Rede von Matthias Stefke in Textform:
Matthias Stefke (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, manch eine oder manch einer von Ihnen wird sich gedacht haben: Schon wieder ein Antrag zum BER! – Ja, wieder ein Antrag zum BER, und ich verspreche Ihnen, es wird nicht der letzte unserer Fraktion gewesen sein. Der Grund ist schnell erklärt: Der Haushalts- und Finanzausschuss hat im Rahmen der Haushaltsberatungen am 24. November vergangenen Jahres eine Sperre für den in dem Titel „Zuweisungen an die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH“ eingestellten Betrag in Höhe von 146 520 000 Euro beschlossen.
Ich möchte daran erinnern, dass zunächst ein gleichlautender Antrag unserer Fraktion abgelehnt, dann aber der der Koalition angenommen wurde. Man ist also unserer Anregung letztlich gefolgt. Hier dürfte die Festlegung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Rolle gespielt haben, die ob unseres Drängens öffentlich verkündete, dass der BER keinen Blankoscheck erhalten darf. So weit, so gut.
Wir haben aber die Sorge, dass man der FBB statt eines Blankoschecks die Kreditkarte der Finanzministerin ohne Limit übergeben will; denn die Liquidität der Flughafengesellschaft – das wurde von deren Chefin, Frau von Massenbach, mehrfach erklärt – reicht nur noch bis zum Februar dieses Jahres, weshalb sie Cash benötige, und das möglichst schnell.
Wenn man auf den Kalender schaut, erkennt man den zeitlichen Ablauf für die Aufhebung der Sperre schnell. Die nächste Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses ist für den Vormittag des 10. Februar 2022 terminiert. Somit ist zu erwarten, dass am 10. Februar 2022 die Aufhebung beschlossen werden soll, und dies wohl ohne vorherige Beratung und Empfehlung des Unterausschusses; denn der tagt erst am Nachmittag – was Beratung und Empfehlung des Unterausschusses ad absurdum führen würde. Deshalb besteht heute hier die letzte Möglichkeit, die Aufhebung – über einen Beschluss des Landtages – zumindest vorerst zu verhindern.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte kurz die Frage stellen und auch beantworten: Warum gibt es eigentlich Landesbetriebe oder Landesbeteiligungen? – Sie werden zumeist für Aufgabenstellungen errichtet bzw. beschlossen, die der Daseinsvor- und -fürsorge dienen, beispielsweise für die Wasserver- und die Abwasserentsorgung, für die Abfallentsorgung und die Energieversorgung, für den Bau und Betrieb von Krankenhäusern oder Häfen und auch von Flughäfen. Das sind Bereiche, die entweder aus unterschiedlichen Gründen bewusst nicht dem Markt überlassen werden sollen oder für die sich mangels Gewinnerzielungsmöglichkeiten auf dem privaten Markt keine Interessenten finden lassen würden.
Aus dem erstgenannten Grund sind wir deshalb auch nicht strikt gegen Landesbetriebe oder Landesbeteiligungen. Ziel muss aber sein, dass sie – wenn überhaupt – nur geringe Defizite erwirtschaften, damit notwendige Zuschüsse aus Steuergeldern so niedrig wie möglich gehalten werden können. Am besten wäre es, wenn eine schwarze Null unter dem Strich stünde.
Beides ist hier nicht der Fall und leider auch nicht in Sicht. Die FBB ist mit ca. 4,5 Milliarden Euro verschuldet. Das Land Brandenburg hat als Gesellschafter entsprechend seinem Geschäftsanteil zur Finanzierung des BER-Projekts bisher Zuführungen in Höhe von 603 Millionen Euro in das Eigenkapital der FBB geleistet sowie 409 Millionen Euro als rückzahlbare Darlehen an die Gesellschaft ausgezahlt. Zur Besicherung von Langfristkrediten der FBB hat das Land Bürgschaften in Höhe von 1,3 Milliarden Euro übernommen. Das war der Stand im Januar 2020.
