Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Dr. Philip Zeschmann (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich über die lebhafte Diskussion. Ganz ehrlich: Ich hatte ja nicht unbedingt erwartet, dass alles sofort Zustimmung findet – das ist klar -, aber ich finde die Diskussion, ehrlich gesagt, auch traurig. Mit allen Mitteln wird alles Vernünftige und Zielorientierte von Ihnen auseinandergenommen. Dann wird uns vorgeworfen, wir hätten keine Lernkurve hinter uns usw. Ich nehme das jetzt mal nicht persönlich.
(Zurufe der Abgeordneten Noack und Wernitz [SPD])
Ich muss vielleicht doch noch einmal auf einige Redebeiträge zurückkommen. Sie, werte Kollegen der Koalitionsfraktionen, regieren seit fast vier Jahren. Sie haben in Ihren Koalitionsvertrag das Ziel aufgenommen: 60 % Modal-Split-Anteil des Umweltverbundes. Sie wollen Ihre sogenannte Verkehrswende voranbringen.
Dann muss ich jetzt doch sehr deutlich zurückfragen: Welche konkreten Vorschläge, welche geprüften Vorschläge – Herr Rostock, das haben Sie ja hervorgehoben -, die unter Beteiligung der Kommunen in den jeweiligen Regionen entstanden sind, haben Sie denn in den vergangenen vier Jahren unterbreitet?
(Beifall BVB/FW – Heiterkeit des Abgeordneten Vida [BVB/FW])
Auch heute habe ich nicht einen einzigen Vorschlag gehört, wie die Mobilität auch ohne das Auto insbesondere in den ländlichen Räumen wirklich verbessert werden kann. Ich habe keinen gehört.
Ich kenne lediglich PlusBus-Linien, die vor Jahren eingeführt wurden und die in bestimmten Regionen anfangen, Querverbindungen zu realisieren. Wir sagen: Dort wo keine Bahnlinien realisiert werden können, sollen Expressbuslinien die Querverbindungen verwirklichen und auf den jetzigen PlusBus-Linien aufbauen.
(Beifall des Abgeordneten Stefke [BVB/FW])
Zu dem anderen Antrag frage ich auch Sie von den Regierungsfraktionen, die Sie seit fast vier Jahren regieren, nach Ihren Vorschlägen: Wie sollen die Stadt-Umland- Verkehre – vor allem die auf den Pendler-Relationen; wir sprachen von 311 000 Pendlern pro Werktag – verbessert und attraktiver gestaltet werden? Ich kenne keine Vorschläge von Ihnen. Sie sagen immer nur, was angeblich alles nicht geht. Ich sage Ihnen, wie es möglich ist, zum Beispiel, wie gesagt, durch die Nutzung der Gleise, die durch Berlin führen und die heute auch für den Güterverkehr genutzt werden; möglich ist die Verbindung durch Weichen und Überführungskurven. Das sagen auch die Fachleute des Bündnisses Schiene Berlin-Brandenburg.
Vielleicht noch ein kleiner Hinweis: Mir ist durchaus bekannt, dass die zwei durch Berlin führenden Ost-West-Hauptgleise überlastet sind. Das haben wir schon nach Ausdehnung der Taktfrequenz des RE 1 zum 10. Dezember letzten Jahres – damals ist der Takt umgestellt worden – bemerkt. Deswegen kann man natürlich auch darüber nachdenken, die aus dem Umland kommenden Regio-S-Bahnen immer nur bis zum ersten Umsteigebahnhof in Berlin fahren zu lassen; das wäre auch noch eine Lösung.
Wie gesagt, ich könnte Sie mit Ihrer Kritik ja verstehen, wenn Sie in den vergangenen Jahren irgendeinen konkreten Vorschlag gemacht hätten, um diese ganzen Probleme zu lösen und Ihre Verkehrswende zu realisieren, oder wenn Sie irgendwelche konkreten Punkte vorgeschlagen hätten, um den Modal-Split-Anteil von 60 % zu erreichen.
Sie wissen ja, dass der Anteil sogar noch gesunken ist.
(Beifall BVB/FW)
Das ist wirklich traurig. Ich finde es einfach schade, dass Sie die Vorschläge, die wirklich von Bahnfachleuten kommen, die wir auch unter Hinzuziehung des Landesnahverkehrsplans – den wir ja nicht ausgeblendet haben – aufgreifen, einfach so in Grund und Boden stampfen und nichts, aber auch gar nichts Konkretes bringen.
(Beifall BVB/FW)
Bitte erzählen Sie mir jetzt nicht wieder etwas vom Projekt i2030 und von der Ausweitung der bestellten Verkehrsleistung auf den wenigen verbliebenen RE- Achsen. Das kann ich nicht mehr hören. Das sagen Sie gebetsmühlenartig. Das hören wir jetzt seit zwei bis drei Jahren. Verbessert hat sich an den Strukturen überhaupt nichts, weder im Pendlerverkehr noch in den ländlichen Regionen.
Frau Vandre hat noch etwas davon erzählt, dass das alles rechtlich und verkehrstechnisch nicht umzusetzen sei. Sie hat aber nicht erklärt, wo das rechtliche Problem liegt. Deswegen kann ich darauf nicht wirklich im Detail eingehen. Zur Überlastung der Stadtbahn habe ich jetzt schon mehrmals Ausführungen gemacht.
Bei den Reaktivierungsstrecken, bei den Problemen bezüglich der Studien und dessen, was da ausgebaut wurde, haben Sie uns vorgeworfen, wir würden jetzt aufwachen und das Thema erstmals ansprechen. Da hat Herr Vida schon auf die RB 63 und die Diskussion zur RB 73/74 hingewiesen. Das ist also völliger Unsinn. Wir bearbeiten das Thema schon seit vielen Jahren.
Resümee: Ich bin sehr traurig und enttäuscht, dass es die Koalitionsfraktionen leider offensichtlich mit ihrem eigenen Ziel aus dem Koalitionsvertrag in keiner Weise ernst meinen, dass Sie keinerlei Vorschläge unterbreiten, um die Probleme zu lösen, um das ganze Verkehrssystem zu verbessern. Im ländlichen Raum haben wir nun schon oftmals versucht, gleichwertige Lebensverhältnisse für die Menschen auch im Bereich Mobilität herzustellen – das ist Ihnen auch völlig egal. Das ist leider das traurige Resümee dieser Debatte.