Rede von Péter Vida in Textform:
Péter Vida (BVB/FW):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Abgeordnete! Ich leite meine Rede mit Worten ein, die in der „Märkischen Oderzeitung“ veröffentlicht wurden (Oh! bei der SPD) und man an Heiligabend 2022 – wann sonst? -, zum Beginn des Festes der Nächstenliebe, zu lesen bekam. Dort heißt es:
„[Die Klägerin] hatte bereits im Oktober dieses Jahres in einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) Recht bekommen, dass der wiederholte Hahnenschrei im Wohngebiet der Stadt gegen das Landesimmissionsschutzgesetz verstößt. Die Stadtverwaltung Müncheberg war deshalb per Beschluss verpflichtet worden, das Gesetz durchzusetzen und per Ordnungsverfügung dafür zu sorgen, dass das Tier zur Einhaltung der Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr in einem schallisolierten Stall untergebracht wird.
(Frau Wernicke [BVB/FW]: Unfassbar!)
Umgesetzt ist der Beschluss bis heute nicht.“
– Skandalös! –
„Die Stadtverwaltung – gegen deren Chefin, Bürgermeisterin Dr. Uta Barkusky, in diesem Fall eine Anzeige wegen Körperverletzung bei der Polizei liegt – will sich zu dem Fall nicht äußern.“
(Lachen des Abgeordneten Stefke [BVB/FW])
Das Zitat geht weiter:
„‚Gemäß Paragraf 6 Brandenburgisches Polizeigesetz kann auch ein Tier und somit sein Besitzer als Zustandsstörer Adressat einer polizeilichen Maßnahme sein, sofern eine Gefahr von dem Tier ausgeht.
(Heiterkeit BVB/FW sowie des Abgeordneten Dr. Berndt [AfD])
Eine Lärmbelästigung kann unter Umständen eine solche Gefahr sein‘ […]. Wenn eine gesteigerte Gefahr vorliege, könne auch von der Polizei die Wohnung – in diesem Fall [der Stall] – betreten und der Hahn sichergestellt werden.
(Beifall und Heiterkeit BVB/FW)
Geregelt werde das in den Paragrafen 23 und 25 ‚Betreten und Durchsuchung von Wohnungen‘ sowie ‚Sicherstellung‘ des Brandenburgischen Polizeigesetzes.“
(Bretz [CDU]: Ja!)
Wenn Sie diesen Text Menschen außerhalb Deutschlands vorlesen, werden sie glauben, das könne nicht real sein;
(Beifall des Abgeordneten Dr. Zeschmann [BVB/FW])
es müsse sich um eine Satire über Deutschland handeln. Doch das ist keine Satire, höchstens Realsatire überzogener deutscher Regelungswut, ganz aktuell in Brandenburg: Menschen ziehen raus aufs Land und verklagen dann auf Grundlage des Immissionsschutzgesetzes ihre neuen Nachbarn, weil ihnen der Hahn zu laut kräht oder das Schaf zu laut, zu oft blökt.
(Lachen des Abgeordneten Dr. Zeschmann [BVB/FW])
Und ja, es sind leider oft Zugezogene, die solche Klagen einreichen – so auch in Kolkwitz, wo ein Dorfladen mit regionaler Produktion von einem zugezogenen Verwaltungsbeamten faktisch lahmgelegt wurde, der in seiner steuerfinanzierten Arbeitszeit Klageschriften gegen seinen neuen Nachbarn verfasste. Nicht er wollte sich dem gewählten Wohnort anpassen, nein, alle in dem Wohnort sollten sich seinen Wünschen beugen; das reichte so weit, dass Schafe geschlachtet wurden und auf Kalträucherei umgestellt wurde, weil alles andere seine Nase zu sehr belästige.
(Lachen des Abgeordneten Dr. Zeschmann [BVB/FW])
Meine Damen und Herren! Natürlich sieht der Antrag vor, regional differenzierte Gerüche und Geräusche unter Schutz zu stellen. Ich glaube nicht – bei allem Respekt für die Kollegen Senftleben, Philipp und Hiekel -, dass die Bürger sagen: Guck mal, die Koalitionsvertreter haben im Landtag gesagt: Wir sollen uns vertragen, mit unseren Nachbarn reden, na dann klagen wir mal nicht.
(Beifall BVB/FW)
Nach dem Motto: Millionen von Menschen haben ja gesehen, dass die Abgeordneten der Koalition appellieren, es nicht zu tun. Das muss reichen.
Und so haben wir eine Landesregierung, meine Damen und Herren, die es nicht schafft, Zigtausende Menschen im Umfeld des BER vor brutalem Flugzeuglärm zu schützen, aber dafür eine Justiz, die sich damit beschäftigt, krähende Hähne wegen angeblich gesteigerter Gefahr zu verurteilen, und eine Verwaltung, die die Unterbringung in schallisolierten Ställen sicherzustellen hat. Das ist es, womit sich Verwaltung und Justiz rumplagen müssen. Im Zweifel kommt noch eine Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen eine Bürgermeisterin dazu, nur weil sie sich dem nicht unbedingt beugen will.
(Beifall BVB/FW)
Meine Damen und Herren! Die Frage ist hier aufgekommen: Wollen wir das überhaupt regeln? Nun ist in § 22 Bundes-Immissionsschutzgesetz klar geregelt: Kinderlärm ist kein Lärm. – Dort gehört das auch rein. Genau solche Regelungen wollen wir hier auch,
(Beifall BVB/FW)
und sie sind auch für ortstypische Gerüche und Geräusche möglich.
In der Anhörung ist deutlich geworden, dass die bisherigen Regelungen nicht ausreichen, denn oft liegt die Beweislast bei den Tiernutzern. Sie geben oft nach. Das Landleben verschwindet. Damit verändert sich auch die Auslegung dessen, was im Sinne des § 906 BGB ortsüblich ist. So werden zukünftige Klagen nun einmal leichter gemacht, und es entsteht dadurch ein Teufelskreis. Wer glaubt, der Paragraf im BGB reicht, liegt falsch. Die Ortsüblichkeit verändert sich aufgrund des Nachgebens der Anwohner. Dadurch verändert sich auch die Grundlage für richterliche Entscheidungen. Das würde man mit einer klaren Regelung ändern.
Im Bundesrat haben Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, SachsenAnhalt und Schleswig-Holstein dafür gestimmt. Frankreich hat solche Regeln erlassen. Und auch die Europäische Union begrüßt solche Initiativen ausdrücklich. Lasst uns daher auch in Brandenburg das schützen, was uns lieb und teuer ist, was unsere Identität ausmacht, was einfach im Alltag dazugehört – zum einen, um Justiz, Verwaltung und Polizeibehörden zu entlasten; zum anderen aber auch, um das Landleben zu bewahren, welches sonst auf lange Sicht weggeklagt wird. Das wollen wir nicht, Sie wollen es nicht. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.
(Beifall BVB/FW)