Hinzugekommen sind im vergangenen Jahr noch einmal 39 Millionen Euro an Darlehen aus unserem Landeshaushalt. Weitere 2,4 Milliarden Euro braucht die FBB bis 2026. Brandenburgs Anteil daran beträgt ca. 650 Millionen Euro. Das ist ungefähr so viel wie die prognostizierten Steuermehreinnahmen für das gesamte Jahr 2022. Der Jahresabschluss 2019 hatte noch ein Eigenkapital von 1,1 Milliarden Euro ausgewiesen. In der Bilanz 2020 ist es auf 26,9 Millionen Euro geschrumpft.
Frau Finanzministerin Lange, wir haben Ihnen nach der Verabschiedung des Landeshaushalts 2021 eine Gelddruckmaschine überreicht. Ich habe überlegt, ob ich Ihnen heute eine Feuertonne mitbringe.
In zwei der in unserem Antrag genannten Gutachten wurde bereits vor acht Jahren prognostiziert, dass sich der BER zu keinem Zeitpunkt refinanzieren kann und immer auf Zuschüsse angewiesen sein wird bzw. dass, wenn sich bei den Erlösen keine Änderung einstellt, das Projekt in einem wirtschaftlichen Desaster enden wird. Eines dieser Gutachten sollten die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kennen; sie hatten es schließlich damals in Auftrag gegeben.
Ich sehe beide Aussagen im Grunde auch in einem sogenannten Eröffnungsbericht zum Businessplan 2021 der FBB – manche sagen auch „Gutachten“ dazu – bestätigt, den die Gesellschafter aufgrund des parlamentarischen Drucks in Berlin und Brandenburg in Auftrag gegeben haben. Akteneinsicht habe ich bereits genommen, und ich sage Ihnen: Wer sich allein oder vor allem auf dieses Gutachten beruft und mehr als 146 Millionen Euro Steuergeld für die nicht nur im Sinkflug befindliche, sondern sogar kurz vor der Bruchlandung stehende FBB freigibt, sollte als Abgeordnete oder Abgeordneter sein oder ihr Verständnis von Verantwortung noch einmal hinterfragen. Nach bestem Wissen können wir – jedenfalls meine Fraktion – nach dem heutigen Kenntnisstand dafür nicht die Hand heben.
Noch eines: Wir wären schlecht – sehr schlecht – beraten, wenn wir diese schwerwiegende Entscheidung allein oder vor allem auf ein Gutachten von Wirtschaftsprüfern stützen würden, das die Kennzahlen und Annahmen der FBB zugrunde legt. Ein Wirtschaftsprüfer mag prüfen können, ob bei Annahme einer abzufertigenden jährlichen Passagierzahl X ein Erlös Y zu erwarten ist. Das ist einfache Mathematik. Rechnen sollten wir auch ohne die kostspielige Hilfe von Wirtschaftsprüfern können. Was er aber nicht beurteilen kann, ist, ob mit der vorhandenen Flughafeninfrastruktur des BER die Summe aus X auch erreicht werden kann.
Gleiches gilt für die geplanten Erweiterungen. Da helfen auch Benchmarks wenig bis gar nicht, denn jeder Flughafen ist nun einmal in seiner baulichen Anlage einzigartig und praktiziert ein anderes Ground Handling. Herr Bretz, das haben wir im Ausschuss gelernt, nicht wahr? – Deshalb brauchen wir neben Ökonomen auch erfahrene Flughafenplaner, die insbesondere das beurteilen können und die einen Weg aufzeigen, wie ein ausreichendes Abfertigungsvolumen erreicht werden kann, um den BER jemals wenigstens auf eine schwarze Null zu bringen.
Ich schließe mit einem Satz der Kollegin Petra Budke von den Grünen aus der Dezember-Sitzung:
„Eine Neuausrichtung auf ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Geschäftsmodell gehört für uns zu den Bedingungen weiterer Finanzhilfen.“
Na dann mal los! – Ich freue mich auf die Debatte und danke zunächst für Ihre Aufmerksamkeit.