Philip Zeschmann 1. Redebeitrag zum Antrag von BVB/FW „Kostenloses Schülerticket“ – 20.09.2023

20. Sep 2023

Rede von Philip Zeschmann in Textform:

Dr. Philip Zeschmann (BVB/FW):

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Das Ziel muss doch eigentlich sein, dass alle Schülerinnen und Schüler das gleiche Ticket für die Beförderung erhalten, denn es kann nicht sein, dass es vom Zufall, wo sie wohnen und ihre Eltern wohnen, abhängt, ob sie ein günstiges Schülerticket kriegen, gar kein Schülerticket kriegen oder ein kostenfreies Schülerticket kriegen.

(Beifall BVB/FW)

Gleichartige Lebensbedingungen auch für unsere Schülerinnen und Schüler, kann ich nur ausrufen.

Wie ist die Situation in Brandenburg? Wir haben hier ganz verschiedene Regelungen. Sie wissen, dass die Schülerbeförderung aktuell eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung der Landkreise und kreisfreien Städte ist, und dass das Bildungsministerium und auch der Landtag hier keine definitiven Vorgaben machen können. Dass wir das berücksichtigen, unterscheidet unseren Antrag – wenn Sie ihn richtig gelesen haben – von den anderen Anträgen, die hierzu jetzt noch eingebracht worden sind.

Weil die Situation so ist, sorgen die Landkreise für die Organisation der Schülerbeförderung – und sie haben verschiedene Tarifmodelle. Die Situation in Brandenburg ist – kurz gefasst – so, dass es zum Beispiel Landkreise gibt, die die Fahrt zur Schule und zurück mit Mindestanforderungen kostenlos gemacht haben. Das sind Elbe-Elster, Oder-Spree, Prignitz und Teltow-Fläming. In Märkisch-Oderland gibt es das auch, aber mit einem Eigenanteil der Eltern.

Dann gibt es Landkreise, die die Fahrt zur Schule und zurück – nicht mehr – auch ohne Mindestanforderungen, also ohne bestimmte Entfernung der Wohnorte der Schülerinnen und Schüler von der Schule, kostenlos gemacht haben. Das sind Barnim, Ostprignitz-Ruppin, Potsdam-Mittelmark und Spree-Neiße.

Dann gibt es einen Landkreis, der 24/7 – also die ganze Zeit über – ein kostenloses Ticket zur Verfügung stellt. Das ist die Uckermark, die – sehr vorbildlich – ab dem Schuljahr 2023/2024 landkreisweit ein kostenloses Schülerticket zur Verfügung stellt. Und dann gibt es Landkreise, die mit dem Deutschlandticket arbeiten. Dazu gehört Oberhavel mit einer Zuzahlung von 9 Euro. Ostprignitz plant die Einführung des 49- Euro-Tickets für alle Schülerinnen und Schüler.

(Keller [SPD]: Sehen Sie, es geht voran!)

Die kreisfreien Städte, Herr Keller, haben alle einen ermäßigten VBB-Tarif, die haben gar kein konkretes Schülerticket, sprich: Da müssen die Eltern alle ein reguläres VBBTicket kaufen. Das bedeutet: Für den größten Teil unserer Schülerinnen und Schüler ist nur die Fahrt zur Schule und zurück kostenfrei. – Herr Keller, es wäre toll, wenn Sie zuhören würden. Dann können Sie auch mitreden.

(Keller [SPD]: Aber Herr Vida …!)

– Jaja. – Dieses Schülerticket bringt aber nichts. Wir hatten Gespräche mit den Jugendbeiräten, und die haben uns klar und deutlich gesagt: Die Jugendlichen sind für ihre gesamte Mobilität auf den ÖPNV angewiesen, auch nachmittags bei Fahrten zum Sportverein, zur Musikschule und zu anderen Veranstaltungen – auch beim offenen Ganztagsunterricht. Sie sind darauf angewiesen, weil sie sonst nur das Fahrrad haben.

(Beifall BVB/FW)

Und in ländlichen Regionen haben wir oft nicht einmal Radwege, schon gar nicht beleuchtete. Das heißt: Wir brauchen eine Mobilität für unsere Schülerinnen und Schüler an sieben Tagen in der Woche, auch in den Sommerferien.

(Beifall des Abgeordneten Stefke [BVB/FW])

Herr Keller, weil Sie so aufmerksam zuhören, haben Sie die Übersicht eben wahrgenommen. Ich kann für Sie nur noch einmal festhalten, dass wir hier ein Durcheinander haben – man muss sagen: Wildwuchs -, denn in jedem Landkreis ist es anders.

