Christine Wernicke zum Gesetzentwurf von BVB-FW „Gesetz zur Änderung zur Kreisumlage“ – 18.11.2021

18. Nov 2021

Rede von Christine Wernicke in Textform:

Link zum Vorgang: https://www.bvb-fw-fraktion.de/parla_tracking

Frau Abg. Wernicke (BVB/FW): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Städte, Gemeinden, Ämter und Verbandsgemeinden in Brandenburg stehen nicht nur wegen der Auswirkungen der Coronapandemie vor der Herausforderung, die ihnen obliegenden Aufgaben mit der dazu notwendigen Finanzausstattung zu erfüllen. Dabei sind die Problemlagen in den einzelnen Kommunen genauso vielfältig wie die Kommunen selbst.

Auf der einen Seite gibt es den Siedlungsdruck in den metropolnahen Räumen, verbunden mit der Sicherstellung und Neuschaffung der erforderlichen Infrastruktur. Auf der anderen Seite gibt es den metropolfernen Raum, der unter den Folgen des demografischen Wandels leidet, wo man sich aber genauso verpflichtet fühlt, die notwendige Infrastruktur vorzuhalten.

Die Abhängigkeit des Grades der Erfüllung pflichtiger und freiwilliger Aufgaben von den kommunalen Steuereinnahmen und Landeszuweisungen ist unbestritten.

Auch die Brandenburger Landkreise haben große Herausforderungen zu meistern. Sie haben eine übergemeindliche Ausgleichsfunktion und nehmen in diesem Rahmen Auftragsangelegenheiten, Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung sowie übergemeindliche freiwillige und pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben wahr. Des Weiteren können Landkreise Aufgaben von Kommunen übernehmen, die im Interesse der gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung sind, aber mangels Leistungsfähigkeit nicht von den Kommunen selbst erbracht werden können. Die mangelnde Leistungsfähigkeit der Kommunen muss hierzu allerdings festgestellt werden, im Zweifel gerichtlich.

Landkreise finanzieren sich aus Zuweisungen von Bund und Land und aus der Kreisumlage, die sie von den kreisangehörigen Kommunen erheben. Die Kreisumlage hat sich zur Hauptertragsquelle der Landkreise entwickelt, wenngleich sie als eine reine Fehlbedarfsabgabe konzipiert ist. Immer häufiger wird die Erhebung der Kreisumlage für die Gemeinden zu einem ernsthaften wirtschaftlichen Problem, denn sie schränkt die finanzielle Mindestausstattung der Kommunen erheblich ein.

Das Erfordernis, hieran etwas zu ändern, ergibt sich aus der Entwicklung der Rücklagen aller Brandenburger Landkreise. Betrachtet man die Kreisumlage als das, was sie ist, nämlich als die Deckung des nicht von Bund und Land ausfinanzierten Teils der Aufgabenerfüllung der Landkreise, so erkennt man, dass die Landkreise keine oder nur geringe Rücklagen bilden dürften, denn die Kreisumlage soll ja nur die Unterdeckung ausgleichen.

Schaut man sich die Bilanzen der Landkreise an, so ist zu erkennen, dass mittlerweile jeder Landkreis über – teilweise beträchtliche – Rücklagen verfügt, die aus Überschüssen des ordentlichen Jahresergebnisses resultieren. Per 31. Dezember 2018 – aktuelle Zahlen gibt es wegen ausstehender Jahresabschlüsse leider noch nicht – verfügten die Landkreise Brandenburgs in Summe über Rücklagen in Höhe von rund 840 Millionen Euro.

Überschüsse entstehen, wenn mehr Geld eingenommen wurde als erwartet bzw. weniger ausgegeben wurde, als ursprünglich geplant war. Überschüsse und selbstverständlich auch Fehlbeträge ergeben sich zwangsläufig aus dem Haushaltsvollzug und sind nichts Ungewöhnliches. Die Überschüsse aber, die sich mittlerweile bei den Landkreisen in Form von Rücklagen ansammeln, lassen nur den Schluss zu, dass die Erhebung der Kreisumlage nicht in dem Maß erforderlich war, in dem sie erfolgt ist.

Fakt ist: Jeder Cent Rücklage aus dem ordentlichen Jahresergebnis ist zu viel gezahlte Kreisumlage. Die Kreisverwaltungen nehmen die kreisangehörigen Gemeinden aus wie eine Weihnachtsgans.

(Zuruf des Abgeordneten Noack [SPD])

– Herr Noack, Sie haben nach mir das Wort! – Anstatt ein gerüttelt Maß Unrechtsbewusstsein an den Tag zu legen und wenigstens einen Teil der Rücklage einzusetzen, um im Folgejahr die Kreisumlage zu senken, horten sie die Gelder, die den Kommunen dann für ihre Aufgaben fehlen. So halten sie den eigenen Haushalt sauber und setzen bei Gelegenheit Projekte um, die sie sich ansonsten nicht leisten könnten.

Das liegt aus unserer Sicht daran, dass die Regelungen des § 130 der brandenburgischen Kommunalverfassung zu unspezifisch sind und eine den tatsächlichen Bedarf übersteigende Erhebung der Kreisumlage ermöglichen. Die Begrifflichkeiten des § 130 sind ein Konglomerat aus kameralistischer und doppelter Buchführung und lassen enorme Interpretationsspielräume zu.

