Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Dr. Philip Zeschmann (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Erst einmal herzlichen Glückwunsch, werte Kollegen der Koalitionsfraktionen, zu diesem inhaltlich phänomenal neuen Antrag. Nach zahlreichen und immer trockener werdenden Sommern – das hat die Kollegin gerade angesprochen -, nach der anhaltenden Dürre im Jahr 2022, nach unserer umfassenden eindringlichen Aufforderung zur Nachbesserung Ihrer vermeintlichen Gesamtwasserstrategie, die Sie uns und den Brandenburgern hier im Februar vorgelegt haben, und trotz der Tatsache, dass ebenjenem Papier mit der Drucksachennummer 7/5175 jeglicher substanzielle Inhalt fehlt, präsentieren Sie jetzt – immerhin nach acht Monaten – doch irgendetwas.
Deshalb haben wir direkt im März als Reaktion auf Ihre Untätigkeit insbesondere im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft, also im Bereich der Daseinsvorsorge – nämlich der wichtigsten Daseinsvorsorge: der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung -, mit unserem Entschließungsantrag zur Erstellung einer Gesamtwasserhaushaltsplanung für Brandenburg, der heute noch einmal auf der Tagesordnung steht, das Ganze zur Nachbesserung zurückverwiesen.
Nun endlich, nach monatelangen Ankündigungen, sind Sie dem nachgekommen und haben immerhin schon im Oktober im Ausschuss für Landwirtschaft, Umwelt und Klima einen Antrag vorgelegt. Beeindruckend! Dazu müssen wir aber festhalten – ich betone das ausdrücklich -: Unsere Bemühungen hier auf Landesebene, dieses äußerst wichtige Politikfeld Wasser, welches von geradezu existenzieller Bedeutung für alle Bürgerinnen und Bürger ist, inhaltlich fundiert und umfassend in den Fokus zu rücken und lösungsorientiert zu behandeln,
(Beifall BVB/FW)
begannen schon im März. Bereits im Mai setzten wir diese Bemühungen mit unserem ebenfalls auf der Tagesordnung stehenden Antrag zur Erarbeitung eines gemeinsamen Wassermanagements mit Berlin fort.
Als BVB/FREIE WÄHLER hatten wir dazu im Sommer eine Informationstour durch ganz Brandenburg mit zehn Veranstaltungen durchgeführt und im Nachgang auch viele weitere Ideen daraus aufgenommen und in Form weiterer konkreter Anträge im Plenum eingebracht. Nur zu Ihrer Erinnerung, was Sie alles abgelehnt haben:
September 2022: Erster Antrag: „Zur Stabilisierung der Grundwasserspiegel vor Ort Regenwasser durch den Bau von Rückhaltemöglichkeiten systematisch sammeln und vor Ort versickern“. Zweiter Antrag: „Zur Stabilisierung der Grundwasserspiegel vor Ort Klarwasser zur Versickerung aufbereiten“.
Oktober 2022: Antrag auf Gesetzesänderung mit dem Gesetzentwurf auf Drucksache 7/6367 zum Dritten Gesetz zur Änderung der Brandenburgischen Bauordnung mit dem Ziel, die Landesbauordnung um die Verpflichtung der Regenwassersammlung für Neubauten zu ergänzen.
(Zuruf: Unfassbar!)
Ein weiterer Antrag im Oktober: Grundwasserneubildung gesetzlich priorisieren, ein Gesetz zum Schutz der Grundwasserneubildung.
November 2022 – da sind wir jetzt -: weitere Anträge. Der Antrag „Den Landeswasserhaushalt vor der Pleite retten“ liegt Ihnen auf Drucksache 7/6508 und der Antrag „Mehr Regenwasser statt knappes Trinkwasser nutzen“ auf Drucksache 7/6547 vor.
Damit haben wir seit März dieses Jahres insgesamt acht – ich betone: acht! – konkrete Anträge zur mittel- und langfristigen Sicherung unserer Trinkwasserversorgung hier in diesem Plenum eingebracht. Und was haben Sie in der Zwischenzeit zur Sicherung unserer Trinkwasserversorgung getan? Nichts. Inzwischen scheinen Sie die Zeit gefunden zu haben, unsere Anträge zu lesen und auszuwerten – äußerst lobenswert, möchte man meinen. Oder doch nicht?
