Ilona Nicklisch zum Antrag von SPD, CDU, Grüne zur „Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse“ – 22.03.2023

22. Mrz 2023

Rede von Ilona Nicklisch in Textform:

Frau Ilona Nicklisch (BVB/FW):

Sehr geehrte Vizepräsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Bürgerinnen und Bürger von Brandenburg! Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen begründet sich aus der Schieflage des deutschen Gesundheitssystems. Fachkräftemangel und Pflegenotstand haben Dimensionen angenommen, die zu immer drastischeren Mitteln greifen lassen, um das bestehende System irgendwie am Laufen zu halten. Dabei werden aber nur die Symptome, nicht die Ursachen bekämpft. Die Probleme werden ausgelagert, indem fehlendes Personal weltweit abgeworben wird. Dabei ist diese Entwicklung weder neu noch unvorhersehbar gewesen.

Schon 2010 sah sich die WHO gezwungen, einen globalen Verhaltenskodex für die internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften zu vereinbaren. Damit sollte unter anderem das ungehemmte und regelfreie Abwerben auf Kosten ärmerer Nationen eingedämmt werden. Deutschland ist ein Mitunterzeichner und wirbt seit 2012 mit staatlicher Unterstützung offensiv auch außereuropäische Fachkräfte an. Die Anzahl der ausländischen Pflegekräfte ist in den letzten Jahren rasant gestiegen: 2013 waren es noch rund 74 000 Beschäftigte ohne deutschen Pass; 2020 waren es mit 208 000 fast dreimal so viele. Mehr als die Hälfte kommt inzwischen aus Ländern außerhalb der EU.

Doch was ist die Ursache hinter dem Problem des Fachkräftemangels? Zum einen wird nicht bedarfsgerecht ausgebildet. Zum anderen haben wir das Problem der Abwanderung ausgebildeter inländischer Fachkräfte. Die Arbeitsbedingungen müssen grundlegend verbessert werden. In Deutschland ist eine Pflegekraft für zehn Patienten zuständig, in den Niederlanden hingegen nur für fünf und in Norwegen sogar nur für vier Patienten. Die steigende Arbeitsverdichtung im Gesundheitswesen hat dazu geführt, dass immer mehr einheimisches Personal ausbrennt und den Beruf an den Nagel hängt oder auswandert. Jetzt rächt es sich, dass in der Pflege seit Jahrzehnten gespart wurde und die zu erwartenden Probleme nicht bereits vor 20 Jahren angegangen worden sind.

(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten Kretschmer [DIE LINKE])

Bis 2030 fehlen bundesweit schätzungsweise 500 000 Pflegekräfte, wie jetzt schon des Öfteren gesagt wurde. Dieses Zitat der Arbeiterwohlfahrt vom April 2022 zeigt unmissverständlich auf: Allein über Zuwanderung kann das Problem nicht gelöst werden. Was es vor allem braucht, sind bessere Arbeitsbedingungen, eine angemessene Entlohnung, mehr Ausbildungsplätze und Auszubildende sowie eine größere gesellschaftliche Anerkennung.

(Beifall BVB/FW)

Wie schon in den Hochzeiten von Corona lautet das Motto: Beifallklatschen allein wird nicht helfen.

(Beifall BVB/FW – Vereinzelt Heiterkeit)

Was tun, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist? Bevor eine Reform des Gesundheitswesens, sollte sie denn überhaupt zustande kommen, ihre Wirkung entfaltet, werden noch Jahre vergehen.

Bis dahin muss das bestehende System vor dem Kollaps bewahrt werden – notfalls auch mit dem Zurückfahren von Standards und dem weiteren „Einkauf“ von Personal.

Der Entschließungsantrag der AfD verkennt die akute Notlage der Ärzteversorgung im ländlichen Raum. Dem Politikversagen der letzten Jahrzehnte ist leider nur mit drastischen Maßnahmen beizukommen. Auch wenn die Forderung nach einer bedarfsgerechten Anzahl an Ausbildungsplätzen nachvollziehbar ist, greift sie doch zu kurz.

(Beifall BVB/FW)

Dem Antrag der Koalition werden wir zustimmen; den Entschließungsantrag der AfD werden wir ablehnen. – Wir haben ja schon einmal einen ähnlichen Antrag eingebracht. Herr Schierack, damit, dass Sie unsere Forderungen aufgenommen haben, haben Sie uns eine sehr, sehr große Freude gemacht. Sie haben sogar noch ein paar Punkte hinzugefügt, deswegen können wir dazu gar nicht Nein sagen.

(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt SPD und CDU und der Abgeordneten Petra Budke [B90/GRÜNE])

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