Pèter Vida zum Antrag von BVB/FW „Mitbestimmungsrecht bei der Strassenerschließung“ – 12.05.2023

12. Mai 2023

Rede von Péter Vida in Textform:

Péter Vida (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Auf vielfachen Wunsch hin ein erneuter Antrag von BVB / FREIE WÄHLER zum Themenkreis Erschließungsbeiträge,

(Heiterkeit und Beifall des Abgeordneten Dr. Zeschmann [BVB/FW])

an dieser Stelle mit einer ganz besonderen Note: Es ist nämlich unser Andreas-NoackGedenkantrag, meine Damen und Herren; er knüpft an seine weisen Worte aus einer der vorangegangenen Plenarsitzungen an. Sie wissen, dass wir als BVB / FREIE WÄHLER bei diesem Thema nicht lockerlassen. Ich weiß, dass es manche empört, manche sind genervt – aber ich bitte Sie, Ihre Genervtheit in Abwägung zu stellen.

(Zuruf des Abgeordneten Hohloch [AfD])

– Na ja, auch wenn andere genervt sind, bitte ich Sie, das mit der Betroffenheit der Bürger in Abwägung zu stellen: Was wiegt schwerer? Was ist schlimmer? Dass Sie sich mit diesem Antrag auseinandersetzen müssen? Für manche Abgeordnete ist das eine Zumutung, andere würden sagen: Das ist eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall BVB/FW)

Egal, wie man es wertet: Setzen Sie das in Relation zu dem Schicksal der Bürger, die von diesen Beiträgen betroffen sind.

In den letzten Wochen war ich auf mehreren Veranstaltungen hierzu. Ich denke an die Veranstaltung in der Gemeinde Panketal, zu der viele Bürger gekommen sind. Eine Bürgerin mit einer kleinen Rente soll 30 000 Euro bezahlen. Was sagen Sie ihr? Sagen Sie ihr, dass Sie von den Debatten genervt sind? In Falkensee konfrontierte uns jüngst eine Familie damit, dass es dort 50 000 Euro kosten soll – während die Familie gerade einen Hauskredit abbezahlt. In Königs Wusterhausen müssen horrende Beträge für völlig überdimensionierte Ausbauten gezahlt werden, und der Wahlkreisabgeordnete Scheetz erzählt ständig von der Fanpost, die er bekomme, in der Bürger angeblich sagen: Ja, ich will zahlen! – Das trägt er hier als Argument vor.

Aber nicht nur das, meine Damen und Herren – wenn diese Beiträge vor der Tür stehen, kommen die sozialdemokratischen Samariter und sagen: Das Grundstück gewinnt ja an Wert! – Wie ein solcher Wertzuwachs aussieht, können Sie in Friedersdorf bei Herzberg in Elbe-Elster sehen, wo die Bürger im Jahr 1997 Straßenausbaubeiträge gezahlt haben und bis heute auf die Vollendung der Straße warten. So sieht der Wertgewinn nach einem Vierteljahrhundert aus!

(Beifall BVB/FW)

Selbst wenn man sagt: „Na ja, in den meisten Fällen wird die Straße immerhin gebaut, wenn man dafür bezahlt hat“, ist zu beachten: Die Menschen wollen aber nicht von dort wegziehen und spekulativ darauf setzen, dass sie irgendwelche Wertsteigerungen auf dem Immobilienmarkt monetarisieren können. Die Menschen wollen stattdessen etwas ganz Exotisches tun: Sie wollen dort einfach wohnen bleiben. Deswegen kann man nicht weiter so mit dieser Thematik umgehen.

(Beifall BVB/FW)

Wir haben hierzu diverse Vorschläge eingebracht: die Eigenanteile der Bürger zu senken, die Mitbestimmung verpflichtend zu regeln, eine rechtssichere rechtliche Abgrenzung zwischen Ausbau und Erschließung vorzunehmen. – Immer hieß es: Ihr greift in die kommunale Selbstverwaltung ein! – So geschah es auch im Dezember 2022, als wir vorschlugen, in die Kommunalverfassung die Regel aufzunehmen, dass bei Anliegerstraßen die Anwohner generell befragt werden müssen. Da sagte Herr Noack von der SPD:

„Der Antrag stellt auch Beteiligungsformate – ob Einwohnerversammlung, Bürgerbegehren oder Bürgerentscheide – infrage […]. […] Die kommunale Selbstverwaltung gilt es zu stärken statt zu schwächen.“

Das heißt, der Mitbestimmungsdisruptor Noack

(Heiterkeit und Beifall BVB/FW)

sagt uns: Das Land kann die generelle Mitbestimmung gar nicht regeln; das müssen die Kommunen regeln, zum Beispiel im Wege eines Bürgerbegehrens oder eines Bürgerentscheides. – Genau das soll mit diesem Antrag ermöglicht werden. Da würde ich Sie gerne über die Historie des Umgangs mit solchen Bürgerbegehren in Brandenburg informieren:

Bis zum Jahr 2017 sah die Rechtspraxis so aus, dass bei einem Bürgerbegehren, das vorsah, dass Anliegerstraßen nur erschlossen werden, wenn die Mehrheit der beitragspflichtigen Anlieger dem zustimmt, alle Bürger der Gemeinde über diese neue Regelung entscheiden durften. So kam es auch zu dem historischen, richtungsweisenden Bürgerentscheid in Bernau im Jahr 2013, bei dem 94,6 % der Abstimmenden für eine künftige generelle Mitbestimmung votiert haben. Noch einmal ganz deutlich: Nicht die Anwohner der Straße haben das entschieden, sondern die gesamte Stadt hat entschieden, dass in Zukunft die betroffenen Anwohner entscheiden können. Das war die Rechtspraxis; diese Bürgerbegehren wurden auch zugelassen.

