Rede von Péter Vida in Textform:
Péter Vida (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Wir haben jetzt von mehreren Rednern gehört, dass die Mitbestimmung in Bernau und Oranienburg ein gutes Vorbild sei. – Es ist ein gutes Vorbild. Und es ist so gut, dass Sie es anderswo nicht haben wollen.
(Beifall BVB/FW)
Das ist die Zusammenfassung dessen, was Sie uns hier offeriert haben. Sie erklären uns, das sei durchaus orientierungswürdig, nur wollen Sie es halt nicht allen zugutekommen lassen.
Dann hat der Innenminister ausgeführt, das sei nicht durchdacht. Nun, Herr Minister, offenbar ist hier Ihrerseits keine ordentliche Vorbereitung erfolgt. Schauen Sie nach Bernau, dort gibt es eine Beteiligungssatzung eigens dafür, in der genau geregelt ist, dass es eine Stunde pro Haushalt gibt. Wenn Sie sich damit beschäftigt hätten, wüssten Sie auch, dass Anliegerbeiträge überhaupt nicht auf Mieter umgelegt werden können. Insofern stellt sich das von Ihnen aufgeworfene Problem – ein Pseudoproblem – überhaupt nicht. Aber lassen wir das.
Nun haben wir aber auch gehört: Na ja, dass es Mitbestimmung in Bernau gibt, zeigt doch, dass es bereits funktioniert. – Ja, meine Damen und Herren, auch da sind Sie nicht auf dem Stand der Dinge. Ich habe Ihnen erläutert, dass genau das heute nicht mehr funktionieren würde. Ich wiederhole es gern: Bis zum Jahr 2017, 2018 ungefähr wurden Bürgerentscheide, mit denen eine generelle Mitbestimmung eingeführt werden sollte, vom Innenministerium, von der Kommunalaufsicht, als zulässig akzeptiert. Und obwohl sich das Gesetz nicht geändert hat, hat sich die Rechtsauffassung des Innenministeriums geändert, und seitdem werden Bürgerentscheide zur Zulassung der Mitbestimmung nicht mehr für zulässig erklärt. Wo ist denn da die kommunale Selbstverwaltung, deren vermeintliches Fehlen Sie hier so heuchlerisch beweinen, meine Damen und Herren?
(Beifall BVB/FW – Bretz [CDU]: Na, na, na! Obacht!)
Sie reden von kommunaler Selbstverwaltung. Im Wege von Bürgerentscheiden wurde in Bernau und anderen Orten eine generelle Mitbestimmung durchgesetzt. Und als es zu viele Orte gemacht haben, hat sich im Ministerium auf einmal die Rechtsauffassung geändert, obwohl sich das Wahlgesetz und die Kommunalverfassung in dem Punkt überhaupt nicht geändert hatten. Da haben Sie die kommunale Selbstverwaltung nicht an Ihre Brust gedrückt. Daran sieht man, wie unehrlich das ist.
(Beifall des Abgeordneten Stefke [BVB/FW])
Die Ausführungen des Ministers, meine Damen und Herren, dass die Anwohner ja eine Kita verhindern könnten, zeigen genau den Kern des Problems. Denn wenn das Argument ist, die Straße müsse gebaut werden, weil dort eine überörtliche infrastrukturelle Einrichtung vorliege, kann für das Vorhaben nicht wie bei einer Anliegerstraße abkassiert werden. Genau das ist das Problem. Deswegen liegt unser Vorschlag auch nicht in einer pauschalen Mitbestimmung, sondern in einer Mitbestimmung da, wo der Anliegeranteil über zwei Dritteln liegt. Denn da, wo der Anliegeranteil über zwei Dritteln liegt, liegt er deswegen über zwei Dritteln, weil gesagt wird: Die Straße nutzt den Anwohnern, also sollen die Anwohner auch mitentscheiden können. – Wenn es ein überörtliches Interesse an einer Straße gibt, sollen sie nicht entscheiden. Denn natürlich kann der Anlieger nicht entscheiden, ob eine Autobahn gebaut wird – nur zahlt er auch nicht dafür. Also müssen Sie, wenn eine Straße angeblich einen solchen überörtlichen Charakter hat, den Beitrag senken und sie nicht als Anliegerstraße abrechnen.
(Beifall BVB/FW)
Meine Damen und Herren, was ich hier wirklich mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen habe, ist diese Belustigung nach dem Motto: Euer Volksbegehren ist ja gescheitert! – Meine Damen und Herren, wissen Sie, ich wünsche niemandem – auch Ihnen als eine Partei, die früher mit uns gemeinsam für eine Senkung der Hürden für Volksbegehren gekämpft hat, nicht; hier ging es gar nicht um eine Senkung der Hürden, sondern darum, dass die bestehenden Hürden unter fairen Umständen genommen werden können -, der sich hier ehrenamtlich engagiert, es unter solchen Umständen, wie wir das machen mussten, machen zu müssen. Deswegen ist diese Überheblichkeit, mit der Sie das hier vorgetragen haben, ein Schlag ins Gesicht all jener, die marschiert sind und gegen geschlossene Rathäuser anlaufen mussten. Das ist eine krasse Missachtung des Instituts des Volksbegehrens.
(Beifall BVB/FW)
Meine Damen und Herren, wenn Sie davon sprechen: „Na ja, es gibt ja das Korrektiv, Sie können den Bürgermeister dann abwählen“, dann sagen Sie mal den Bürgern in Falkensee, die einen Bescheid über 70 000 Euro Erschließungsbeitrag bekommen: „Na ja, Sie müssen erst einmal zahlen, aber können dann ja einen neuen Bürgermeister wählen.“ – Das werden die Menschen in Falkensee auch tun, und wir werden alles dafür tun, dass das so kommt.
Es ist aber kein Umgang mit den Menschen, zu sagen: In acht Jahren könnt ihr einen neuen Bürgermeister wählen, aber bis dahin müsst ihr erst einmal zahlen. – Das funktioniert so nicht, meine Damen und Herren. Das funktioniert auch nicht in Panketal, wo jetzt eine Welle von 10 000, 15 000, 20 000 Euro an Beiträgen auf die Bürger zurollt. Das hat doch mit Mitbestimmung nichts zu tun. Sie können wählen, ja, dieses Recht kann man ihnen in der Tat nicht nehmen, aber das ist doch keine Antwort zu der Sache.
Zum Abschluss möchte ich sagen, meine Damen und Herren: Wir haben nicht damit gerechnet, dass der Antrag entsprechend durchdringt. Aber eine Anmerkung sei mir noch erlaubt, denn Folgendes haben wir, hat unsere Fraktion mit Entsetzen zur Kenntnis genommen:
Es kann nicht sein, meine Damen und Herren, dass, wenn wir Kritik am Verwaltungshandeln, auch am Verwaltungshandeln mancher Hauptverwaltungsbeamten, üben, die Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission dies mit der Zwischenbemerkung quittiert, dass eine derartige Kritik – Zitat – demokratiefeindlich sei. So etwas verbitten wir uns als BVB / FREIE WÄHLER.
(Beifall BVB/FW)
Das kann doch wohl nicht wahr sein! Kritik am Verwaltungshandeln ist das Normalste der Welt in einem demokratischen Rechtsstaat. Und: Dass eine Person in dieser Funktion einer bürgerlichen Oppositionskraft Demokratiefeindlichkeit unterstellt, weil sie Kritik am Verwaltungshandeln äußert, muss an anderer Stelle grundlegend geklärt werden, meine Damen und Herren.
(Beifall BVB/FW)