Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Dr. Philip Zeschmann (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ganz ehrlich: Ich hätte mir hier wirklich eine fachlich fundierte, konstruktive Diskussion gewünscht. Wie sollen wir denn bitte schön unser Verfassungsgebot, dass gleichwertige Lebensbedingungen und Lebensverhältnisse in allen Räumen des Landes Brandenburg verwirklicht werden können, umsetzen, und wie kann Mobilität auch ohne das Auto, also die Daseinsvorsorge im Bereich Mobilität, umgesetzt werden? Da muss ich leider sagen: Totalausfall. Ich habe von Ihnen diesbezüglich gar nichts gehört.
(Zuruf der Abgeordneten Walter-Mundt [CDU])
Sie haben nur Ihre Stereotype der letzten Monate und Jahre erzählt. Ich versuche jetzt, das im Einzelnen noch einmal abzuarbeiten.
Herr Münschke, Sie haben uns Populismus vorgeworfen, weil wir hier gesagt haben: Wir wollen Mobilität bis zum letzten Bauernhof. – Tut mir leid, dann haben Sie den Antrag entweder nicht gelesen oder ihn nicht verstanden, denn niemand – auch wir nicht -, hat jemals gefordert, dass feste Buslinien alle 30 oder 60 Minuten auf die Dörfer fahren. Nein, das wäre verrückt, das können wir weder finanziell leisten, noch gibt es hierfür Busfahrer. Wir haben stattdessen gesagt: On-Demand-Verkehr. – Ich übersetze das einmal, da das anscheinend nicht verstanden wurde: Dabei geht es um Bedarfsverkehre. Wenn jemand auf seinem Handy der App sagt, er möchte um 12.30 Uhr abgeholt werden, wird er abgeholt. Dann wird er zur Hauptlinie, zur Expressbuslinie oder – sofern vorhanden – zur Schienenverbindung gebracht, die natürlich in hohem Takt fahren muss, damit er schnell nach Berlin oder ins entsprechende Mittelzentrum kommen kann, um dort seine Aufgaben zu erledigen,
(Beifall BVB/FW – Zuruf des Abgeordneten Münschke [AfD])
zur Arbeit zu kommen, einzukaufen, zum Arzt zu gehen usw. Der Witz ist: Er kommt genauso zurück. Auch die alte Dame mit den Einkaufstaschen wird wieder zurückgebracht. – Jetzt sagen Sie, dass es hier ein Problem mit den Fahrern gebe. Da muss ich Ihnen leider sagen: Das stimmt so nicht, denn die Bedarfsverkehre sind Fahrzeuge mit bis zu neun Sitzplätzen. Hier brauche ich keine Busfahrer mit Busfahrerlizenz, sondern lediglich Fahrer mit einer anderen, einer kleineren Lizenz.
(Zuruf des Abgeordneten Wernitz [SPD])
Die Erfahrungen mit Pilotprojekten wie dem Dalli-Busverkehr zeigen: Hier gibt es ausreichend Fahrer. – Das ist also kein Problem.
Dann haben Sie uns vorgeworfen, es gebe keine Fahrer. Wir haben hinsichtlich des Schienenpersonennahverkehrs gesagt: mit den nächsten Ausschreibungen. – Herr Rostock, wir haben nicht gesagt, dass das sofort geschehen muss. Mir ist klar, dass verschiedene Ausschreibungen gelaufen sind. Wir haben geschrieben – wer der deutschen Sprache mächtig ist und lesen kann, ist im Vorteil -: mit den nächsten Ausschreibungen. – Das steht da – nichts anderes. Wenn Sie hier kritisieren, dass all das, was wir hier tun, nicht möglich sei, dann freue ich mich auf Ihre Vorschläge, wie Mobilität für alle ohne das Auto endlich zu verwirklichen ist. Ich habe nichts davon gehört.
