Rede von Péter Vida in Textform:
Péter Vida (BVB/FW):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Man hätte gedacht, dass man in solchen Pandemiezeiten der Opposition zumindest bei den etwas emotionsbefreiteren Einzelplänen, wozu die Justiz gehört
(Zuruf)
– doch, ich empfinde es so -, zubilligt, dass man gewisse Ideen und Vorschläge von ihr übernimmt, dass man zumindest über sie nachdenkt. Leider haben es die Koalitionsfraktionen im Rechtsausschuss verpasst, sich inhaltlich insofern mit den Anträgen der Opposition auseinanderzusetzen, zumindest den gewichtigsten und den offensichtlich akutesten Fehlbedarfen in diesen Bereichen, in denen es eine Akzentverschiebung hätte geben müssen und geben können, positiv entgegenzutreten.
Wir erinnern uns, dass in der vorletzten und auch in der letzten Wahlperiode Änderungsanträge der Opposition durchaus noch angenommen worden sind. Das wurde uns diesmal in dieser Form nicht zugebilligt. Aber zumindest – das muss ich zugeben, Herr Eichelbaum, Herr Raschke – haben Sie die Gegenreden, mit denen Sie uns in den Ausschüssen die Ablehnung schmackhaft gemacht haben, gut choreografiert – immerhin, denn eigene Anträge hatten Sie ja keine.
Herr Raschke hat sich ja heute selbst zitiert; das ist ein seltener Vorgang. Da dachte ich: Mensch, vielleicht erinnert er sich an seine Rolle als Oppositionspolitiker. – Er hat sich daran erinnert, was er inhaltlich vorgetragen hat. Aber mit dem Ergebnis, dass trotz der guten Argumentation, die ich in der letzten Wahlperiode auch geteilt habe, die Änderungsanträge allesamt abgelehnt worden sind, waren Sie damals auch nicht sehr zufrieden. Es gab Enttäuschung und Unverständnis darüber. Deswegen werden Sie verstehen, dass wir dieses Gefühl von damals heute teilen, wenn auch inhaltlich mit ähnlichen Ansätzen; das ist ja auch schon etwas.
Meine Damen und Herren, ein Beispiel ist die Ablehnung der Forderung nach der Erhöhung der Förderung für ehrenamtliche Betreuungsmaßnahmen, also Maßnahmen zur Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements bei der Betreuung von Straffälligen, bei der Betreuung von Jugendlichen, der Betreuung von Haftentlassenen. Das müssen wir kritisieren. Der Bedarf, hier einen entsprechend höheren Ansatz zu wählen, der notwendig wäre, wurde von allen geteilt.
Die Diskussion zur Haftvermeidung durch Sozialintegration hat uns gezeigt, dass die Aufrechterhaltung unseres Änderungsantrags nicht erforderlich ist. Das wollen wir hier durchaus einräumen und insofern auch deutlich machen, dass wir die Diskussion in Ausschüssen in der zweiten und dritten Lesung auch würdigen.
Anders ist es jedoch, meine Damen und Herren, bei der wiederholten Ablehnung des Änderungsantrags, mehr Rechtspfleger einzustellen, so auch jetzt im Haushaltsplanentwurf 2022, für den wir 15 zusätzliche Rechtspflegerstellen vorschlagen.
Über die Wichtigkeit der Rechtspflege habe ich hier und auch mehrfach im Rechtsausschuss schon berichtet. Wir haben immer wieder betont – ich betone es auch heute noch einmal -, welch wichtigen Dienst die Rechtspfleger für die Bürger des Landes leisten. Sie werden unter anderem in den Nachlassgerichten, bei den Handelsregistern und in den Grundbuchabteilungen der Amtsgerichte eingesetzt und entlasten dabei entscheidend die Richter und tragen so zu verkürzten Wartezeiten bei. Dies gilt es durch kontinuierliche Ausbildung und Übernahme von jungen Rechtspflegern zu erhalten. Die Personalbedarfsplanung der Justiz berücksichtigt zwar Fehlzeiten wie Urlaub oder Krankheit, dies jedoch nur als statistischen Mittelwert. Langfristige Vertretungen von Erkrankten sowie die Ausbildung von Anwärtern müssen Eingang in die konkrete Bedarfsplanung auch in diesem Bereich finden. Doch hier passiert unseres Erachtens zu wenig. Wenn es in den kommenden Jahren auch in diesem Bereich zu dem sich anbahnenden Generationswechsel kommen wird, werden wieder alle sagen: Das konnte man so nicht vorhersehen.
In den anderen Justizbereichen – Richter, Staatsanwälte – wird ja auch vorausschauend geplant, und das wollen wir durchaus würdigend anerkennen und begrüßen. Dann sollte es aber auch im Bereich der Rechtspflege geschehen.
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle noch einmal unterstreichen – das habe ich auch im Ausschuss getan -, dass wir trotzdem die Akzentverschiebung – wobei „Akzent“ hier vielleicht untertrieben ist – oder die Schwerpunktverschiebung unter der neuen Hausleitung des Justizministeriums sehr wohl anerkennen und auch würdigen. Wenn wir mit einem hohen Tempo Richterstellen, Staatsanwaltschaftsstellen schaffen, dann hat das nicht nur etwas mit Personalaufwuchs zu tun, sondern hat auch etwas mit dem Bewusstsein für Rechtsstaatlichkeit zu tun. Das ist ein gravierender Unterschied zu dem, was wir in der letzten Wahlperiode erlebt haben. Das wird von uns als BVB / FREIE WÄHLER trotz unserer Oppositionsrolle immer Zustimmung erfahren und auch immer wieder die Unterstreichung erfahren, dass das genau der richtige Weg ist. Da können Sie sich der nötigen Unterstützung durch uns immer sicher sein.
Aber dann wünscht man sich so etwas natürlich auch im Bereich der Rechtspfleger, auch wenn sie vielleicht nicht jeden Tag an vorderster Front des Rechtsstaates kämpfen; sie sind trotzdem ein wichtiger Baustein.
Meine Damen und Herren, es ist uns bewusst, es ist mir bewusst, dass man das Geld nicht nach Belieben drucken kann. Das habe ich in den letzten Jahren auch schon mitbekommen. Trotzdem gibt es genügend Gestaltungsspielräume, die die Regierung unseres Erachtens nicht in dem Maße nutzt, wie sie es nach unserer Auffassung tun könnte. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Anstatt Arbeitsgerichte zu schließen und darauf Arbeitskraft und Mühen und Argumentation zu verwenden, sollte man lieber in den genannten Bereichen Schwerpunkte setzen.
Deswegen werbe ich hier nochmals mit großer Entschlossenheit für die Zustimmung zum Änderungsantrag bezüglich der Rechtspfleger. Sollte dieser wider Erwarten – ich war ja schon im Ausschuss ganz irritiert – heute keine Mehrheit finden, sehen Sie es uns nach, dass wir trotz der positiven Aspekte, die wir im Einzelplan 04 loben, diesen Einzelplan ablehnen müssen. Es wird Sie vielleicht nicht allzu sehr betrüben, dass wir ihn ablehnen. Aber uns betrübt es schon, wenn Sie den Änderungsantrag ablehnen. Vielleicht kann man sich angesichts dieser Gefühlsmelange doch noch zu einer großzügigen Zustimmung durchringen. – Danke schön.