Ilona Nicklisch zum Antrag von BVB/FW: „Medizinische Qualifikationen anerkennen“ – 24.06.2022

24. Jun 2022

Rede von Ilona Nicklich in Textform:

Ilona Nicklisch (BVB/FW):

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Am 24. Februar begann Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Seitdem sind viele Menschen, meist Frauen mit ihren Kindern sowie Ältere und Gebrechliche, auf der Flucht vor dem Krieg.

Über 600 000 Ukrainer sind nach Deutschland geflohen. Sie gaben ihre Heimat, ihre Arbeit, ihre Freunde, ihr Heim unfreiwillig auf, zum Schutz ihres Lebens.

Nach Angaben des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz sind 28 485 ukrainische Flüchtlinge in Brandenburg untergebracht worden. Dank der überwältigenden Hilfsbereitschaft der Brandenburger und Brandenburgerinnen haben sie ein sicheres Obdach gefunden.

In den letzten Monaten haben wir von BVB / FREIE WÄHLER uns dafür eingesetzt, die private Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge zu unterstützen. Doch nicht alles lässt sich durch private und ehrenamtliche Hilfe leisten. Da kann die Hilfsbereitschaft noch so groß sein. Nun müssen weitere Maßnahmen folgen, die den aktuellen Entwicklungen Rechnung tragen.

So ist es unter anderem wichtig, ein bedarfsgerechtes Versorgungsangebot bereitzustellen. Dies gilt auch für die medizinische Versorgung. Denn laut Asylbewerberleistungsgesetz haben die Geflüchteten einen Anspruch: Regelmäßige Besuche beim Hausarzt, Frauenarzt, Kinderarzt und Zahnarzt müssen ermöglicht werden.

Doch in Brandenburg fehlte es schon vor dem Ukrainekrieg an Ärzten, insbesondere in den ländlichen Regionen, wie Sie alle wissen. Verglichen mit anderen Bundesländern hat Brandenburg die höchste Zahl an Einwohnern je Arzt. Damit sind wir bei der Arztdichte leider Schlusslicht. Die medizinische Versorgung der Geflüchteten kommt nun noch dazu.

Abgesehen von der Betreuung der geflüchteten Kinder und Jugendlichen in Kitas und Schulen, ist auch die Integration der Erwachsenen eine sehr große Aufgabe für unser Land.

Doch nicht nur die medizinische Betreuung, sondern auch die Eingliederung in den regulären Arbeitsmarkt stellt eine Herausforderung dar, die es zu meistern gilt. Sie sollte als eine gemeinsame Chance genutzt werden.

In Brandenburg haben bereits viele Tausende Geflüchtete Sprachkurse aufgenommen, um sich schnellstmöglich zu integrieren. Das zeigt uns: Sie wollen nicht nur eine sichere Zukunft, sondern sich auch einbringen und sich ein neues, friedliches Leben aufbauen.

Die Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt hängt auch davon ab, welche Qualifikationen sie haben. Unter ihnen befinden sich gut ausgebildete Ärzte, Pflegekräfte und Menschen mit anderen medizinischen Ausbildungen – Fachkräfte, denen wir schnell und unkompliziert die Möglichkeit geben sollten, hierzulande ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten einzubringen.

(Beifall BVB/FW)

Dadurch könnten sie dazu beitragen, Engpässe in Brandenburg zu beheben und eine adäquate medizinische Versorgung von Geflüchteten und Einheimischen sicherzustellen. Doch die Hürden der Anerkennung der Berufsabschlüsse im Gesundheitswesen sind teils hoch, und die Prüfungen dauern lange.

Die in unserem Antrag geforderten Maßnahmen sollen dazu beitragen, die Prüfungen zu beschleunigen und Ärzten, Pflegekräften und medizinischem Fachpersonal die Ausübung ihrer Berufe in Brandenburg schneller zu ermöglichen.

Zum einen ist eine konstruktive Prüfung nötig, ob und wie Gleichwertigkeitsprüfungen vom LAVG durchgeführt werden können, damit ukrainischen Medizinerinnen und Medizinern eine beschleunigte Approbation erteilt werden kann. Zum anderen ist es erforderlich, die Vermittlung fachspezifischer Sprachkenntnisse zu gewährleisten und voranzutreiben. Dies kann durch praxisnahe Arbeit erleichtert werden. Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen verfolgen einen solchen Ansatz bereits in Pilotprojekten für Pflegekräfte aus der Ukraine. Auch das Lausitz Klinikum Forst hat bereits ein Qualifizierungsprogramm für Pflegekräfte aufgelegt. Es ist angezeigt, solche Programme für Pflegepersonal in ganz Brandenburg einzuführen. Angesichts des Ärztemangels sollte man sie auf Ärztinnen und Ärzte ausweiten.

Wie wir alle wissen, werden die ukrainischen Flüchtlinge ab Juli über die Jobcenter versorgt und begleitet. In ihrem Land waren sie gut ausgebildete und fachlich qualifizierte Kräfte. Ihre Kinder werden in Kitas und Schulen integriert, damit sie schnell unsere Sprache lernen und geplante Abläufe haben.

Wir wissen, dass das alles wichtig ist. Ich hoffe, es kommen nicht nur Argumente, wie es nicht geht. Ich hoffe, es kommen auch Argumente, wie es geht. Darauf freue ich mich.

(Beifall BVB/FW)

Ich will Ihnen noch sagen: Denken Sie nicht, dass wir blindem Aktionismus verfallen! Das machen wir auf keinen Fall. Denn uns ist schon klar, dass die Ukraine nicht Mitglied der EU ist. Deswegen haben wir diesen Antrag eingebracht. Damit wollen wir eine schnelle Anerkennung der Abschlüsse ukrainischer Flüchtlinge erreichen.

Approbationsbehörden müssen inhaltliche Prüfungen durchführen – auch das wissen wir. Wir wissen auch, dass der medizinische Bereich nicht mit anderen Bereichen zu vergleichen ist. Kenntnisse der deutschen Sprache müssen in sogenannten Fachsprachentests nachgewiesen werden. Das ist eine Voraussetzung für die Approbation.

Herr Dr. Schierack wird am besten wissen, welche Kenntnisse Ärzte brauchen. Aber auch wir haben uns damit beschäftigt. Wir wollen, dass die ukrainischen Flüchtlinge gut versorgt werden. Wir müssen anfangen, darüber nachzudenken, wie wir das erreichen können.

Wir wissen, dass sich auch Fachkräfte intensiv mit unserer Sprache beschäftigen müssen. Man mag sich keine Operationen vorstellen, die von Personen durchgeführt werden, deren Sprachkenntnisse nicht in Ordnung sind. Von der Kenntnis der Fachsprache kann das Leben von Patienten abhängen.

Sie werden sagen: Die Ärzte können doch in ihre Heimat gehen. – Ich gebe ihnen recht. Aber das geht nicht, wenn dort Krieg tobt und sie augenblicklich keine Chance haben. Warum sollten wir Ärzte mit ihrem umfangreichen Fachwissen nicht hier integrieren, wenn sie in ihrer Heimat?

Ich könnte noch viele andere Gründe nennen. Aber ich freue mich jetzt einfach auf die Debatte, auf Ihre interessanten Reden. – Ich bedanke mich erst einmal für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BVB/FW)

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