Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Dies ist, wie Sie vielleicht alle mitbekommen haben, die dritte Aktuelle Stunde zum Thema Energieversorgung innerhalb von zwei Plenarsitzungen: Wir hatten im Februar zwei Aktuelle Stunden dazu und jetzt eine. Deswegen muss ich sagen: Die Kreativität ist bei Ihnen, den Kollegen von den Grünen, beeindruckend. Dreimal über das Gleiche zu sprechen mag Sinn haben – das Thema ist wichtig, das gebe ich zu -, aber etwas mehr Kreativität hätte ich doch erwartet.
Und dann der Titel! Den Titel Ihrer Aktuellen Stunde hat Frau Dr. Ludwig schon angesprochen: Sie wollen die Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern und Importen beenden, das mit 100 % erneuerbaren Energien realisieren und das auch noch sozialverträglich – darunter verstehe ich auch eine bezahlbare Energieversorgung – gewährleisten. Aus meiner Sicht ist aber genau das unverantwortlich, gefährlich und schlichtweg unmöglich. Frau Dr. Ludwig hat es freundlicherweise schon mit vielen Zahlen hinterlegt. Jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt, weiß, die Energieproduktion aus erneuerbaren Energien, durch Wind und Sonne, schwankt, worüber wir im Plenum schon oft diskutiert haben. Für sogenannte Dunkelflauten, die laut Wetteraufzeichnung durchschnittlich 2 400 Stunden im Jahr herrschen, brauchen wir Überbrückungstechnologien. Ursprünglich hatten wir dafür Reservekraftwerke auf Gasbasis vorgesehen. Das ist aber im Moment etwas fraglich. Deswegen haben wir den Antrag gestellt, die Sicherheitsbereitschaft der Braunkohleblöcke zu verlängern, damit wir im nächsten Winter den Bürgern eben nicht sagen müssen: Mist, das Gas ist abgestellt worden! Kohle gibt es nicht mehr. Was machen wir denn jetzt? Wie schaffen wir es jetzt, dass ihr nicht friert?
Da freut sich wahrscheinlich jeder, der noch einen Ofen oder Kamin und auch Holz hat. Hier besteht neuerdings aber das Problem, dass für Kamine demnächst die Auflage kommen soll, dass sie mit einem Feinstaubfilter zu versehen sind, dessen Einbau sehr teuer sein wird, weshalb viele wiederum sagen werden: Das kann ich mir nicht leisten; das ist teurer als der Kamin selbst. – Somit können sie dann auch mit Holz nicht mehr heizen.
Unabhängig und klimagerecht könnte unsere Energieversorgung in vielen Jahren einmal werden. Das wäre schön. Aber zugleich sozial verträglich und bezahlbar – das ist unter den heutigen Gegebenheiten nicht möglich, sondern wäre eine Quadratur des Kreises. Wir sollten realistisch sein und nicht irgendwelchen ideologischen Träumereien anhängen.
Deshalb: Hören Sie endlich auf, den Menschen zu erzählen, dass die von Ihnen betriebene, klimagetriebene extreme Umstellung unserer Energieversorgung auch noch für lau zu haben sei. Nein, es wird sehr teuer, es ist unverantwortlich und gefährdet nachweislich unsere Versorgungssicherheit, und es betrifft nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch unsere Wirtschaft.
Sie als Koalition reden hier immer vom Wirtschaftsstandort Brandenburg und der tollen Entwicklung, der wir entgegensehen. Wenn die Energieversorgung demnächst – Fachleute sagen, das beginnt nach der Abschaltung der Atomkraftwerke zum Ende dieses Jahres – so wackelig wird, dass immer wieder Blackouts eintreten, platzt die Luftblase ganz schnell.
Das energiepolitische Zielviereck, das Sie auch in Ihre sogenannte Energiestrategie 2040 aufgenommen haben, definiert die unterschiedlichen zu erreichenden Zieldimensionen, nämlich Klimaneutralität und Umweltverträglichkeit, Akzeptanz und Beteiligung – darüber hat heute noch niemand gesprochen -, Wirtschaftlichkeit sowie Versorgungssicherheit.