(Beifall BVB/FW)
Frau Walter-Mundt, ich bin Ihnen zutiefst dankbar, dass Sie zum gefühlt 527- millionsten Mal den Werbeblock zur Ausweitung des Schienenpersonennahverkehrs bzw. der Fahrkilometer durch die letzte Ausschreibung – den ansonsten Herr Minister und dann Herr Staatssekretär gebetsmühlenartig abspielen – noch einmal abgespult haben. Ich habe das über mich ergehen lassen. Ich frage Sie aber: Wie passt es mit der Einstellung der RB 63 und der drohenden Einstellung der RB 73 und der RB 74 zusammen, wenn Sie sagen, es werde alles besser, es werde ausgeweitet, es werde schneller?
(Beifall BVB/FW – Frau Walter-Mundt [CDU]: Ich habe es angeboten! – Rostock [B90/GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht!)
Vizepräsidentin Richstein: Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Dr. Zeschmann (BVB/FW):
Nein. -Dann haben Sie ausgeführt, das i2030-Projekt würde hier große Hilfe leisten und hätte uns enorm vorangebracht. Ich stelle noch einmal klar: Das läuft seit fünfeinhalb Jahren, und passiert ist nichts, zumindest nichts für die Bürgerinnen und Bürger Wahrnehmbares. Aus meiner Sicht ist i2030 – zumindest bisher – ein Rohrkrepierer und hat uns nicht vorangebracht.
Dann haben Sie angesprochen, Best Practices einzuführen und den Dalli-Bus auszuwerten. Genau das schlagen wir vor und natürlich auch, die verschiedenen Best Practices in ganz Deutschland anzuschauen und auszuwerten, um allen kreislichen Busverkehren bzw. allen für die Mobilität Zuständigen die optimale Lösung an die Hand zu geben, denn es herrscht ja kommunale Selbstverwaltung.
(Frau Walter-Mundt [CDU]: Ach! – Rostock [B90/GRÜNE]: Ach, ach!)
– Ja, das haben wir reingeschrieben, deswegen steht das so drin: Auswertung der Verkehre, und die optimalen Lösungen sollen ihnen an die Hand gegeben werden, und sie sollen entscheiden, welche Variante – die Bedarfsverkehrsmodelle unterscheiden sich ja nur geringfügig – sie annehmen wollen.
Die Frage hatte ich zwar schon gestellt: Warum stellen Sie immer die Umsetzung des verfassungsrechtlichen Gebots der gleichwertigen Lebensverhältnisse infrage ? Das verstehe ich nicht, und ich fände es schön, wenn es darauf einmal eine Antwort gäbe und Sie die Menschen in ländlichen Räumen nicht immer vertrösteten.
(Rostock [B90/GRÜNE]: Stellen Sie gute Anträge!)
Dann haben Sie noch gesagt: Die Abschaffung der Buslinien, die ich angesprochen habe, werde Verkehr abschaffen. – Nein, das Gegenteil ist der Fall. Die Abschaffung der Buslinien, die nur noch alle zwei, drei oder vier Stunden fahren – für die Menschen also kein attraktives Mobilitätsangebot darstellen, um vom Auto umzusteigen -, werden durch On-Demand-Verkehre ersetzt. Deswegen ist ja jeder Bauernhof erreichbar, und nur so ist es finanzierbar.
(Beifall BVB/FW)
Wenn ich die Busverkehrslinien, die wir jetzt haben, allesamt so erhalte und zusätzlichen On-Demand-Verkehr in der Fläche einführen will, ist das natürlich finanziell nicht wirklich möglich.
Herr Büttner ist darauf eingegangen, dass wir erst einmal Begegnungsstellen ausbauen müssten. Ich habe mir dazu aufgeschrieben, dass wir in diesem Haus hierzu diverse Anträge hatten: zweigleisiger Ausbau, Brückenneubau, Elektrifizierung insbesondere der S-Bahn-Außenäste – Stichwort i2030. All das haben Sie abgelehnt. Das verstehe ich nicht. Einerseits werfen Sie uns das vor, andererseits lehnen Sie die Anträge, die wir hierzu eingebracht haben, ab. Das passt nicht zusammen.
(Beifall BVB/FW)
Anscheinend wurde es einfach nicht verstanden: Diese On-Demand-Verkehre – ich übersetze es noch einmal: diese Bedarfsverkehre – fahren nicht einmal pro Stunde oder alle 30 Minuten, sondern nur, wenn die Bürgerinnen und Bürger sie einfordern.
