Christine Wernicke zum Antrag von BVB/FW „Keinen weiteren Quadratmeter Wildnis im Spreewald ausweisen!“ – 10.05.2023

10. Mai 2023

Rede von Christine Wernicke in Textform:

Frau Christine Wernicke (BVB/FW):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bislang gilt die Ausweisung von Wildnisgebieten auf einer Gesamtfläche von 29 780 Hektar und damit auf etwa 1 % der Brandenburger Landesfläche als erfüllt und bestätigt. Um jedoch mindestens 2 % der Landesfläche als Wildnisgebiet auszuweisen und damit die EU-Vorgaben zu erfüllen, plant das Brandenburger Umweltministerium derzeit, weitere Flächen, unter anderem im Biosphärenreservat Spreewald, als zusätzliche Wildnisgebiete auszuweisen.

Erste Überlegungen sahen zunächst vor, ganze 1 000 Hektar im Biosphärenreservat, dem Herzstück des Spreewaldes, einschließlich des landschaftlich so wertvollen Hochwaldes, zur Wildnis zu erklären.

Doch was genau bedeutet eigentlich „Wildnis“? Wildnis heißt, dass auf diesen Flächen keine menschlichen Eingriffe mehr stattfinden dürfen. Dies betrifft unmittelbar die Jagd und die Fischerei; langfristig sollen sogar jegliches Betreten dieser Flächen sowie alle Formen der Bewirtschaftung untersagt werden. Die Nationale Biodiversitätsstrategie sieht darüber hinaus vor, innerhalb von zehn Jahren – in Ausnahmefällen innerhalb von bis zu 30 Jahren – die Infrastruktureinrichtungen der bisherigen Nutzung, welche die natürliche Entwicklung beeinträchtigen, zu entfernen. Nach 30 Jahren soll keine dauerhafte Infrastruktur für öffentliche Verkehrseinrichtungen oder Anlagen zur Schifffahrt mehr vorhanden sein.

Die grundlegende Absicht dahinter ist natürlich, die Natur zu schützen und eine ungestörte Entwicklung zu ermöglichen. Allerdings wird hierbei ein wichtiger Punkt außer Acht gelassen: Der Spreewald ist eine Kulturlandschaft, die ohne den Einfluss des Menschen nicht existieren kann.

Genau darin begründen sich auch die Befürchtungen der hier seit Generationen lebenden Menschen. Sie befürchten, dass im Falle der Ausweitung der Wildnisgebiete die notwendige Pflege der Gräben und Fließe unterbleibt. Ohne kontinuierliche Pflege der für den Spreewald so typischen Fließe und Gräben verlieren diese ihre Funktion, den Wasserstand im Gebiet zu regulieren.

(Beifall BVB/FW)

Dies führt im Ergebnis zu einem Anstieg des Wasserpegels, einhergehend mit einer Vernässung und partiellen Überflutung des empfindlichen Erlenbruchwaldes, der daraufhin sukzessive abstirbt – ein Effekt, der in den bereits seit Jahren bestehenden Wildnisgebieten im Spreewald, den sogenannten Totalreservaten, deutlich zu beobachten ist. Tote oder zumindest absterbende Bäume, so weit das Auge reicht!

Das empfindliche Ökosystem des Spreewaldes ist in diesen Bereichen bereits schwer geschädigt; denn ohne das schützende Kronendach der Bäume verlieren zahlreiche Tier- und Pflanzenarten ihren angestammten Lebensraum. Gerade seltene Vogelarten wie der Schwarzstorch oder der Eisvogel, die in diesen Arealen vormals heimisch waren, sind mittlerweile verschwunden.

Aber nicht nur die Biodiversität leidet; das gesamte Landschaftsbild nimmt Schaden. Damit gerät auch die touristische Attraktivität dieser einzigartigen Kulturlandschaft mehr und mehr in Gefahr. Es zeigt sich, dass Naturschutz in diesem Fall der Natur mehr schadet, als dass er ihr nützt. Nicht ohne Grund hat sich in der lokalen Bevölkerung in den vergangenen Monaten ein breit aufgestellter Widerstand gegen die neuerlichen Wildnispläne des Umweltministeriums formiert.

