Rede von Matthias Stefke in Textform:
Matthias Stefke (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen und auf der Tribüne! Ich gestehe, ich habe den Antrag mehrfach gelesen, aber selbst nach diversen Recherchen im Netz und Nachfragen bei in der Materie fachkundigeren Mitarbeitern und sonstigen Experten haben sich bei mir mehr Fragen ergeben, als dieser Antrag Antworten gibt. Dies auch deshalb, weil er in seiner Detailtiefe das Verständnis eines Menschen mit im Fach Informatik nur rudimentären Kenntnissen tatsächlich übersteigt.
Was ich dem Antrag der Koalitionsfraktionen aber entnommen habe, ist, dass wir bisher in Brandenburg offenbar unzureichend – um nicht nachlässig zu sagen – mit dem Thema Sicherheit in der digitalen Verwaltung umgegangen sind. Das stimmt mich nachdenklich und muss uns alle nachdenklich stimmen. Warum?
Erinnert sei an die Cyberattacken auf die IT-Systeme der Landeshauptstadt Potsdam und Brandenburg an der Havel im Januar 2020, die eine Sicherheitslücke in der sogenannten Citrix-Software genutzt und in der Folge die Stadtverwaltungen in Teilen über Wochen lahmgelegt hatten. In Potsdam waren das Bewohnerparken und die internetbasierte Zulassung von Kraftfahrzeugen sogar ein gutes Jahr gestört. Die Kosten zur Wiederherstellung des Geschäftsbetriebs allein in Potsdam wurden mit 82 000 Euro plus erhöhte Personalkosten von 22 000 Euro beziffert.
Im März letzten Jahres wurde die Stadtverwaltung Angermünde Opfer eines Hackerangriffs. Ein Trojaner hatte zwölf von 21 Servern der Stadt lahmgelegt, woraufhin Einwohnermeldeamt, Standesamt und alle Systeme, die beispielsweise das Grünflächenamt und der Bauhof gebraucht hätten, nicht mehr erreichbar waren. Erpresser forderten eine Summe in Kryptowährung. Die Höhe ist nicht bekannt, jedenfalls mir nicht.
Ebenfalls im vergangenen Jahr konnte der Verfassungsschutz nachweisen, dass russische Hacker im Dienste des Staates auch in Brandenburg gezielt politische Entscheidungsträger, konkret Mitglieder des Landtags, ausforschen. In 2021 gab es zudem zwei Hackerangriffe auf die Brandenburger Schul-Cloud.
Bereits am 14. März dieses Jahres veröffentlichte das Innenministerium eine Warnung des Verfassungsschutzes vor manipulierten oder diskreditierenden Informationen oder sogar der Vorbereitung von Sabotagehandlungen. In der gleichen Pressemitteilung gab das MIK die Empfehlung, sich bei konkreten Hinweisen auf einen Cyberangriff an den Verfassungsschutz zu wenden. An den Verfassungsschutz zu verweisen, mag nicht abwegig sein; man hätte jedoch erwartet, dass gleichfalls der Hinweis auf die Koordinierungsstelle Kritische Infrastruktur erfolgt.
Diese Beispiele und der Hackerangriff auf die Gemeindeverwaltung Milower Land im Havelland bereits im Jahr 2016 lassen mich angesichts des heutigen Antrags zweifeln, ob die Landesregierung den Gefahren für die IT-Sicherheit und die Software, die auf Landes- und kommunaler Ebene Anwendung findet, die angemessene Bedeutung und Aufmerksamkeit zumisst,
(Beifall BVB/FW und der Abgeordneten Johlige [DIE LINKE])
dies gerade auch wegen des in Anträgen der Koalition verwendeten Standardsatzes: „Der Landtag fordert die Landesregierung im Rahmen der personellen und finanziellen Gegebenheiten auf …“
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, es gibt Anträge, in denen ein solcher Satz unschädlich sein mag. In allen Fragen der Sicherheit – der inneren Sicherheit und auch der IT- Sicherheit – verbietet er sich. Hierfür muss Geld und Personal in angemessener und notwendiger Größenordnung im Landeshaushalt bereitgestellt werden, um Notwendigkeiten für eine personelle und finanzielle Stärkung im Bereich der IT- Sicherheit zu prüfen oder an Definition und Implementierung von Sicherheitsstandards zu arbeiten, die zur Vermeidung von Störungen der Verfügbarkeit, Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme beitragen. Dies müsste nach den Angriffen der letzten Jahre längt erledigt sein.
Das gilt auch für die übrigen vier Punkte Ihrer Forderungen an die Landesregierung. Ganz ehrlich: Der aktuelle Stand stimmt mich nicht nur nachdenklich, sondern ich bin voller Sorge darüber, was professionelle Hacker hier im Land anrichten könnten, wenn Sie es wollten.
Fazit: Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist erneut einer jener Anträge, die immer dann zu einem Thema eingebracht werden, wenn man feststellt, dass man als Regierung darin hinterherhinkt. In der Einleitung erweckt man den Eindruck, da natürlich schon lange dran zu sein; die Beschlusspunkte machen dann aber deutlich, dass dem nicht so ist, man jedenfalls nicht mit dem gebotenen Nachdruck dran ist.
(Beifall BVB/FW)
Kurzum, das Thema ist auch aus unserer Sicht wichtig, sehr wichtig. Es ist dringender Handlungsbedarf gegeben. Uns haben Sie an Ihrer Seite, wenn es um die Notwendigkeit geht, zusätzliche Personal- und Sachmittel zur Verfügung zu stellen. Die Landesregierung ist aufgefordert, jetzt eine Schippe draufzulegen. Wir stimmen dem Antrag dennoch zu. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.