(Zuruf des Abgeordneten Lakenmacher [CDU])
Das ist die Chance, die ländlichen Räume endlich anzubinden und zu erschließen.
(Wernitz [SPD]: Nein, das ist falsch!)
Herr Rostock – das muss ich noch einmal sagen -, Sie sind darauf eingegangen und haben gesagt, wir machten hier standardisierte Vorgaben und müssten die Taktfrequenz beim RE 1 reduzieren. Das ist nun wirklich Unsinn – Unsinn!
(Beifall BVB/FW – Rostock [B90/GRÜNE]: So steht es im Antrag!)
Wir haben geschrieben, das sei „mindestens im Stunden- oder Halbstundentakt zu realisieren“. Natürlich muss das Rückgrat des ÖV-Systems, also die Schienenpersonennahverkehrsverbindungen – im Idealfall auch die Expressbusse -, noch öfter fahren – das ist doch gar keine Frage -, denn ich will ja, dass der Mensch, der vom Bauernhof an die Linie, an den Bedarfsverkehr, an den Bahnhof gebracht wird, dort möglichst schnell wegkommt und möglichst keine lange Warte- und Umsteigezeit hat. Das ist doch selbstverständlich.
(Beifall BVB/FW – Lakenmacher [CDU]: Das habe ich jetzt nicht verstanden! – Allgemeine Unruhe)
Wir können mit diesen Modellen – ich bedauere sehr, dass Sie es entweder nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen – erstmals – das muss man dreimal unterstreichen: erstmals! – überall, im ganzen Land, Mobilität bis zum letzten Bauernhof ermöglichen und das zugleich finanzierbar gestalten. Das ist der Knackpunkt: Es wurde uns vorgeworfen, wir forderten mehr Geld. – Nein, tun wir nicht! Wir fordern nur die Umstellung.
(Anhaltende Unruhe)
Vizepräsidentin Richstein:
Meine Damen und Herren, könnten Sie bitte Ihre Zwiegespräche einstellen?
(Rüter [SPD]: Machen wir!)
Dr. Zeschmann (BVB/FW):
Zum Abschluss gehe ich noch kurz auf Herrn Rostocks Aussage ein: Sie haben einerseits gesagt, all das sei so nicht möglich, andererseits, all das machten Sie schon. – Sie haben gesagt, es gebe schon Pilotprojekte, es sei in den Achsenzwischenräumen mit den PlusBussen schon ganz viel auf den Weg gebracht. Dann haben Sie es leider auch nicht verstanden, denn PlusBusse sind Verbindungslinien im Sinne von Expressbuslinien, zu denen die On-DemandVerkehre führen müssen, wenn keine Schiene vorhanden ist.
(Anhaltende Unruhe)
Was denn nun? Sie haben uns erst vorgeworfen, es gehe alles nicht, es sei nicht finanzierbar, dann sagen Sie: Sie machen alles schon. – Beides geht nicht.
(Beifall BVB/FW)
Wie gesagt: Ich freue mich nach wie vor über Ihre Vorschläge und wünschte mir für die Menschen in Brandenburg – insbesondere in den ländlichen Räumen – sehr, dass alle, die hier geredet haben, auch einmal eigene Vorschläge zur Frage machten: Wie schaffen wir es, Mobilität bis zum letzten Bauernhof, also überall in Brandenburg, zu realisieren
(Zuruf)
und gleichzeitig zu finanzieren? – Wir sind zutiefst davon überzeigt – das zeigen die Pilotprojekte wie der Dalli-Bus -, dass das geht. Deswegen werden wir im Landkreis Oder-Spree den Dalli-Bus hoffentlich bald – sehr zeitnah – über unseren Nahverkehrsplan auf den gesamten Landkreis ausdehnen. Wenn das in Brandenburg insgesamt bisher von Ihnen nicht gewünscht wird …
Vizepräsidentin Richstein: Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Dr. Zeschmann (BVB/FW):
… – letzter Satz -, dann demonstrieren wir Ihnen gern, wie das funktioniert. Und ich freue mich schon zu sehen, dass Sie das dann übernehmen wollen.