Rede von Ilona Nicklisch in Textform:
Frau Nicklisch (BVB/FW):
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Liebe Schüler und Schülerinnen! Zunächst möchte ich Herrn Minister Freiberg für seine Arbeit viel Kraft, viel Weitblick und vor allem Neuorientierung wünschen.
(Beifall BVB/FW)
Bildung neu gedacht – aber wie? Das ist die Frage der Aktuellen Stunde. Unser Bildungssystem liegt am Boden, und wer sind die Leidtragenden? Unsere Kinder. Die Probleme im Bildungssystem sind gravierend und verletzen das Recht der Kinder und Jugendlichen auf bestmögliche Bildung. Denn erstens: Uns fehlt es an Kitaplätzen. Zweitens: An den Grundschulen werden Basiskompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen nicht ausreichend vermittelt. Drittens: An den weiterführenden Schulen sinkt das Bildungsniveau. Und viertens: Der Anteil der Jugendlichen ohne Schulabschluss wächst immer weiter. Durch den massiven Mangel an Lehr- und pädagogischen Kräften leidet die Qualität der Bildungsangebote an Schulen und in Kitas. Die Arbeitsbelastung steigt und schreckt künftige Nachwuchskräfte ab.
Diese Engpässe haben auch Folgen für unsere Wirtschaft: fehlende Plätze in Kitas und für Ganztagesbetreuung an Schulen. Ein weiteres Problem stellt die Finanzierung des Bildungssystems dar. Gelder werden zu oft nach dem Gießkannenprinzip verteilt, anstatt sie gezielt dort einzusetzen, wo sie am meisten gebraucht werden.
(Beifall BVB/FW)
Daher benötigt unser Bildungssystem mehrere strukturelle Maßnahmen. Unser 5- Punkte-Plan für mehr Bildungsgerechtigkeit:
Erstens: Digitalisierung. Die Digitalisierung ist ein Feld, das in den letzten zwei Jahrzehnten eine rasante Entwicklung erfahren hat. Dennoch steckt der Bereich des digitalen Lernens noch in den Kinderschuhen.
Zweitens: Lehrerausbildung. Auf wen und was kommt es in erster Linie an, wenn Kinder etwas lernen sollen? Auf unsere Lehrerinnen und Lehrer. Lehrer werden auf ihre verantwortungsvolle Aufgabe oft unzureichend vorbereitet. Ihr Studium unterscheidet sich nicht groß von dem der Nichtpädagogen. Dabei ist die Aufgabe eines Lehrers so viel mehr als nur Wissensvermittlung. Bei manchen Schülern geht es eher um elementare Erziehung als um höhere Bildung.
An dieser Stelle möchte ich einen großen Dank an alle Lehrer und Mitarbeiter an den Schulen und Kitas aussprechen. Wir schätzen Ihre Arbeit sehr!
(Beifall BVB/FW und B90/GRÜNE)
Drittens: Integration. Wie steht es um die Integration von geflüchteten Kindern im deutschen Schulsystem? Diese Frage lässt sich kaum beantworten. Keine Frage: Es ist ein Mammutprogramm, tausend Kinder und Jugendliche einzuschulen, die kein oder kaum Deutsch sprechen und auf der Flucht womöglich Traumatisches erlebt haben. Wie viele es sind, ist uns leider nicht bekannt, und es gibt auch kaum Informationen dazu.
Viertens: Schulgebäude. Zu kleine Klassen, verrottete Turnhallen, keine technische Ausstattung, nicht benutzbare Fachkabinette – immer wieder gibt es Klagen über marode Schulen. Die Kommunen sind mancherorts überfordert. Die Schulen wirken oft nicht wie eine Bildungseinrichtung, nicht wie ein Ort für modernen Unterricht: lange Flure, starre Wände, schlechte Luft, wenig Licht. Moderne Büros – gerade in den Branchen, in denen es auf Kreativität und Konzentration ankommt – sind oft freundlicher eingerichtet.
Fünftens: Schulsozialarbeiter. Unser Bildungssystem ist schlecht in der Lage, auf neue gesellschaftliche Anforderungen zu reagieren. Die Schule kann den Erziehungs- und Bildungsauftrag nicht allein erfüllen und ist auf zusätzliche Stellen wie Schulsozialarbeiter angewiesen.
(Beifall BVB/FW)
Schule ist nicht einfach ein Ort, an dem Wissen vermittelt wird. Schule ist ein Begegnungsraum, ein Raum, wo junge Menschen mit unterschiedlichem sozialen und religiösen Hintergrund zusammen lernen. Ich frage die Landesregierung – wir alle sollten uns das fragen -: Sollte ein Land wie Deutschland nicht dafür sorgen, dass alle Jugendlichen einen guten Schulabschluss erwerben, zweitens, dass alle Lehrer gute Arbeit machen können, drittens, dass alle Behinderten die bestmögliche Bildung erhalten, viertens, dass alle Kinder auch dann gefördert werden, wenn ihre Eltern dazu nicht in der Lage sind, fünftens, dass Lehrer und Schüler sich in den Schulen wohlfühlen, weil diese gut ausgestattet und in gutem Zustand sind? Ich appelliere an uns alle: Unser Bildungssystem benötigt einen Neustart.
(Beifall BVB/FW)
Präsidentin Prof. Dr. Liedtke: Ich muss Sie bitten, zum Ende zu kommen.
Frau Nicklisch (BVB/FW): Ja, ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. – Also: Lassen Sie es uns endlich anpacken. Ich habe aus der Rede von Herrn Botschafter Ron Prosor heute etwas mitgenommen. Er hat in seiner Rede gesagt: Wenn man scheitert, muss man wieder aufstehen und einen anderen Weg finden. Nur so erreicht man sein Ziel.
(Beifall BVB/FW sowie der Abgeordneten Dannenberg [DIE LINKE])