkt: Weiter war zu lesen, dass der personelle Wiederaufbau unserer Polizei entgegen den gebetsmühlenartigen Zusicherungen im Wahlkampf, Sie würden Brandenburg wieder sicher machen, doch noch ins Stocken gerät. 122 zusätzliche Stellen bis zum Jahr 2025 sind nun nicht der große Wurf.
Dritter Punkt: Die sogar bei den Kollegen der SPD nach Jahrzehnten des Auf-Verschleiß-Fahrens zu den letzten Landtagswahlen vorgegaukelte vermeintliche Einsicht, dass Landesstraßen und -brücken nicht noch länger dem Verfall preisgegeben werden dürfen und wenigstens hier endlich die Fehler SPD-geführter Landesregierungen der letzten Jahrzehnte durch mehr Geld für die Sanierung, für Planung und Investition sowie durch mehr Mitarbeiter für den Landesbetrieb Straßenwesen korrigiert werden müssen, ist mit diesem Haushalt – das müssen wir deutlich feststellen – nur noch Schall und Rauch; denn es wird wieder Personal gekürzt.
Wie heißt doch der schöne Spruch: Menschen sind fehlbar. Man darf Fehler machen, aber man muss daraus lernen. Warum aber wiederholen Sie als Landesregierung, vor allem Sie als SPD, immer wieder die gleichen Fehler der letzten zwei Jahrzehnte und der letzten mindestens drei Legislaturperioden? Warum fangen Sie jetzt wieder an, bei den Straßen und Brücken zu sparen, beim Landesbetrieb Straßenwesen zu sparen, warum bauen Sie die Polizei nicht wirklich aus usw.?
Vierter Punkt: Vielleicht aber hat die Landesregierung wenigstens den Ermahnungen des Landesrechnungshofes zugehört und nur noch dort Personal eingeplant, wo es wichtig wäre, Stichwort: Lehrer, Polizisten, Erzieherinnen usw. Leider ist auch das nicht der Fall, und da, wo es jetzt passiert ist – das hat Frau Lange vorhin ausgeführt -, erhöhen wir den Berg der Versorgungslasten in Zukunft noch zusätzlich. Haben Sie also in diesem Punkt auf den Landesrechnungshof gehört? – Nein. Trotz der enormen Deckungslücke von 5 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren werden nach den Höhergruppierungen 2019 und den zahlreichen Einstellungen im Jahr 2020 und teilweise auch noch im Jahr 2021 massenhaft weiter Mitarbeiter und Beamte eingestellt. Die Kosten dafür belaufen sich nach Ihren eigenen Zahlen für das Jahr 2022 auf 3,69 Milliarden Euro, im Jahr 2023 dann schon auf 4,11 Milliarden Euro, und in den Jahren 2024 und 2025 steigen die Kosten weiter. Wir haben noch im Kopf, wie hoch der Landeshaushalt insgesamt war.
Ist denn das Motto: „Was interessiert mich nachhaltige oder gar generationengerechte Personal- und Finanzpolitik? Nach mir die Sintflut!“? Folge dieser unverantwortlichen, nur im Hier und Jetzt denkenden Politik ist die Explosion der Versorgungslasten. Und hierzu schreiben Sie ja selbst: „[…] Versorgungsausgaben, die von 394,9 Mio. € bis 2025 auf 544,2 Mio. € überproportional ansteigen.“ Ich komme jetzt zum Ende.
Vizepräsidentin Richstein:Herr Abgeordneter, Sie müssen auch zum Ende kommen, Ihre Redezeit ist nämlich vorbei.
Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):
Ja, das weiß ich. – Wir können also daran erkennen, dass dieser Haushalt alles andere als enkelgerecht oder generationengerecht ist. Er plündert alle Rücklagen.
Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Man muss feststellen – es tut mir wirklich leid -: Das, was Sie hier vorgelegt haben, ist zumindest eine Bankrotterklärung zur Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit der Finanzpolitik in Brandenburg gegenüber den anderen Ministerien. – Danke schön.