Rede von Christine Wernicke in Textform:
Frau Wernicke (BVB/FW):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst: Herzlichen Dank den vielen ehrenamtlichen Helfern der Ortswehren, den Fischern und Anglern sowie den freiwilligen Helfern für ihren Einsatz an der Oder
(Beifall BVB/FW, SPD, AfD, CDU, B90/GRÜNE sowie des Abgeordneten (Domres [DIE LINKE])
und für ihre Bereitschaft, ohne Kenntnis der genauen Ursache des Fischsterbens zu helfen.
Die Oder hat viele Namen und Funktionen, letztlich ist sie aber vor allem eines: ein Ökosystem. Wie anfällig dieses ist, zeigten die jüngsten Ereignisse. Etwa 200 t Fisch, Krebse und aquatische Weichtiere sind, so wird vermutet, an den Folgen der hohen Temperaturen sowie der Wasserversalzung und der daraus resultierenden Verbreitung der Algenart Prymnesium parvum in der Oder verendet und müssen nun geborgen werden.
Ob das erhöhte Auftreten von Algentoxinen wirklich die Ursache für das massenhafte Sterben der Tiere ist, ist nach über einem Monat noch immer nicht klar. Ebenso wenig ist bekannt, wann an welchen Stellen welche Abfallstoffe in das Gewässer eingeleitet wurden und möglicherweise immer noch eingeleitet werden. Dabei sprechen wir hier nicht von irgendeinem Gartenteich, sondern von einem Fließgewässer, welches nicht nur die Lebensgrundlage vieler Menschen und Tiere darstellt, sondern zudem auch ein großes Potenzial in sich trägt, Toxine, Krankheitserreger und giftige Mineralien über Hunderte Kilometer bis ins Meer zu leiten. Weitere Untersuchungen und die Überprüfung der Einleitungsgenehmigungen sind also auch auf deutscher Seite mehr als dringend notwendig.
(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt DIE LINKE)
Neben der Klärung der Ursachen durch die polnische Seite aus ist in meinen Augen vor allem die Prävention weiterer Katastrophen zwingend notwendig. Die jüngsten Vorkommnisse zeigen, dass auch und vor allem eine Verbesserung der Kommunikation zwischen polnischen und deutschen Behörden erforderlich ist.
Die dafür zuständige Internationale Kommission zum Schutz der Oder gegen Verunreinigung hat mit dem Havarieplan für die Oder technologische und organisatorische Vorsorgemaßnahmen für den Einsatz bei Störfällen im Odereinzugsgebiet abgestimmt, um ein effektives grenzüberschreitendes Krisenmanagement zu ermöglichen und im Falle einer plötzlichen Verunreinigung durch Schadstoffe die Anlieger rasch warnen zu können.
Und? Hat es funktioniert? Wie war die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen in der Internationalen Kommission? Auskunft könnte das MIK geben, denn ein Mitarbeiter sitzt in der Arbeitsgruppe „Havarieverunreinigungen“. Wann wurde eigentlich das letzte Mal die Durchführung des Internationalen Havarieplans getestet bzw. geübt, wie es vorgesehen ist?
Bereits am 26. Juli lagen der polnischen Umweltbehörde Meldungen von Ansammlungen verendeter Fische in der Umgebung der Stadt Olawa vor. Am 5. August folgten weitere Meldungen. Die deutschen Behörden, die regionale Leitstelle in Frankfurt (Oder), wurde beide Male nicht informiert. Aber die Frage ist doch auch: Wann hat die Internationale Kommission, in der auch Deutschland vertreten ist, die an die Oder angrenzenden Landkreise in Brandenburg informiert? Wann hat das MIK das MLUK informiert? Mit Schuldzuweisungen an die polnischen Behörden sollten wir deshalb zurückhaltend umgehen, denn: Wer kennt wirklich die Einzelheiten?
Mit ein paar Tagen mehr Vorlaufzeit hätte man möglicherweise einige Abschnitte der Oder und ihre tierischen Bewohner retten oder sich zumindest besser vorbereiten können. Einzig das Amt Gartz hat eine Ölsperre errichtet. Dass bei einer Bundeswasserstraße, die gleichzeitig ein Grenzfluss ist, die Zuständigkeit für die Bewohner des Flusses bei den Landkreisen liegen soll, irritiert mich, und auch, warum bei den Telefonkonferenzen zwischen den Bundes-, Landes- und Kreisbehörden nicht auch die Ordnungsbehörden der betroffenen Kommunen einbezogen wurden, erschließt sich mir nicht.
Deutlich wurde, dass zum einen Slipstellen, für die der Bund zuständig ist und durch die Rettungsboote schnell und unkompliziert in die Oder kommen, fehlen und dass zum anderen eine Messstelle in Hohenwutzen nicht ausreichend ist. Dort, wo die Oder Brandenburg verlässt, also im Raum Gartz, sollte unbedingt ebenfalls eine Messstelle sein.
Dass alles am Ende so gut geklappt hat, ist den vielen ehrenamtlichen Helfern der Ortsfeuerwehren, den Fischern, den Anglern und auch den freiwilligen Helfern zu verdanken.
(Beifall BVB/FW, vereinzelt SPD sowie der Abgeordneten Schäffer [B90/GRÜNE])
Zum Abschluss möchte ich mich noch zum Ausbau der Oder als Wasserstraße äußern. Dass es für einen Umbau das Gewässer inklusive einer geplanten Vertiefung des Flusses, welches es auch großen Schiffen ermöglichen soll, ihn zu befahren, aktuell nicht der richtige Zeitpunkt ist, dürfte allen klar sein. Ein schwerwiegender Eingriff in die Gewässerökologie wäre ein weiterer, wenn nicht sogar der letzte Sargnagel für die einzigartige Artenvielfalt der Oder.
Wir stimmen den vorliegenden Anträgen zu, obwohl der Antrag der Koalition unter dem Haushaltsvorbehalt steht. Der Titel lautet: „Aus der Umweltkatastrophe lernen“. Ich denke, wir von der Fraktion BVB / FREIE WÄHLER haben Ihnen ein paar Anregungen gegeben, wie wir es besser machen können. – Vielen Dank.
(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt CDU)