(Beifall BVB/FW)
Basierend auf diesen vielen Punkten, Einzelaspekten und den vielfältigen Lösungsvorschlägen unserer acht Anträge haben Sie daraus einen wild zusammengewürfelten Sammelsuriumsantrag – so nenne ich ihn mal – erstellt, der nach seiner Befassung im Ausschuss für Landwirtschaft, Umwelt und Klima jetzt als Beschlussempfehlung des Ausschusses verabschiedet werden soll. Vermitteln möchten Sie ganz offensichtlich: Seht her, wir haben verantwortungsvoll die Probleme hinsichtlich des virulenten Themas Wasser erkannt, und wir bringen euch jetzt die essenziellen und durchgreifenden Lösungen dazu – wie der Heiland persönlich.
Und das soll jetzt eine gut durchdachte Strategie für das Themenfeld Wasser und zur Sicherung unserer Trinkwasserversorgung sein? Wie genau sieht Ihre Strategie aus, das seit Jahrzehnten stattfindende Absinken der Grundwasserspiegel wenigstens zu stoppen? Welche konkreten Vorschläge bringen Sie? Wo sind Ihre konkreten Vorschläge zur systematischen und möglichst flächendeckenden besseren Behandlung unserer Abwässer in den Kläranlagen, damit das dort austretende Klarwasser vor Ort gehalten und versickert oder verrieselt werden kann und darf? Wo sind Ihre konkreten Vorschläge zum systematischen und möglichst flächendeckenden Sammeln des Regenwassers, das noch vom Himmel kommt, um es ebenfalls vor Ort statt kostbaren Trinkwassers nutzen oder versickern zu können? Ich bin gespannt auf Ihre Antworten.
Wir haben dazu in den letzten Monaten per Antrag folgende konkrete Problemlösungen vorgeschlagen:
Erstens: ein Förderprogramm zum flächendeckenden Einbau der vierten Klärstufe in möglichst allen Kläranlagen unseres Landes.
Zweitens: ein Förderprogramm für Kommunen aufzulegen, damit diese möglichst flächendeckend in die Lage versetzt werden, Regenwasserrückhaltebecken und Ähnliches zu bauen.
Drittens: ein Förderprogramm zum flächendeckenden Einbau von Regenwassersammelanlagen bzw. Zisternen in unseren Wohnungsbestand.
Viertens: ein Förderprogramm zum flächendeckenden Einbau von solchen Regenwassersammelanlagen bei unseren Industrie- und Gewerbebauten, sofern die versiegelte Fläche 1 000 m² und mehr ausmacht.
Fünftens: die Verpflichtung, für Landesimmobilien – also wir alle in einer Vorbildfunktion – Regenwassersammelanlagen bzw. Zisternen innerhalb der nächsten maximal fünf Jahre nachzurüsten.
Sechstens: bei Neubauten von Landesimmobilien Regenwassersammelanlagen oder Zisternen von vornherein mitzuplanen.
Siebtens: in der Landesbauordnung die Regelung zum Einsatz von Regenwassersammelanlagen für Neubauten einzuführen.
Achtens: die gesetzlichen Vorgaben für die Wasser- und Bodenverbände derart zu ändern, dass es nicht mehr nur ihre Aufgabe ist, wie bisher das niedergehende Niederschlagswasser so schnell wie möglich abzuleiten, sondern möglichst viel davon in den von ihnen gepflegten Grabensystemen, Teichen und Tümpeln vor Ort zu halten, damit es versickern kann.
(Beifall BVB/FW)
Neuntens: im Landeswassergesetz die gesetzlichen Vorgaben zu schaffen, dass im Zweifel das Land die Verantwortung und auch die Möglichkeit hat, die sehr unterschiedliche Inanspruchnahme und Belastung der verschiedenen Regionen des Landes, was die Inanspruchnahme der Wasserdargebote angeht, zu einem überregionalen Ausgleich zu bringen.
Und zehntens: durch eine entsprechende gesetzliche Regelung sicherzustellen, dass durch die Wasserverbände beantragte Mehrentnahmen für bestehende Brunnenanlagen als genehmigt gelten, wenn sie nicht innerhalb eines Monats vom LfU bearbeitet werden.
Wie Sie sehen, sind diese Vorschläge sehr umfassend, fundiert, zielführend und konsistent. Sie sollen sicherstellen, dass alle denkbaren Weichen richtig gestellt werden, damit so schnell wie möglich alles getan wird, um möglichst viel oder besser alles Wasser vor Ort zu halten und zu versickern, um ein weiteres Absinken der Grundwasserspiegel mit den bekannten schwerwiegenden Folgen wenigstens zu stoppen.