(Keller [SPD]: Kommunale Selbstverwaltung!)

Es ist also vom Zufall abhängig, davon, wo die Schülerinnen und Schüler wohnen, ob sie Unterstützung oder ein kostenloses Ticket bekommen, ob sie zuzahlen müssen oder gar nichts kriegen.

(Keller [SPD]: Föderalismus – nicht aufgepasst!)

Im Vergleich der Bundesländer – das will ich im Einzelnen jetzt nicht ausführen, dafür fehlt mir die Zeit – steht Brandenburg ziemlich bescheiden da. Das kann ich Ihnen sagen.

(Keller [SPD]: Das stimmt nicht!)

Die Mehrheit der Bundesländer hat, auch nach Aussage der „Lausitzer Rundschau“ vom 17. Juli – wir haben das nachrecherchiert, ich könnte Ihnen das alles einzeln runterbeten, das will ich jetzt nicht tun -, ein kostenloses Schülerticket. Berlin zum Beispiel, das im Zentrum von Brandenburg liegt, hat ein kostenloses Ticket für den Tarifbereich AB. Das gilt seit 2019 – für null Euro – auch in der Freizeit, auch am Wochenende und auch in den Ferien. – Ich dachte immer, die Sozialdemokraten wären sozial eingestellt.

Vizepräsident Galau:

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Frage Ihres Fraktionschefs zu?

Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Natürlich, gerne.

Vizepräsident Galau: Bitte schön, Herr Vida.

Vida (BVB/FW):

Sehr geehrter Kollege Zeschmann, der Fraktionsvorsitzende der SPD hat ja dazwischengerufen, dass es Ausdruck kommunaler Selbstverwaltung sei, wenn manche der Landkreise kein oder nur ein eingeschränktes Ticket für die Schüler haben. – Teilen Sie diese Einschätzung, dass es Ausdruck kommunaler Selbstverwaltung ist, wenn es kein oder nur ein kaum nutzbares Schülerticket gibt? Teilen Sie auch die Auffassung des Fraktionsvorsitzenden der SPD, dass man gegenüber den Schülern sehr gut damit argumentieren kann, dass das Nichtvorhandensein eines Tickets Ausdruck der hochwertigen kommunalen Selbstverwaltung ist? Könnte das ein Argument sein, die Versorgungsqualität in diesem Bereich zu loben – wenn schon nicht mit Hinweis auf ein Ticket, dann mit dem auf die kommunale Selbstverwaltung? Ist das etwas, das Sie so teilen würden?

Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Ich danke Ihnen für die Übersetzung, denn ich kann ja nicht hören, was Sie sich da gegenseitig an den Kopf werfen.

Herr Keller, ich nehme also zur Kenntnis, dass Sie als Fraktionsvorsitzender der SPD keine gleichwertigen Bedingungen für alle Schüler im ganzen Land Brandenburg wollen. Und ich nehme zur Kenntnis, dass das, was in der SPD früher einmal selbstverständlich war, nämlich dass Schülerinnen und Schüler mobil sind – kostenlos, auch am Wochenende und vor allem in den Ferien,

(Beifall des Abgeordneten Vida [BVB/FW])

denn da hieß es immer: Diejenigen, deren Eltern keinen Urlaub bezahlen können, sollen nicht doppelt bestraft werden und wenigstens in den Ferien noch mobil sein können, wenn sie schon zu Hause bleiben müssen -, heute nicht mehr gilt. Das finde ich interessant.

(Vida [BVB/FW]: Eine klare Antwort auf eine klare Frage!)

Vizepräsident Galau:

Herr Abgeordneter, lassen Sie noch eine Zwischenfrage zu?

Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Aber gern, natürlich.

Vizepräsident Galau: Aber bitte eine Frage, kein Zwiegespräch.

Fragen eines anderen Abgeordneten: (Frage und Name darf aus protokollarischen Gründen nicht hier erscheinen.)

Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Also Entschuldigung, ich muss mich jetzt beherrschen, dass ich nicht anfange zu lachen. Also ich weiß nicht, welche Konsummittel Sie zu sich genommen haben, dass Sie behaupten, in unserem Antrag stehe …

(Oh! bei der SPD)

Vizepräsident Galau: Herr Dr. Zeschmann, das steht Ihnen nicht zu. Bleiben Sie bitte bei der Sache.

Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Gut, Entschuldigung. – Aber ich frage mich schon, wo Sie in unserem Antrag gelesen haben, dass wir eine zentrale Schulentwicklungsplanung wollen, denn das steht da mit keinem Wort drin.

(Keller [SPD]: Das war in einem Ihrer Anträge im vorletzten Plenum!)