Als die Bürgerbegehren jedoch „überhandnahmen“ und zu viele Kommunen das gemacht haben, hat das Innenministerium unter dem Vorgänger von Herrn Minister Stübgen die Rechtspraxis geändert,

Zwischenruf eines anderen Abgeordneten (Frage und Name darf aus protokollarischen Gründen nicht hier erscheinen.)

weil es erkannt hat, dass solche Bürgerbegehren auf einmal nicht mehr möglich sind. In Werneuchen und Schöneiche beispielsweise wurden Bürgerbegehren mit dem gleichen Inhalt für unzulässig erklärt und wurden damit Bürgerentscheide verhindert. Das heißt, diejenigen, die sagen: „Ihr könnt keine generelle Mitbestimmung machen, weil das eine Landesentscheidung zulasten der Kommunen wäre“, müssten jetzt erst recht sagen: Wie kann es sein, dass eine kommunale Entscheidung der Bürger von der Unzulässigkeitserklärung einer unteren Landesbehörde, nämlich der Kommunalaufsicht, überlagert wird?

(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten Freiherr von Lützow [AfD])

Das ist genau das Gegenteil von kommunaler Selbstverwaltung, welche Sie doch zu loben vorgeben.

Bevor der Einwand „Es kann doch nicht sein, dass die Anwohner entscheiden allein!“ kommt: Nein, diese Bürgerbegehren haben zum Inhalt, dass die gesamte Stadt darüber entscheidet, eine neue Regelung für die gesamte Stadt zu erlassen, nach der die Anwohner entscheiden sollen. Alle Bürger entscheiden darüber, dass in Zukunft in der Stadt eine neue Regelung gilt – das ist ein klassisches Bürgerbegehren.

Welches Bürgerbegehren will denn Herr Noack im Dezember 2022 zum Thema Mitbestimmung gemeint haben? Ich erinnere an das Zitat – Stichwort: Beteiligungsformate wie Bürgerbegehren, Bürgerentscheide. Sagen Sie uns doch bitte, in welchem Bereich der Anliegererschließungsbeiträge derzeit Bürgerbegehren bzw. Bürgerentscheide in Brandenburg zulässig sind. Dieser Bereich wäre möglich, aktuell ist er nicht möglich. Stattdessen entscheiden die Bürger per Grundsatzbeschluss, wie es auch in Bernau gemacht wurde, wo das übrigens sehr erfolgreich praktiziert wurde und wird.

Meine Damen und Herren, ich finde es auch schade, wenn bei solchen Beträgen immer so geschmunzelt wird. Ich wünsche Ihnen wirklich, dass sie einmal bei einer solchen Veranstaltung mit den Bürgern – den Familien, den Rentnern – ins Gespräch kommen, die vor diesen horrenden Summen stehen und von manchem SPD- und Grünen-Vertreter in den Kommunen zu hören bekommen: Dann müssen Sie eben Teile Ihres Grundstücks verkaufen, müssen Sie es teilen. Das gewinnt ja auch an Wert. – Das ist doch kein Umgang, meine Damen und Herren. Das kann es nicht sein!

(Beifall BVB/FW)

Die soziale Betroffenheit der Bürger ist gerade jetzt groß. Gerade jetzt, wo wir diese Beiträge haben, ist doch klar, dass Not besteht und wir etwas ändern müssen.

Wir haben nun vernommen, dass Sie diese Beiträge nicht abschaffen wollen. Diese Überzeugung werden wir innerhalb dieser Wahlperiode zumindest bei Ihnen nicht mehr ändern, aber lassen Sie in dieser Situation doch wenigstens die Bürger in Gemeinschaft darüber entscheiden, wer die Entscheidung zu treffen hat, ob solche Maßnahmen ergriffen werden oder eben nicht.

(Beifall BVB/FW)

Das ändert nichts an der Einnahmesituation der Kommunen. Es erhöht aber die Akzeptanz von Verwaltungshandeln. Es ändert auch nichts an der fiskalischen Situation der Gemeinde.

Lassen Sie Bürgerentscheide zu, stärken Sie damit auch ehrenamtliches Engagement und sorgen Sie dafür, dass derjenige, der bezahlt – die Bürger -, auch ein Mitspracherecht in der Frage hat, ob die Belastung als angemessen angesehen wird oder nicht. Stärken Sie kommunale Beteiligungsformate! Hören Sie nicht auf mich; hören Sie auf Herrn Noack, der im Dezember genau das gefordert hat. Ich glaube, es ist eigentlich noch nicht so viel Zeit seitdem vergangen, dass eine Hundertachtziggradwende eingetreten sein kann, wie wir sie jetzt gleich hören werden.

(Heiterkeit und Beifall BVB/FW)

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