Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Dr. Philip Zeschmann (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Es geht um die Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse, und ich finde es bedauerlich, dass das Interesse an diesem Thema in diesem Hohen Hause äußerst bescheiden ausfällt, wenn ich mir die Anwesenheit hier so anschaue.
Ich erinnere mich noch gut an die Haushaltsberatungen beim Antritt der – damals – neuen Landesregierung, als alle Oppositionsfraktionen gesagt haben: Mit der sogenannten Regionalen, die damals einberufen und auf den Weg gebracht werden sollte, und zwar unter Berufung hochdotierter Regionalbeauftragter samt Personalund Büroausstattung, würden unsinnige Doppelstrukturen zu den vorhandenen Wirtschaftsförderungsstrukturen und den Regionalen Planungsgemeinschaften geschaffen. Das wurde natürlich abgelehnt. Deshalb stellten wir damals die Anträge, das zu streichen und eine Einsparung an dieser Stelle zu realisieren. Zwischenzeitlich hat die Landesregierung selbst davon Abstand genommen, Regionalbeauftragte einzusetzen; aber die Idee der Regionale lebt immer noch weiter.
Ein kurzer Ausflug in die Geschichte – sage ich jetzt einmal – zeigt: Die Wirtschafts – und Regionalentwicklungsstrategie des Landes war viele Jahre von dem Slogan „Stärken stärken“ geprägt. Jetzt heißt sie „Stärken verbinden.“ Die Regionalen Wachstumskerne – die RWK – sollen also in sogenannten Achsen verbunden werden, damit ihre Ausstrahlwirkung in die Tiefe des Raumes deutlich verbessert wird.
Vizepräsidentin Richstein:
Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage Ihres Fraktionsvorsitzenden zu?
(Walter [DIE LINKE]:
Das ist ein Antrag zur Geschäftsordnung!)
– Das ist kein Geschäftsordnungsantrag.
(Allgemeine Heiterkeit)
– Guter Versuch. –
Das ist ein Antrag zur Geschäftsordnung. Bitte sehr, Herr Abgeordneter Vida.
Péter Vida (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin, würden Sie dafür Sorge tragen, dass sich, wenn über einen Antrag im Landtag beraten wird, hier im Raum wenigstens eine Person im Ministerrange befindet?
(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt AfD – Zurufe der Abgeordneten Hünich [AfD] und Walter [DIE LINKE]: Unterbrechung!)
Vizepräsidentin Richstein:
Die Lebensverhältnisse interessieren natürlich ganz viele. Wir haben zumindest einen Staatssekretär, der die Ministerin vertritt. Aber ich nehme Ihr Ansinnen an.
Wollen Sie so lange Ihren Redebeitrag unterbrechen?
Dr. Zeschmann (BVB/FW): Ich warte gerne.
Vizepräsidentin Richstein: Sie können sich gerne setzen. Ich rufe Sie wieder auf, wenn eine Ministerin oder ein Minister anwesend ist.
(Allgemeine Unruhe – Vida [BVB/FW]: Ist das peinlich! – Ministerin Dr. Schüle betritt den Plenarsaal. – Zurufe: Ah!)
– Ah! Mit großem Applaus!
(Beifall BVB/FW)
Herr Abgeordneter Dr. Zeschmann, Sie können gerne mit Ihrer Rede fortfahren oder den Beginn noch einmal komprimiert darstellen – wie Sie möchten. Bitte sehr.
Dr. Zeschmann (BVB/FW)
Ich beginne nicht noch einmal, sondern mache einfach weiter. – Die bisherigen Regionalen Wachstumskerne sollen über Achsen miteinander verbunden werden, damit ihre Ausstrahlwirkung in die Tiefe des Raums deutlich verbessert wird. Dazu wurde von der Landesregierung ausgeführt:
„Der Impuls der Landesregierung, die Potenziale überregionaler Entwicklungsachsen in den Blick zu nehmen und gleichzeitig Stärken des ländlichen Raumes und kleiner Gemeinden auf diese Strukturen zu beziehen und durch Kooperationen in Wert zu setzen, wurde aufgegriffen.“
(Beifall BVB/FW)
Dabei sollen bestehende Projektideen gebündelt und gemeinsam vorangebracht werden – jedoch ohne zusätzliche Förderung oder neues Geld. – So weit die Theorie. Wenn wir einmal davon ausgehen, dass wir ohne zusätzliches Fördergeld und ohne zusätzliche regional sinnvolle, vielleicht auch regional erforderliche, Projekte eine wirtschaftliche Stärkung und die Region nicht voranbringen können – alten Wein in neuen Schläuchen verkaufen, was die Landesregierung hier offensichtlich tut -, stelle ich fest, dass die Regionalen Entwicklungsachsen mit ihren zugehörigen Regionalen Wachstumskernen im Fokus der Landesregierung – zumindest der Staatskanzlei, die hier jetzt nicht wirklich vertreten zu sein scheint – stehen.
(Bretz [CDU]: Doch, sie ist hier vertreten!)