Doppik und Kameralistik weisen erhebliche Unterschiede in den Definitionen und in der Haushaltsführung auf. Da es sich bei § 130 aber um Regelungen handelt, die ausschließlich nach der Doppik arbeitende Gemeinden und Gemeindeverbände betrifft, ist aus unserer Sicht eine Anpassung des Wortlauts auf reine Begrifflichkeiten der Doppik und damit eine eindeutige Abgrenzung der Ermittlungsgrundlagen für die Kreisumlage unumgänglich.

Des Weiteren bedarf es sowohl einer eindeutigen Abgrenzung dessen, was mit der Kreisumlage tatsächlich finanziert werden darf, als auch einer Regelung, um zu hoch erhobene Forderungen an die Kommunen zurückzuzahlen. Das bedeutet, dass Landkreise nur dann eigene freiwillige Leistungen erbringen oder gemeindliche Aufgaben übernehmen dürfen, wenn sie über die dazu erforderlichen finanziellen Mittel verfügen und die notwendigen Voraussetzungen gegeben sind.

Es widerspricht dem Sinn und Zweck der Kreisumlage, freiwillige Leistungen aus ihr zu finanzieren, die keinen übergemeindlichen Charakter haben. Ferner widerspricht es einer Fehlbetragsfinanzierung, wenn Landkreise Aufgaben von Kommunen übernehmen, ohne dass deren Leistungsfähigkeit abschließend und überprüfbar festgestellt wurde.

Es muss von vornherein ausgeschlossen werden, dass Gemeinden Aufgaben abgeben oder für sie Aufgaben übernommen werden, an denen aus ihrer Sicht kein gemeindliches Interesse mehr besteht. Es muss ausgeschlossen werden, dass diese Aufgaben dann ungeprüft vom Kreis übernommen und letztlich durch die Kreisumlage finanziert werden. Landkreise müssen verpflichtet werden, die laut Jahresabschluss erzielten Überschüsse nicht in voller Höhe ihrer Rücklage zuzuführen, sondern zu einem erheblichen Teil an die Kommunen zurückzuzahlen. Denn der Fehlbedarf aus der Unterdeckung der Aufgabenerfüllung war nicht so hoch wie von den Kommunen abverlangt.

Aus diesem Grund sind in vielen Kreisen zahlreiche Widerspruchs- und Klageverfahren anhängig, mit denen sich die Kommunen gegen die offensichtlich unausgewogene Praxis der Kreisumlageerhebung wehren. Die Höhe der Rückstellungen in den Kreisbilanzen gibt den Kommunen recht. Die kreislichen Jahresabschlüsse geben eindeutig Auskunft darüber, ob die Forderungen an die Kommunen hinsichtlich der Zahlung der Kreisumlage angemessen waren oder nicht.

Aus unserer Sicht ist es nur recht und im Interesse einer interkommunalen Zusammenarbeit auf Augenhöhe auch billig, zu hoch erhobene Beiträge zurückzuerstatten, wenn die Kommunen mehr als den Ausgleich des Fehlbedarfs an die Landkreise gezahlt haben.

Lassen Sie mich das kurz an einem Beispiel aus meinem Heimatlandkreis, dem Landkreis Uckermark, verdeutlichen. Ich beziehe mich hierbei auf den Doppelhaushalt 2017/2018. Im Haushaltsjahr 2017 betrug der Hebesatz der Kreisumlage 45,9 %. An Kreisumlage eingenommen wurden 59,7 Millionen Euro, und im Jahresabschluss wurde ein Überschuss von 11,4 Millionen Euro ausgewiesen, der der Rücklage zugeführt wurde. Rechnet man den erzielten Überschuss und die Einnahmen aus der Kreisumlage gegen, so lässt sich sehr einfach ermitteln, dass der notwendige Hebesatz der Kreisumlage um fast 9 Prozentpunkte zu hoch festgesetzt war.

Ebenso verhält es sich mit dem Haushaltjahr 2018. Hier betrug die Einnahme aus der Kreisumlage 55,7 Millionen Euro, bei einem Hebesatz von 41 %. Der im Jahresabschluss 2018 ausgewiesene Überschuss betrug 6,4 Millionen Euro. Das heißt, dass im Jahr 2018 der Hebesatz der Kreisumlage um fast 5 % zu hoch angesetzt war.

In Summe bedeutet das, dass die dem Landkreis Uckermark angehörenden Gemeinden in den Jahren 2017 und 2018 fast 18 Millionen Euro zu viel Kreisumlage gezahlt haben, die sie nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage nicht zurückbekommen. Viel deutlicher kann man wohl nicht demonstrieren, dass hier ein Systemfehler vorliegt, der korrigiert werden muss.

Die Fraktion BVB / FREIE WÄHLER wirbt um Ihre Zustimmung, diesen Gesetzentwurf im Ausschuss für Inneres und Kommunales weiter zu beraten. Sie alle dürften die Problemstellung aus Ihren gemeindlichen und kreislichen Vertretungen hinlänglich kennen. Gemeinsam zu einer Lösung zu kommen sollte unser aller Ziel sein. – Vielen Dank

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