Rede von Matthias Stefke in Textform:
Matthias Stefke (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen und auf der Tribüne! Viele von Ihnen denken jetzt wahrscheinlich: Schon wieder BER? Wir können es nicht mehr hören! – Das mag sein, aber danach geht es nicht. Es ist nun einmal unsere Aufgabe, uns der Probleme im Land anzunehmen und Lösungen für sie zu finden.
Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Weder die Gemeinden noch ihre Einwohnerinnen und Einwohner im BER-Umfeld haben den falschen Standort Schönefeld gewollt, müssen die Entscheidung aber letztlich ausbaden. Entgegen dem Ranking aus dem Raumordnungsverfahren war eine rein politische Entscheidung getroffen worden – von dem damaligen Verkehrsminister Matthias Wissmann, CDU, dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, CDU, und dem Ministerpräsidenten Brandenburgs, Manfred Stolpe, SPD. Nach rein fachlichen Kriterien rangierten Sperenberg, Jüterborg Ost, Borkheide, Tieztow, Jüterborg West und Michendorf mit zum Teil deutlichem Punktevorsprung vor dem letztplatzierten Standort Schönefeld.
Mittlerweile räumen Spitzenpolitiker nahezu aller Parteien die damalige Fehlentscheidung ein. Der vormalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, SPD, sprach im Jahr 2015 hinsichtlich der Standortentscheidung für Schönefeld von einem Geburtsfehler. Dies ist nicht der einzige. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten hier im Plenum über weitere reden – versprochen!
Das gilt beispielsweise für die Hunderte Millionen Euro, die auch in den nächsten beiden Jahren der hoch defizitären Flughafengesellschaft aus dem Landeshaushalt zugeschossen werden sollen und uns für die finanzielle Bewältigung der kriegsbedingten Energiekrise und der galoppierenden Inflation fehlen, um Härten im Land abzufedern.
Bleiben wir zunächst bei der Standortwahl. Mit Datum 13. August 2004 hat das damalige Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg als Planfeststellungsbehörde den Plan für den Ausbau des Flughafens Berlin- Schönefeld festgestellt. Unter Punkt 5.1.4 – Schutz besonderer Einrichtungen – ist unter anderem verpflichtend geregelt worden:
„Die Träger des Vorhabens haben auf Antrag der Träger von Altenheimen, Schulen und Kindertagesstätten, soweit diese Einrichtungen am 15.05.2000 errichtet oder genehmigt waren, für geeignete Schallschutzvorrichtungen an Wohn- und Gemeinschaftsräumen in Altenheimen, an Unterrichtsräumen in Schulen und an den Räumen in den Kindertagesstätten, die den Kindern zum Aufenthalt dienen, Sorge zu tragen.“
Dieser Stichtag war vor gut 22 Jahren, meine sehr geehrten Damen und Herren. Seinerzeit ließ sich wohl nur schwer prognostizieren, wie sich die Bevölkerungszahlen insbesondere im BER-Umfeld entwickeln würden. – Oder doch? Wurde dieser Stichtag womöglich bewusst in den Planfeststellungsbeschluss geschrieben, nach dem Motto: Wenn wir schon die vorhandenen sensiblen Einrichtungen oder jene, für die schon eine Baugenehmigung erteilt ist, schützen müssen, wollen wir nicht auch noch für den Schallschutz derjenigen zuständig sein, die zukünftig notwendigerweise noch errichtet werden müssen. – Was für eine unsoziale, was für eine unverantwortliche Haltung in Bezug auf den Schutz der Schwächsten in unserer Gesellschaft, vor allem den unserer Kinder in den Kitas und Schulen und den der hilfsbedürftigen Seniorinnen und Senioren in den Alten- und Pflegeheimen!