(Beifall BVB/FW)
Da Sie alle diese sinnvollen und notwendigen Vorschläge zur mittel- und langfristigen Sicherung unserer Trinkwasserversorgung abgelehnt haben, frage ich Sie, wo Ihre umfassende, geeignete, adäquate Strategie ist, um diesem Problembereich Herr zu werden. Zu einer durchdachten und vollständigen Herangehensweise zählt auch die finanzielle Betrachtung. So haben wir natürlich für die finanzielle Absicherung unserer Vorschläge, insbesondere zu den erforderlichen Förderprogrammen, die ich eben aufgezählt habe: für Wohngebäudebesitzer, für Kommunen und für die Wasserverbände, im Rahmen der gerade stattfindenden Haushaltsberatungen Änderungsanträge eingereicht, die das Ganze finanziell absichern.
Wenn Sie also ein ernsthaftes Interesse daran haben, unser aller Trinkwasserversorgung auch mittel- und langfristig für alle Bürgerinnen und Bürger in Brandenburg grundlegend sicherzustellen, dann müssen Sie hier nur zustimmen. Wir laden Sie herzlich dazu ein!
(Beifall BVB/FW)
Denn was steht in Ihrem Sammelsuriumsantrag? Ich zitiere: „Im Rahmen der verfügbaren Personal- und Haushaltsmittel“. Das heißt also: Gar nichts passiert. In Ihrem Haushaltsentwurf kommt Geld für das Thema Siedlungswasserwirtschaft nicht vor. Das bedeutet: Was Sie hier zusammengestellt haben als Ihr Sammelsurium aus den vorher benannten Anträgen von uns, ist eine reine populistische Showveranstaltung. Es wird und kann gar nichts davon angegangen und umgesetzt werden, da es ohnehin kein Geld dafür im Haushalt gibt, wie beispielsweise im Einzelplan 10 auf Seite 96 gut nachzulesen ist.
Dann sagen Sie – ich zitiere wieder -: Eine Million Euro mehr für die Siedlungswasserwirtschaft – das ist auch wieder Einzelplan 10, Seite 107 -, derer sich Minister Vogel in der „MOZ“ am 19. Oktober rühmt, soll unter anderem zur Förderung von Maßnahmen an kommunalen Kläranlagen dienen. Wow – ganze 1 Million Euro für ein ganzes Jahr und für ganz Brandenburg! Wissen Sie eigentlich, was eine einzige vierte Klärstufe in einem durchschnittlichen Klärwerk kostet? – Offensichtlich nicht.
Das hat aber auch die Presse verstanden, weshalb sie dazu schreibt – ich zitiere gerne noch einmal die „MOZ“ -:
„Unklar ist, wie die Ausrüstung der Kläranlagen mit zusätzlicher Abwasserreinigung bezahlt werden soll, der sogenannten vierten Reinigungsstufe. Berlin rüstet gerade erste große Kläranlagen damit aus. Das ist sehr teuer und dauert etliche Jahre.“
Gleichzeitig haben Sie die Zuweisung an Gemeinden und Gemeindeverbände sowie die Zweckverbände für die Strukturanpassungsmaßnahmen in der Siedlungswasserwirtschaft – das haben wir gerade von Frau Hiekel gehört; der Begriff ist inzwischen bei Ihnen angekommen – im Jahr 2022 von 1 Million Euro in dem jetzt vorliegenden Haushaltsentwurf auf null Euro gesetzt! Diesen Verschiebebahnhof haben Sie der Presse natürlich verschwiegen, Herr Minister Vogel.
Bleibt also festzuhalten: Das ganze Thema Wasser ist weiterhin dramatisch unterfinanziert. Sie haben keineswegs mehr Geld im Haushaltsentwurf 2023/24 dafür eingestellt.
So kann man natürlich verstehen, warum der Antrag, den Sie hier vorlegen, bzw. die Beschlussempfehlung des ALUK überhaupt nicht präzise und konsistent sein muss. Es besteht ja überhaupt nicht die Gefahr, dass irgendetwas davon umgesetzt werden könnte, weil kein Geld dafür eingestellt wurde. Deswegen verstehe ich jetzt Ihren Sammelsuriumsantrag. So gehen Sie von den Koalitionsfraktionen also mit dem wichtigen Thema der Daseinsvorsorge „Sicherung unserer Trinkwasserversorgung“ um. Ist Ihnen das nicht auch ein bisschen peinlich?
(Beifall BVB/FW)