Jeder Energiefachmann weiß und sagt, dass die Umsetzung dieser Vorhaben in einem mehr oder weniger schwer zu lösenden Zielkonflikt steht: Strebt man wie Sie von den Grünen – und auch die Landesregierung in ihrer sogenannten Energiestrategie 2040 – eines dieser Ziele im Übermaß an, leidet zwangsläufig die Erreichung eines oder mehrerer der anderen Ziele. Deshalb ist es ja ein Zielviereck, innerhalb dessen man sich mit seiner Energiekonzeption und den darauf aufbauenden Umsetzungsmaßnahmen ausgewogen bewegen muss, weswegen wir als BVB / FREIE WÄHLER in den letzten zweieinhalb Jahren diverse Anträge gestellt haben: zur Photovoltaik auf Tagebauflächen, auf kommunalen Dächern, auf öffentlichen Gebäuden, zur Nutzung der Wasserkraft, zur verstärkten Nutzung der Bioenergie usw. – also Diversifizierung. Wer aber vor lauter Windrädern nicht mehr sehen kann, vermag das, nämlich eine ausgewogene Herangehensweise an das Zielviereck und dessen ausgewogene Umsetzung, nicht zu leisten. Mit welchen Maßnahmen soll der Gegensatz zwischen der Zielsetzung Klimaneutralität einerseits und der Zielsetzung Versorgungssicherheit andererseits überwunden werden, werte Kollegen von den Grünen? Mit welchen – konkreten – Maßnahmen wollen Sie den Gegensatz zwischen der Zielsetzung Klimaneutralität einerseits und der Zielsetzung Wirtschaftlichkeit andererseits überwinden, insbesondere bei dem bereits hohen und aktuell weiter steigenden Strompreis? Aus welchem Grund soll „die bilanzielle Selbstversorgung mit erneuerbaren Energien“ – so steht es im Entwurf der Energiestrategie 2040 – als das „wichtigste Ziel“ definiert werden? Welche zusätzlichen Kosten für Energie und insbesondere den in Brandenburg bereitgestellten Strom würde das im Vergleich zu einer Lösung, die über den Zukauf von Wasserstoff aus kontinuierlich verfügbaren Wasserkraftvorkommen, etwa aus Österreich oder Norwegen, bedeuten? Von welchen konkret verfügbaren und effizienten Speichersystemen wird in Ihrer Energiestrategie 2040 ausgegangen, um die künftige Energieversorgung in Brandenburg jederzeit und ohne Blackouts zu gewährleisten? Und sind diese wirtschaftlich und konkurrenzfähig?
Welche technischen Lösungen für Stromspeicher werden in Ihrer Energiestrategie konkret definiert, um dem Ziel der Gewährleistung einer Systemsicherheit gerecht zu werden? Keine! – Und wie soll das konkret realisiert werden?
Ich will Ihnen jetzt nicht noch mehr Fragen aus unserer Kleinen Anfrage vortragen – es waren 39 Fragen, die wir zu Ihrer Energiestrategie eingereicht haben – und werde das abkürzen. Auf all die Fragen wurden in der Beantwortung der Kleinen Anfrage keine befriedigenden Antworten gegeben; Sie können das unter anderem in der Drucksache 7/4981 nachlesen. Sie stehen auch nicht in der Energiestrategie, weshalb sie ein Wunschkonzert ohne realen Hintergrund bleibt, rein klimagetrieben aufgelegt. Sie ist und bleibt ein klimagetriebener Wünsch-dir-was-Katalog, der weder konkrete Maßnahmen zur Umsetzung noch konkret dafür nutzbare Technologien aufzeigt noch irgendwelche Antworten enthält – es handelt sich um ein Wolkenkuckucksheim.
Da wir als Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegungen/Freie Wähler grundsätzlich mit gesundem Menschenverstand, also mit Realismus und Weitblick statt mit ideologischer Verbrämung, werte Grüne, und immer problemlösungsorientiert an die Themen und Aufgaben herangehen, weise ich gern nochmals darauf hin, dass nicht nur die Versorgungssicherheit, sondern auch die Energiepreise, über die wir heute wieder – zum dritten Mal – diskutieren, von einer auf vorhandenen, realen technologischen Lösungen basierenden, ausgewogenen und durchgerechneten Energiestrategie unseres Landes abhängen.
Die vorgelegte Energiestrategie 2040 hat das alles leider nicht, und deswegen sollten wir daran noch einmal intensiv arbeiten. Und es wäre auch sehr begrüßenswert, wenn über die Energiestrategie 2040 dieser Landtag diskutieren und entscheiden könnte und sie nicht nur als Kabinettsvorlage verabschiedet wird, aber wir dann von den Bürgern dafür verantwortlich gemacht werden. – Danke schön.