Rede von Matthias Stefke in Textform:
Matthias Stefke (BVB/FW):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen! Auf der Tribüne ist derzeit noch niemand.
Ich hoffe, dass ich jetzt keinen Polizeieinsatz und die Räumung des Landtages oder des BER auslöse, wenn ich sage: Die Flughafengesellschaft ist eine tickende Zeitbombe. – Diese Aussage bezieht sich nämlich allein auf ihre finanziellen Auswirkungen auf den Landeshaushalt für die kommenden 20 Jahre. Warum formuliere ich das so drastisch? Weil es deutliche Anzeichen dafür gibt, dass uns die FBB mit ihren milliardenschweren Ausbauplänen für den BER unter dem Titel „Masterplan 2040“ die Spielräume in den Landeshaushalten der Jahre bis dahin in einer Größenordnung einschränken wird, wie es einige unter uns – vor allem die Koalition – offenbar nicht wahrhaben wollen.
Deshalb will ich hier einige Kennzahlen in Erinnerung rufen, die eigentlich alle aus dem Tätigkeitsbericht des mittlerweile beendeten BER-Sonderausschusses, aus dessen Nachfolgeausschuss – dem Unterausschuss des Haushalts- und Finanzausschusses zum Thema „Finanzangelegenheiten der FBB GmbH“ – oder dem Haushalts- und Finanzausschuss kennen sollten. Die FBB ist mit ca. 4,5 Milliarden Euro verschuldet. Sie hat im Jahr 2021 eine Wertberichtigung von über 500 Millionen Euro vornehmen müssen und einen Verlust in Höhe von einer Milliarde Euro gemacht. Das Eigenkapital ist aufgebraucht, und ohne die Zuschüsse der drei Gesellschafter – Bund, Berlin und eben auch Brandenburg – hätte die Gesellschaft nach meiner Beurteilung längst Insolvenz anmelden müssen. Bisher haben die Gesellschafter die Flughafengesellschaft in einer Größenordnung von 6,6 Milliarden Euro in Form von Gesellschafterdarlehen, Zuführungen in das Eigenkapital und durch die Gesellschafter verbürgten Krediten finanziell unterstützt. Bis 2026 sollen es allein für ein Teilentschuldungsmodell weitere 1,1 Milliarden Euro, aber insgesamt 1,9 Milliarden Euro werden. In der vierten Sitzung des Unterausschusses des Ausschusses für Haushalt und Finanzen zu den FBB-Finanzen wurden auch einmal 2,4 Milliarden Euro genannt; so genau weiß man es offenbar selbst nicht.
Damit ist die FBB ihre Schulden aber längst nicht los. Nein, die Teilentschuldung soll sie lediglich in die Lage versetzen, ab 2026 finanzmarktfähig zu sein, um weitere Kredite aufnehmen zu können, für die dann keine Patronatserklärungen – sprich: Bürgschaften – der Gesellschafter notwendig sein sollen – sollen, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn dieses Modell ist keinesfalls gesichert.
(Beifall BVB/FW)
Warum? Weil das Teilentschuldungsmodell aus dem Jahr 2021 Entwicklungen dieses Jahres entweder noch nicht beachten konnte oder damals schon bekannte wichtige Parameter nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt hat. Beispielhaft seien die Coronapandemie oder die Auswirkungen des am 24. Februar dieses Jahres von Wladimir Putin begonnenen völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine und dessen wirtschaftliche Folgen, beispielsweise für den Flugverkehr oder die daraus ebenso resultierende Inflation in zweistelliger Prozenthöhe, genannt. All das könnte dazu führen, dass sich das Teilentschuldungsmodell in Schall und Rauch auflöst. Zumindest ist es unbedingt den Entwicklungen der letzten Monate anzupassen.
Aber nehmen wir einmal an, alles verliefe nach Plan und die FBB könnte sich bis 2026 tatsächlich von den Schulden in Höhe von 1,1 Milliarden Euro befreien. Dann will sie neue Schulden aufnehmen, um den Ausbau des BER nach dem Masterplan 2040 zu finanzieren – einen Ausbau auf eine Abfertigungskapazität von bis zu 59 Millionen Passagieren pro Jahr, der aus heutiger Sicht nicht notwendig ist. Warum? Im Jahr 2022 werden auf Grundlage des Management-Case im Businessplan der FBB am BER voraussichtlich ca. 17 Millionen Passagiere erwartet. Das Teilentschuldungsmodell fußt auf der Annahme, dass im Jahr 2026 das Vorkrisenniveau, also knapp 36 Millionen Passagiere pro Jahr, erreicht wird.
Die derzeit vorhandenen drei Terminals T1, T2 und T5 – also Schönefeld alt – haben eine Abfertigungskapazität von 45 Millionen Passagieren pro Jahr. Diese Zahl setze nicht ich, völlig aus der Luft gegriffen, in die Welt; sie stammt von der FBB höchstselbst und wurde im Zusammenhang mit dem EU-Beihilfeverfahren an die Kommission übermittelt. Nun ist es eine einfache Rechenaufgabe, 36 Millionen von 45 Millionen abzuziehen, und siehe da: Man hätte immer noch eine Abfertigungskapazitätsreserve von 9 Millionen Passagieren pro anno! 45 Millionen Passagiere müssen aber erst einmal erreicht werden, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.
Der Verzicht der Bundesregierung auf den mit 350 Millionen Euro kalkulierten Neubau des Regierungsterminals führt zu dem glücklichen Umstand, dass das T5 nicht abgerissen werden muss und somit weiter für die Abfertigung genutzt werden kann. Nun soll mir bitte niemand mit dem Argument kommen: Das ist alt und kann eigentlich nur noch abgerissen werden. – Noch vor zwei Jahren äußerte der damalige FBB-Chef Lütke Daldrup, man benötige das T5 noch mindestens zehn weitere Jahre. So schlecht kann also dessen Bausubstanz nicht sein. Sie ist es offenbar auch nicht, anderenfalls würden die Grünen das Gebäude aktuell nicht als Ersatzstandort für das geplante Ein- und Ausreisezentrum ins Spiel bringen. Selbst wenn: Es zu ertüchtigen dürfte nur wenige Millionen statt viele Milliarden Euro für den Masterplan 2040 kosten.
Der Ausbau ist nach heutiger Beurteilung nicht erforderlich. Er ist zu teuer – wegen der immensen Baukostensteigerungen übrigens viel, viel teurer als 2017 noch kalkuliert -, und er ist aus eigener Kraft der FBB nicht finanzierbar, weil man mit einem Low-CostCarrier-Anteil von 65 % nicht verdienen kann und deshalb neue Zuschüsse der Gesellschafter wahrscheinlich, sogar sehr wahrscheinlich sind.
Deshalb ist das Ziel unseres Antrags, bis 2030 weitere Ausbaustufen am BER und auch die Planungen hierfür zu stoppen. Ich freue mich nun auf die Debatte dazu und danke zunächst für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall BVB/FW)