Rede von Matthias Stefke in Textform:
Matthias Stefke (BVB/FW):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen und auf der Tribüne! In der aktuellen Situation von Energiekrise und galoppierender Inflation ist „Armut“ eines der am häufigsten verwendeten Wörter in der medialen Berichterstattung, aber auch in politischen Debatten und Diskussionsrunden. Das Thema Altersarmut ist schon länger bekannt, aber leider noch immer nicht gelöst. Hinzugekommen ist das Problem der Periodenarmut. Davon spricht man, wenn Mädchen und Frauen, die über kein eigenes oder nur ein geringes Einkommen verfügen, keine finanziellen Mittel und damit keinen Zugang zu Menstruationshygieneartikeln haben.
Die Menstruation ist nicht nur mit körperlicher und psychischer Belastung, sondern auch mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Laut einer in der britischen „Huffington Post“ veröffentlichten Studie gibt eine Frau im Laufe ihres Lebens etwa 20 000 Euro im Zusammenhang mit der Periode aus. Bei der Bekämpfung von Periodenarmut ist uns Schottland einen großen Schritt voraus: Im Jahr 2020 hat Schottland – weltweit einzigartig – den kostenlosen Zugang zu Menstruationsartikeln gesetzlich geregelt. Binden und Tampons werden dort in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Universitäten kostenlos zur Verfügung gestellt. Seitdem sind viele Städte und Gemeinden – auch in Deutschland – dem Vorbild Schottlands gefolgt oder prüfen eine Umsetzung. Tun wir es ihnen gleich, und arbeiten wir gemeinsam an einer flächendeckenden Lösung – auch in Brandenburg!
(Beifall BVB/FW)
Laut Sozialministerium galt 2019 jeder fünfte Minderjährige in Brandenburg als armutsgefährdet. Durch die Coronakrise sind weitere Menschen in die Bedürftigkeit gerutscht, und die eingangs erwähnte Energiekrise sowie die galoppierende Inflation tun ihr Übriges. Wir sehen das beispielsweise an dem stärkeren Zulauf bei den Tafeln im Land, an der vermehrten Inanspruchnahme von Verbraucherschutz- und Schuldnerberatungen und ganz allgemein – ausweißlich des Armutsberichts 2022 des Paritätischen Gesamtverbands – an einer steigenden Armutsquote, die mit 16,6 % einen traurigen Höchststand erreicht.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich denke, Sie stimmen mir zu, wenn ich sage: Es gibt wohl nichts Beschämenderes, als wenn Mädchen, junge Frauen an den für sie unangenehmsten Tagen des Monats nicht über Mittel verfügen, sich mit den notwendigen Hygieneartikeln zu versorgen. So etwas ist für einen Sozialstaat nicht nur unvorstellbar, sondern inakzeptabel.
(Beifall BVB/FW und DIE LINKE sowie der Abgeordneten Damus [B90/GRÜNE])
Deshalb sind wir der Überzeugung, dass diesem Tatbestand der Periodenarmut unbedingt Abhilfe geschaffen werden muss, deshalb bringen wir diesen Antrag ein, mit dem wir ein landesweites Pilotprojekt anstoßen wollen. In jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt soll eine weiterführende Schule ausgewählt werden, in der beginnend ab dem Schuljahr 2023/24 testweise die kostenlose Ausgabe von Menstruationshygieneartikeln erfolgen soll. In Brandenburg hat der Kreistag Dahme- Spreewald bereits einen entsprechenden Beschluss für die weiterführenden Schulen, die sich in der Trägerschaft des Landkreises befinden, gefasst. Unserer Ansicht nach darf sich das Land Brandenburg diesem Thema nicht verschließen.
(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt DIE LINKE)
Sozialpolitik ist die Bezeichnung für Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation – insbesondere benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen. Für all jene, die unterhalb der Armutsgrenze leben, ist es schon schwierig genug, überhaupt ausreichend Geld für grundlegende, lebensnotwendige Dinge wie Lebensmittel aufzubringen – von Menstruationshygieneartikeln ganz zu schweigen.
Die aus dem Pilotprojekt gewonnenen Erkenntnisse sollen Aufschluss darüber geben, mit welchem Aufwand und welchen finanziellen Auswirkungen auf den Landeshaushalt Menstruationshygieneartikel in Brandenburg an den weiterführenden Schulen flächendeckend kostenfrei für Schülerinnen zur Verfügung gestellt werden können. Sowohl die Vorlaufzeit für den Start der Pilotphase als auch der Zeitpunkt für die Vorlage des Auswertungsberichts sind unsererseits bewusst großzügig bemessen. Sollte sich das schneller umsetzen lassen, umso besser. Wegen des langen zeitlichen Vorlaufs haben wir Zeit, den Antrag in den Fachausschüssen zu beraten. Deshalb beantragen wir die Überweisung an den ABJS und zur Mitberatung an den ASGIV. Ich freue mich zunächst auf die Debatte dazu. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall BVB/FW und DIE LINKE sowie der Abgeordneten Damus [B90/GRÜNE] und Rüter [SPD])