BVB / FREIE WÄHLER Fraktion stellt Antrag auf Verlängerung der Sicherheitsbereitschaft der zur Stilllegung vorgesehenen Blöcke des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine drohen EU und Russland gegenseitig mit einem Importverbot oder Lieferstopp für Erdgas. Angesichts der neuen Lage fordern wir, zumindest die Sicherheitsbereitschaft der Braunkohlekraftwerke zu verlängern, statt diese mitten in einer Energieversorgungskrise endgültig stillzulegen. Denn eine solche Stilllegung ist für zwei Blöcke des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde in den nächsten Monaten geplant. Wenigstens die Option, im Notfall Erdgas durch Braunkohle ersetzen zu können, muss sich Brandenburg und Deutschland erhalten.
Die Ausgangssituation
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine führte seitens der EU zu weitreichenden Sanktionen gegen Russland. Zahlreiche Länder fordern im Rahmen dieser wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland, auch die Gasimporte aus diesem Land einzustellen. Als Reaktion auf die Sanktionen hat Russland seinerseits mit einem Lieferstopp für Erdgas gedroht. Bisher ist Russland der wichtigste Lieferant für Erdgas in Deutschland. Die Versorgungssicherheit für Erdgas hat sich aufgrund dieser neuen weltpolitischen Situation erheblich verschlechtert. Dies zieht eine Gefährdung der Versorgungssicherheit mit Elektroenergie und der Wärmeversorgung zahlreicher Haushalte nach sich.
Was Deutschland tun sollte
Es sind zeitnah wirkende Maßnahmen notwendig, um im Fall eines Lieferstopps aus Russland den Bedarf an Erdgas auf das Notwendigste zu reduzieren. Gleichzeitig muss die Versorgungssicherheit zu möglichst niedrigen Kosten aufrechterhalten werden. In den letzten Jahren übernahmen in Deutschland vor allem Gaskraftwerke die Rolle einer wetterunabhängigen Reserve in wind- und sonnenarmen in Zeiten. Bei einer Verknappung des Erdgasangebotes wird dies nicht mehr oder nur zu sehr hohen Kosten möglich sein. Die weitere Nutzung der eigentlich zur Stilllegung vorgesehenen Braunkohleblöcke muss angesichts dieser neuen Lage zumindest als Option offengehalten werden.
Konkret betrifft dies aktuell in Brandenburg die Kraftwerksblöcke F und E des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde. Diese haben jeweils eine Kapazität von 500 MW. Im Rahmen einer Übereinkunft zwischen Bundesregierung und dem Betreiber LEAG wurden sie am 30. September 2018 bzw. am 30. Oktober 2019 außer Betrieb genommen. Im Anschluss wurden sie jeweils für einen vierjährigen Zeitraum in Sicherheitsbereitschaft versetzt. Anschließend sollten sie ursprünglich endgültig stillgelegt werden. Der vorgesehene Zeitpunkt der endgültigen Stilllegung wäre demnach der 30. September 2022 (Block F) bzw. der 30. Oktober 2023 (Block E). Angesichts der aktuellen Lage sollten Betreiber und Politik auf die Stilllegung verzichten und die Sicherheitsbereitschaft verlängern.
Experten befürworten vorgehen
Felix Müsgens, Inhaber des Lehrstuhls für Energiewirtschaft an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) plädierte ebenfalls dafür, die Sicherheitsbereitschaft zu verlängern. Die Abschaltung des Blocks F in Jänschwalde, der zum 1. Oktober dieses Jahres geplant ist, „sollte man auf jeden Fall überdenken“ (Müsgens, RBB, 08.03.2022).
Es geht hierbei nicht darum, die energetische Nutzung der Braunkohle auf unbegrenzte Zeit zu verlängern. Stattdessen soll kurz- und mittelfristig die Option erhalten werden, im Notfall den Ausfall der Erdgaslieferungen aus Russland zu kompensieren. Die 1.000 MW der beiden Blöcke könnten den Unterschied machen, ob in der Region Berlin-Brandenburg in den kommenden beiden Wintern die Strom- und gegebenenfalls auch Wärmeversorgung sichergestellt ist. Denn ob die Berliner Gas-Heizkraftwerke in naher Zukunft mit voller Leistung arbeiten können, hängt entscheidend davon ab, ob genügend Erdgas zu Verfügung steht.
Auch im Wirtschaftsministerium wird längere Sicherheitsbereitschaft geprüft
Die bereits installierten bzw. in Installation befindlichen Power-to-Heat-Anlagen – etwa im Heizkraftwerk Potsdam oder im Berliner Kraftwerk Reuter West – ermöglichen nicht nur die Umwandlung von Wind- oder Solarstrom in Fernwärme. Sie können – falls dies wetterbedingt notwendig wird – auch mit Strom aus den Braunkohleblöcken betrieben werden. Im Notfall könnten Braunkohleblöcke also auch hunderttausende Haushalte in Berlin und Brandenburg mit Fernwärme aus Braunkohlestrom versorgen. Die Braunkohle-Blöcke im Zweifel noch einmal für einige Tage anzuwerfen, ist ein kleiner Preis, bedenkt man die Konsequenzen, die ein tagelanger Ausfall der Strom- und Fernwärmeversorgung haben könnte. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck äußerte am 02.03.2022 gegenüber Deutschlandfunk, dass der Pragmatismus jede politische Festlegung schlagen müsse. Der Wirtschaftsminister konkretisierte wörtlich: „Das heißt, kurzfristig kann es sein, dass wir vorsichtshalber, um vorbereitet zu sein für das Schlimmste, Kohlekraftwerke in der Reserve halten müssen, vielleicht sogar laufen lassen müssen.“
Konkret prüft das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) laut eigener Aussage derzeit, ob und inwiefern auch zur Stilllegung anstehende Kraftwerke in eine vorübergehende Reserve überführt werden können, damit sie im Notfall zur Verfügung stehen (siehe hierzu: Online-Broschüre „Versorgungssicherheit stärken – Abhängigkeiten reduzieren“ des BMWK vom 10. März 2022).
Unser Antrag
Genau diese Überführung wäre bei den beiden Blöcken E und F des Kraftwerkes Jänschwalde problemlos möglich. Denn die Anlagen befinden sich bereits in Sicherheitsbereitschaft, sollen jedoch in wenigen Monaten stillgelegt werden. Der Bund müsste lediglich – gegebenenfalls mit Unterstützung der Landesebene – die Kosten der verlängerten Sicherheitsbereitschaft übernehmen. Neben der Verbesserung der Versorgungssicherheit würde dies für den Zeitraum der Sicherheitsreserve Arbeitsplätze in der Lausitz sichern. Die Landesregierung sollte sich daher auf Bundesebene für die Verlängerung der Sicherheitsbereitschaft der Blöcke E und F des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde einsetzen.