Péter Vida zur Änderung des Richtergesetzes von CDU, SPD, Grüne – 15.12.2022

15. Dez 2022

Rede von Péter Vida in Textform:

Péter Vida (BVB/FW):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Welches Richterbild die Regierungskoalition hat, konnten wir in der Debatte zum vorangegangenen Tagesordnungspunkt sehr gut sehen. Das reiht sich ganz gut in die Sonntagsreden ein, denen keine Taten folgen. Aber lassen wir das.

Meine Damen und Herren, bei diesem Gesetzentwurf geht es um nicht mehr und nicht weniger als die Gewaltenteilung. Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes führt uns vor Augen, dass Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung getrennte Bereiche – getrennte Gewalten – sind und die drei Gewalten gleichberechtigt nebeneinanderstehen.

Die Vorredner haben es gesagt: Der Grund für diesen Gesetzentwurf ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, welches die Situation in Brandenburg ungewöhnlich deutlich kritisiert hat. Es wurden ja einige Zitate aus dem Urteil genannt; ich glaube, das maßgebliche ist:

„[D]ie im Land Brandenburg für die dienstlichen Beurteilungen von Richtern maßgebliche Vorschrift erscheint defizitär.“

Dann haben wir gehört: Die Maßregelung des Bundesverwaltungsgerichts zwingt uns zu einem schnellen Handeln – aber nicht zu einem tiefgründigen Handeln! Das heißt, die Umsetzung dessen, was das Bundesverwaltungsgericht uns aufgetragen hat, ist einerseits sehr akut: Wir müssen sofort handeln und haben nicht einmal die Zeit, uns das tiefgründig anzuschauen. Andererseits ist die mangelnde Tiefgründigkeit kein Problem, denn die Kritik war ja nicht so tiefgründig. Aber es ist sehr eilig.

Es heißt in dem Urteil weiter:

„[D]ie Regelung der dienstlichen Beurteilung von Richtern in Gestalt einer Blankettermächtigung der obersten Dienstbehörde in Form von Beurteilungsrichtlinien [genügt] dem Wesentlichkeitsgebot nicht.“

Unter Juristen ist eine solche Aussage des obersten Gerichts mehr als nur eine ernste Aufforderung, zu reagieren. Das ist eine Standpauke, die man nicht weglächeln und kleinreden kann.

(Beifall BVB/FW)

Doch was macht die Landesregierung? Sie erklärt uns, dass all das nicht so schlimm sei und wir trotzdem sehr schnell sein müssten. Anstatt sich aber zum Beispiel am bayerischen Leistungslaufbahngesetz zu orientieren und alle wesentlichen Beurteilungskriterien vorzugeben – denn das Urteil nimmt auf die bayerische Regelung als ein positives Beispiel Bezug -, versucht die hiesige Landesregierung – verständlich angesichts der Hausleitung -, sich maximalen Einfluss auf die Verwaltung der Richterschaft zu sichern.

Nun könnte man natürlich sagen: Nein, diese Landesregierung wird diese Macht niemals ausüben. – Aber leider ist diese Vorstellung naiv, und ich bin nicht so neu auf der Welt, dass ich nicht weiß, dass das durch jüngste Ereignisse faktisch schon widerlegt ist: Erst kürzlich hat die Justizministerin entgegen dem doppelten Votum des Richterwahlausschusses zwei Richter des Arbeitsgerichts Eberswalde an Gerichte versetzt, die im Land nicht weiter entfernt von deren Wohnort sein könnten.

Jetzt könnte man natürlich sagen: Zufall!

(Zuruf von der Fraktion BVB/FW: Rache!)

Und die Mimik von Herrn Bretz lässt vermuten, dass er glaubt, dass es Zufall sei.

(Bretz [CDU]: Das ist ja eine großartige Unterstellung!)

Doch da irrt er sich. Denn wenn man weiß, dass es genau diese Richter waren, die es gewagt haben, lautstark gegen die Schließung ihres Gerichtes zu opponieren – und das gefällt der Ministerin natürlich nicht -, dann macht das nachdenklich.

(Beifall BVB/FW)

Wir sind aber nicht in der Strafrechts-AG des Referendariats, sondern im Parlament, wo man Widerspruch erheben darf – und auch Richter dürfen eine eigene Meinung haben.

Nach allem, was ich auch im Rechtsausschuss zu diesem ganzen Verfahren erfahren habe, komme ich nicht umhin zu glauben, dass die Justizministerin sowohl dort als auch hier und in Bezug auf zukünftige Entscheidungen gern ihre Macht ausspielt –

(Beifall BVB/FW – Bretz [CDU]: Na, na, na!)

eine Macht, die sich nach meinem Verständnis und dem meiner Fraktion nicht mit der Gewaltenteilung in Einklang bringen lässt. – Herr Bretz, Sie brauchen uns keine Verachtung von Macht vorzuspielen; das glaubt Ihnen sowieso keiner.

(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt AfD – Heiterkeit des Abgeordneten Dr. Zeschmann [BVB/FW])

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund ist es aus unserer Sicht unverantwortlich, die Bewertung von Richtern in diesem Ausmaß – mit einer solchen Machtfülle – dem Ministerium zu überlassen. Richter sind näher dran, sie können das besser beurteilen und auch besser Kriterien definieren. Ich finde, es ist auch generell zeitgemäßer, dort entsprechend mehr Selbstverwaltung zuzulassen.

(Beifall der Abgeordneten Wernicke [BVB/FW])

Die Landesregierung hat uns einen Gesetzentwurf vorgelegt, der ihr – an der Grenze der Verfassungsmäßigkeit – maximalen Einfluss auf die Richterbewertung sichert.

(Lachen des Abgeordneten Bretz [CDU])

Es ist nicht unsere Aufgabe, diese Übergriffigkeit nur zu flankieren oder – wie manche hier – gar zu goutieren. Unsere Aufgabe ist eigentlich, die Gewaltenteilung sicherzustellen

(Beifall BVB/FW)

und, wenn möglich, sogar zu verbessern. Auch eine gute Sache! Genau diesem Zweck dient unser gemeinsamer Änderungsantrag. Die Regularien gemeinsam mit der Richterschaft festzulegen sollte eigentlich der Minimalkonsens sein; nichts anderes forderten die klaren Worte des Bundesverwaltungsgerichts. Stimmen Sie also dem Änderungsantrag zu, ganz unabhängig von jeglicher Macht. Anderenfalls haben Sie die harte Ansage des Bundesverwaltungsgerichts nicht verstanden. – Vielen Dank.

(Beifall BVB/FW)

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