– Ja, gut. – Was aber wird aus den Regionen, die keine Regionale Entwicklungsachse abbekommen haben? Fallen diese hinsichtlich einer weiteren oder verbesserten regionalen Entwicklung hinten runter? Dass die Landesregierung behauptet, man könne sich auch ohne Regionale Entwicklungsachsen gut weiterentwickeln, und die Bürgermeisterinnen und Landräte der betroffenen Regionen für das Gegenteil eintreten, ist erwartbar. Was aber sagen die Fakten? Das lässt sich aktuell sehr gut bewerten, hat doch die Landesregierung eben erst den Bericht zu den Schlüsselvorhaben der Regionalentwicklung veröffentlicht. Darin werden zwölf Schlüsselvorhaben vorgestellt, die nun prioritär von der Landesregierung unterstützt und befördert werden sollen. Ich zitiere gern aus dem Bericht, Seite 3:
„Die vorliegenden zwölf Schlüsselvorhaben (SV) wurden aus PrignitzOberhavel (4), Uckermark-Barnim (2) und Oderland-Spree (4) eingereicht. Hinzu kommen die beiden o.g. überregionalen Vorhaben aus der Region Lausitz.“
Das zeigt ganz klar, dass die Schwerpunkte in bestimmten Regionen gesetzt werden und dass nur Regionale Entwicklungsachsen die Möglichkeit haben, weitere Schlüsselvorhaben zu definieren und einzureichen. Fakt ist also: Regionen ohne Regionale Entwicklungsachsen fallen hinten runter.
(Beifall BVB/FW)
Zur Lausitz, zu der auch der Landkreis Elbe-Elster gezählt wird, wird gebetsmühlenartig wiederholt – ich zitiere hier gern aus dem eben genannten Bericht – :
„In der Region Lausitz-Spreewald wurde – so wie in den Eckpunkten vereinbart – der bereits laufende Prozess der Strukturentwicklung Lausitz berücksichtigt. Das ‚Lausitzprogramm 2038‘ ist die grundlegende regionale Entwicklungsstrategie für Lausitz-Spreewald, die Koordination erfolgt über die Wirtschaftsregion Lausitz GmbH.“
So wurde es auch von einem Vertreter der Staatskanzlei in der letzten Woche im AWAE, wo ich das auf die Tagesordnung habe setzen lassen, vorgetragen.
(Scheetz [SPD]: Natürlich!)
Zugleich wird uns im Sonderausschuss Lausitz seit langer Zeit erzählt, dass sich die von der Wirtschaftsregion Lausitz begleiteten und unterstützten Projekte – ich habe es eben angesprochen – zu Recht zumeist – oder im Kern – auf die vom Strukturwandelkern betroffenen Regionen beziehen würden, also dort geplant und angegangen werden, wo ein direkter Abbau von Braunkohle stattfindet und ein entsprechender Ersatz für Arbeitsplätze und andere Strukturen gefunden werden muss. Deshalb gibt es im Rahmen des Strukturwandels in der Lausitz nur ein einziges Projekt im östlichen Teil des Landkreises Elbe-Elster – im westlichen gar keins. Unter dem Gesichtspunkt, gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen des Landes zu gewährleisten, fällt mindestens der Südwesten Brandenburgs, fallen aber auch andere achsenferne Räume wie die Region um Templin hinten runter. Der Auftrag der Landesverfassung, für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen, wird also missachtet.
(Beifall BVB/FW)
Das ist natürlich schwerwiegend, aber keine Angst: Wir können heute gemeinsam dieses Vergehen an der Landesverfassung heilen und damit den betroffenen Regionen und ihren Menschen helfen, indem wir unseren vorliegenden Antrag zur Nachbesserung der ausgewiesenen Regionalen Entwicklungsachsen einfach annehmen. Denn die von der Staatskanzlei im Wirtschaftsausschuss in der letzten Woche dargelegten Kriterien für eine solche Entwicklungsachse, die über die vorhandenen Schienenverbindungen deutlich hinausgehen müssten, können allesamt mindestens im westlichen Teil des Landkreises Elbe-Elster – wahrscheinlich im ganzen Landkreis – erfüllt werden.
Eine oder mehrere Projektideen sollen vorliegen, die zur Ansiedlung von Firmen und damit zur Schaffung von Arbeitsplätzen führen. Am Schienenknotenpunkt Falkenberg/Elster ist ein Schienenlogistikzentrum geplant, und mindestens zwei Unternehmen wollen nach meiner Kenntnis auf dem vielseitig nutzbaren Eisenbahnbetriebsgelände – im Bereich der alten Gleise und der Lokschuppen – Güterverkehrslogistikzentren errichten. Zudem gibt es eine enge und koordinierte Zusammenarbeit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Region – auch mit dem Landkreis. Das heißt also, alle wesentlichen Kriterien, die die Staatskanzlei letzte Woche im Wirtschaftsausschuss angeführt hat, die für eine regionale Entwicklungsachse erforderlich sind, erfüllt diese Region.
Stimmen Sie also zu! Heilen Sie Ihren Fehler, heilen Sie den Verstoß gegen die Landesverfassung!
(Beifall BVB/FW)