Das ist grober Unfug. Wir achten selbstverständlich die kommunale Selbstverwaltung. Wir sagen aber: Gleiche Lebensbedingungen für alle Schülerinnen und Schüler, ein kostenloses Ticket auch an den Wochenenden und in den Ferien!

(Zuruf des Abgeordneten Keller [SPD])

Das ist auch ein soziales Gebot. Und wir sagen in unserem Antrag sehr genau – es wäre schön, wenn jemand ihn gelesen hätte; Herr Keller, Sie reden schon wieder dazwischen -: Es soll erst einmal untersucht werden, was genau wie möglich ist. Wir haben drei Varianten aufgeführt, wie es umgesetzt werden kann. Und wir wollen den Landkreisen auch nicht sagen: Ihr müsst das machen! – Das geht ja gar nicht, nein.

(Keller [SPD]: Aha!)

Wir wollen ein einheitliches Modell dazu entwickeln, was möglich und finanzierbar ist, und ihnen dann über die ÖPNV-Finanzierungsverordnung einen Anreiz geben. Darin steht nämlich jetzt schon, dass die Landkreise vom Land Geld für die Schülerbeförderung bekommen. Und dann könnte man ja vernünftigerweise sagen: Ihr bekommt dieses Geld nur noch bzw. ein bisschen mehr Geld, wenn ihr genau dieses sinnvolle, einheitliche, vorher abgeprüfte, finanzierbare, vernünftige Schülerticket einführt.

(Beifall BVB/FW)

Ich versuche, zu meiner Rede zurückzukommen, wenigstens kurz. Ich war beim Bundesländervergleich. Die meisten Bundesländer haben ein solches Ticket. Manche haben ein 29-Euro-Ticket; Berlin hat wie gesagt ein 0-Euro-Ticket; Hessen und BadenWürttemberg haben ein 365-Euro-Ticket für das ganze Jahr, also auch in den Ferien gültig; Bayern will ein 29-Euro-Ticket einführen; in Bremen gibt es bereits ein 49-EuroTicket; und im Saarland soll es eine Zufinanzierung geben, damit das 49-Euro-Ticket allen angeboten werden kann.

Man kann also festhalten, Herr Keller und liebe Koalitionsfraktionen – die anscheinend ohne Wissenshintergrund ununterbrochen reden -: Es gibt in Brandenburg einen Nachholbedarf, wenigstens verglichen mit Berlin und anderen Ländern. Deswegen würde ich mich sehr freuen, wenn Sie diesen absichtlich als Prüfauftrag formulierten Antrag – wenn Sie ihn lesen, sehen Sie genau, dass da eine schöne Stufenfolge ausgeführt ist – gemeinsam mit uns beschließen und sich an Ihre sozialen Wurzeln erinnern, damit also Schülerinnen und Schüler ein kostenloses Ticket bekommen, auch für das Wochenende und die Ferien, und Sie sich auf das, was in unserer Landesverfassung steht, rückbesinnen könnten, nämlich dass wir gleichwertige Lebensverhältnisse für alle – natürlich auch für die Schülerinnen und Schüler – haben wollen.

(Beifall BVB/FW)

Noch ein kleiner, kurzer Ausblick: Ein Ticket wäre natürlich am besten gemeinsam mit Berlin im ganzen VBB-Bereich einzuführen, quasi als Fortsetzung des Berlin-Tickets für den Tarifzonenbereich AB.

(Unruhe)

Wir würden das – es hört ja sowieso keiner zu; ich versuche trotzdem weiterhin, dagegen anzureden, was schwierig und anstrengend ist –

(Heiterkeit)

als ein C+-Ticket für Brandenburg definieren, da es wie gesagt die Tarifzone C plus die angrenzenden Wabentarife der Landkreise abdeckt. Das müsste aber eben nicht nur vormittags, sondern auch nach 14 Uhr, an den Wochenenden und in den Ferien gelten.

(Beifall BVB/FW)

Und das hatte übrigens – Herr Keller, das haben Sie vielleicht nicht mitbekommen – bis 2008 das Land finanziert; das hatten wir in Brandenburg. Dann hat das Land das abgegeben und seitdem erst sind die Kommunen und Landkreise dafür zuständig, weil das Land sparen wollte. Ich bin damals zufällig in den Kreistag Oder-Spree gekommen und habe das live miterlebt. Jeder Landkreis hat sich anders entschieden. Aber wir hoffen ja immer noch auf Einsicht und Besserung, dass Sie sich an Ihre sozialen Wurzeln erinnern und gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Schülerinnen und Schüler schaffen wollen. – Danke schön.

(Beifall BVB/FW)

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