(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten Kubitzki [AfD])

Sicherlich auch in Kenntnis dieser Entwicklungen hat Umweltminister Vogel mittlerweile von seinen ursprünglichen Plänen Abstand genommen und plant vorerst nur noch 233 Hektar im Bereich des Unterspreewaldes bei Schlepzig als Wildnis auszuweisen. Bei dem betroffenen Areal handelt es sich aber ebenfalls um Landeswaldflächen mit teils bedeutenden Schwarzerlenbeständen, die bislang vom Landesforstbetrieb Brandenburg bewirtschaftet und gepflegt werden. Ein Ende der Bewirtschaftung und die mittelfristige Beendigung der kontinuierlichen Pflege von Fließen und Gräben in diesem Bereich hätten die gleichen Konsequenzen für den Waldbestand, wie es in den angrenzenden Totalreservaten bereits der Fall ist: Der Erlenwald vernässt und stirbt über kurz oder lang ab. – Das kann doch nicht im Sinne des Naturschutzes sein.

Gleichzeitig richtet sich die Sorge der Menschen vor Ort auch auf die Frage der künftigen Gewährleistung des Hochwasserschutzes; denn ohne die fortdauernde Pflege und Gewässerunterhaltung entsteht zwischen dem Groß Wasserburger Deich und dem Neu Lübbenauer Deich mit den schon vorhandenen zwei Totalreservaten ein Abschnitt im Hochwasserabflussprofil des Unterspreewaldes, in dem alle Überschwemmungsflächen nicht mehr unterhalten werden. Das heißt, dass in einem Hochwasserfall umgebrochene Bäume auftreiben, sich in Bewegung setzen und am nächsten Hindernis hängen bleiben würden. Im schlimmsten Fall setzen sich die Wehranlagen bis zum Wehr Neu Lübbenau zu und verklausen. Damit würde ein Rückstau erzeugt, der in den Gemeinden Leibsch, Neu Lübbenau, Groß Wasserburg und teilweise auch in der Gemeinde Schlepzig zu erheblichen Schäden führen könnte.

Es sollte daher im Vorfeld geprüft werden, wie sich die Wasserstände bei Hochwasserereignissen aufgrund der schon existierenden zwei Totalreservate bei Groß Wasserburg und Neu Lübbenau verhalten. Wie Sie unserem Antrag entnehmen können, soll dazu die Vorlage eines aktualisierten Hochwasserschutzkonzeptes für den Gesamtraum des Spreewaldes erfolgen.

(Beifall BVB/FW)

Fest steht: Der Schutz des Spreewaldes mit seiner einzigartigen Natur ist wichtig. Doch dazu braucht es Augenmaß, um die richtigen Maßnahmen ergreifen zu können.

(Beifall BVB/FW)

Hier zeigt sich, dass manche Vorgaben und Strategien genau das Gegenteil von dem bewirken können, was eigentlich gewollt ist. Stattdessen sollten von den Verantwortlichen – wohlgemerkt: die nicht im Spreewald leben – das Wissen und die Erfahrung der Menschen vor Ort, aber auch deren Sorgen endlich ernst genommen werden. (Beifall BVB/FW) Denn sie sind es, die sich seit jeher für den Schutz und den Erhalt dieser wundervollen Kulturlandschaft eingesetzt haben und dies auch jetzt tun. Die Ausweisung weiterer Wildnisgebiete jedenfalls trägt nicht dazu bei und stößt bei den Menschen zu Recht auf Ablehnung. Dem muss endlich Rechnung getragen werden,

(Beifall BVB/FW sowie der Abgeordneten Muxel [AfD])

indem auf die geplante Ausweisung von weiteren Wildnisgebieten in dieser Kulturlandschaft verzichtet wird. – Stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall BVB/FW)

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