Rede von Matthias Stefke in Textform:
Matthias Stefke (BVB/FW):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen und auf der Tribüne! Glaubwürdigkeit ist die wichtigste Währung in der Politik.
(Beifall BVB/FW – Zuruf des Abgeordneten Hünich [AfD])
Die Menschen erwarten, dass das, was ihnen von politischen Entscheidungsträgern versprochen oder in Aussicht gestellt wird, so auch umgesetzt oder, wenn es – anders als versprochen – nicht umgesetzt werden kann oder soll, ihnen hierfür zumindest eine plausible Erklärung gegeben wird. Beides ist zum Thema der Verlängerung der S 2 nach Rangsdorf nicht erfolgt, jedenfalls nicht von demjenigen, der das Versprechen gegeben hatte – und dabei handelt es sich um niemand Geringeren als den Herrn Ministerpräsidenten höchstselbst.
(Beifall BVB/FW)
Weder kommt die Verlängerung nach Rangsdorf, noch hat Ministerpräsident Woidke diejenigen, denen er das zu 100 % in Aussicht gestellt hatte, darüber mit einer plausiblen Erklärung informiert.
Zur Erinnerung: Er selbst hatte das anlässlich einer Feier zum 25-jährigen Jubiläum eines weltweit führenden Herstellers von Flugzeugtriebwerken in Dahlewitz am 8. Juni 2018 uneingeschränkt versprochen.
(Beifall BVB/FW sowie der Abgeordneten Walter und Büttner [DIE LINKE])
Dieses Versprechen war zunächst an die Geschäftsleitung und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Dahlewitz gerichtet, sollte aber auch ein wichtiges Signal nach London senden, da sich damals, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, die Standorte Oberursel und Dahlewitz gerade in einer besonderen Konkurrenzsituation befanden.
Nun sind wir alle so weit Profis, dass wir wissen: Im Juni 2018 befand sich wohl auch der Ministerpräsident bereits im Wahlkampfmodus. – Alles gut, so ist das nun einmal im politischen Geschäft! Aber so wie wir Profis sind, halte ich selbstverständlich auch den Ministerpräsidenten für einen politischen Profi – gerade auch deswegen, weil er seit 1994 Mitglied dieses Landtages ist und darüber hinaus vor der Übernahme des Amtes des Ministerpräsidenten im August 2013 bereits acht Jahre Regierungserfahrung im Amt als Minister für ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz bzw. für Inneres und Kommunales gesammelt hatte. Ich würde davon ausgehen, dass man sich ausgestattet mit diesem Erfahrungsschatz vor einer uneingeschränkten Zusage, dass die Verlängerung einer S-Bahnlinie – und zwar so sicher wie das Amen in der Kirche – kommt, vergewissert, ob man eine solche Zusage auch einhalten kann.
(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten Büttner [DIE LINKE])
Denn schon 2018 war vor einer Realisierung eine Nutzen-Kosten-Untersuchung, abgekürzt NKU, abzuwarten. Dieser Schritt wurde in der Feierstimmung eventuell außer Acht gelassen. Die Zusage fiel damals sogar noch großzügiger aus, weil man sich zu der Aussage hinreißen ließ, die S-Bahnverlängerung werde nicht zulasten des Ausbaus der Regionalbahn gehen.
(Vida [BVB/FW]: Aha!)
Das Wort des Ministerpräsidenten vom Juni 2018 ist bis heute in der Welt, und es wiegt doppelt schwer, weil er seine Zusage bei einem Werksbesuch 2022 wiederholt hat.
(Vida [BVB/FW]: Oh!)
Aber es wurde von unserem heutigen Minister für Infrastruktur und Landesplanung, Verkehrsminister Beermann, einkassiert, und zwar mit einem bemerkenswerten Satz – ich zitiere -:
„Wenn man es ironisch formuliert, müsste man sagen, dass dieses Projekt einen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten würde.“
Dass es so schlimm kommen kann, hatte 2018 und auch 2022 niemand auf dem Schirm, um den Ministerpräsidenten entsprechend zu sensibilisieren bzw. vor seiner geplanten Aussage – in einer schriftlich vorbereiteten Rede – zu warnen. Das erstaunt – um es einmal zurückhaltend auszudrücken. Mehr als erstaunlich ist auch, dass nun neben der negativen NKU die Aussage als Begründung herhalten muss, dass die S-Bahnverlängerung nach Rangsdorf den Wegfall des Regionalverkehrshaltes in Dahlewitz bedeute.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das bedeutet nichts anderes, als dass Blankenfelde-Mahlow, insbesondere der Ortsteil Dahlewitz, Opfer von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen aufgrund einer konzerninternen Konkurrenzsituation zwischen Deutscher Bahn und S-Bahn wird. Das kann es doch aber nicht sein!
(Beifall BVB/FW)
Noch etwas: Wir müssen angesichts extremer Baukostensteigerungen, insbesondere aufgrund der Energiekostenexplosion nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs, die Frage stellen: Kann die aktuelle Formel für eine NKU mit einem Teiler „Kosten der Infrastruktur“ noch jemals größer als 1 ausfallen? Kolleginnen und Kollegen vor mir hatten das hier schon angesprochen. Wenn diese Frage mit einem Nein beantwortet wird, leitet sich daraus die Überlegung ab: Was denn dann?
(Beifall des Abgeordneten Dr. Zeschmann [BVB/FW])
Unsere Fraktion, BVB / FREIE WÄHLER, ist der Auffassung, dass dann nicht nach Formel XY, sondern nach verkehrs- und umweltpolitischen Abwägungen entschieden werden muss. Wenn wir nicht nur mehr Güter, sondern auch mehr Menschen auf die Schiene bekommen wollen, ist das voraussichtliche Ergebnis einer solchen Abwägung absehbar und kann nur heißen: Wir bauen trotzdem und müssen dafür notfalls auch eigenes Geld in die Hand nehmen!
(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten Büttner [DIE LINKE])
Da sind wir bei dem Titel unseres gemeinsamen Antrags mit der Fraktion DIE LINKE angekommen, der da lautet: „Versprechen des Ministerpräsidenten ernst nehmen: S-Bahnverlängerung Blankenfelde-Rangsdorf nicht aufgeben“. Wir können nicht anders als hierfür um Ihre Zustimmung zu bitten. Es ist nicht unsere Aufgabe als Oppositionsfraktionen, die Glaubwürdigkeit des Ministerpräsidenten im Blick zu haben,
(Lachen des Abgeordneten Dr. Zeschmann [BVB/FW])
Ihre aber schon! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall BVB/FW und DIE LINKE)