(Beifall BVB/FW)
Deshalb muss diese Regelung geändert werden, meine Damen und Herren. Dafür haben wir heute diesen Antrag eingebracht. Seit dem ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss im Jahr 2004 gab es ausweislich der Antwort der Landesregierung im August dieses Jahres auf eine diesbezügliche Kleine Anfrage von mir über 40 Planänderungsbeschlüsse. Zu welchen Inhalten, können Sie bei Interesse der Drucksache 7/6087 entnehmen. Ich will die Notwendigkeit dieser Änderungsbeschlüsse auch aus Zeitgründen hier nicht hinterfragen oder bewerten. Aber für mich, für uns ist klar, dass es Zeit für mindestens einen weiteren Planänderungsantrag ist, der da lautet: Der Stichtag 15.05.2000 für die kostenmäßige Übernahme der Schallschutzmaßnahmen an sensiblen Einrichtungen durch die Flughafengesellschaft muss weg!
(Beifall BVB/FW und des Abgeordneten von Lützow [AfD])
Wir dürfen diesen erheblichen Kostenfaktor nicht bei den Kommunen abladen, die den Standort weder gewollt haben noch über ihn mitentscheiden konnten. Die betroffenen Kommunen haben auch wegen des starken Zuzugs in den vergangenen Jahren und des schwierigen Grundstücksmarkts in den Umlandgemeinden oft gar keine Wahlmöglichkeit, wo sie eine neue Kita oder Schule bauen. Es gibt kaum noch verfügbare Grundstücke. Keine Kommune wird leichtfertig eine neue Kita extra in den vom Fluglärm betroffenen Bereich bauen. Aber wenn es nun mal aus objektiven Gründen nicht anders möglich ist, muss sie wenigstens die Möglichkeit haben, den Teil der Kosten für zusätzlich erforderlichen Schallschutz von dem eigentlichen Verursacher des Lärms zu erhalten, auch heute und in Zukunft, ohne Stichtag.
(Beifall BVB/FW und DIE LINKE)
Eigentlich dürfte es keine unterschiedlichen Auffassungen dazu und schon gar keine Ablehnung dieser Forderung hier im Haus geben. In der sich anschließenden Debatte bin ich auf die Argumentation insbesondere der Koalitionsfraktionen sehr gespannt, auf die es bei der Abstimmung über unseren Antrag entscheidend ankommt.
Nun zum Änderungsantrag der AfD. Herr Freiherr von Lützow, Sie haben unseren Antrag sehr billig abgekupfert – das muss ich Ihnen einmal so deutlich sagen. Sie sollten sich selbst intensiv mit dem Thema beschäftigen und nicht nur abschreiben. Was Sie vorhaben, bedeutet gegenüber dem, was wir vorschlagen, eine Verschlechterung. Wir wollen keinen Stichtag mehr haben, Sie wollen den Stichtag 31. Oktober 2026 haben. Das würde bedeuten: Wenn eine Kommune im Jahr 2030 oder 2033 eine sensible Einrichtung bauen muss, ist sie wieder selbst für die Kosten des Schallschutzes zuständig und müsste für diese aufkommen. Damit bringt Ihr Änderungsantrag wirklich keine Verbesserung im Vergleich zu unserem Antrag.
Sie wollen die Stichtagsregelung zudem auf andere Bereiche erweitern bzw. sie verlängern. Ihnen geht es dabei um die Entschädigung in Außenwohnbereichen, um die Kostenübernahme für Wohnraum, Praxis- und Büroräume. Unser Antrag zielt dezidiert darauf ab, dass die Gemeinden keine Wahl haben, wo sie sensible Einrichtungen bauen. Blankenfelde-Mahlow kann seine Kita nicht in Rangsdorf oder Zossen bauen. Aber Privateigentümer können sehr wohl entscheiden, ob sie ihr Haus oder ihr Geschäftsgebäude in einer Anrainerkommune des BER errichten oder nicht. Wenn sie meinen, sie müssten dies tun, dann sollen sie auch selbst die Kosten dafür tragen. Das ist ihre freie Entscheidung. Diese Schallschutzkosten können nicht auch noch übernommen werden. Ich bin ja, was die Flughafengesellschaft betrifft, zu allen Schandtaten bereit; aber irgendwo muss auch eine Grenze gezogen werden.
Bereits jetzt beantrage ich namentliche Abstimmung über unseren Antrag und danke zunächst für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall BVB/FW und des Abgeordneten Walter [DIE LINKE])