Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Dr. Philip Zeschmann (BVB/FW):
Sehr geehrter Vizepräsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich natürlich auch, dass wir für unsere Hotels und Gaststätten – das Gastronomiegewerbe -, die, im Tourismusbereich vor allem, durch die Coronajahre sehr beeinträchtigt waren, jetzt eine Lösung gefunden haben, die weiterhilft.
Bei aller Freude über den gemeinsamen Antrag, der im Kern die Forderungen aus unserem Änderungsantrag nach einer zweijährigen Verlängerung der Geltungsdauer und einer Prüfung anhand der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen übernommen hat, sollte man aber einige Fakten darstellen, die bisher hier gar keine Rolle gespielt haben. Hier wurde nämlich immer nur darüber geredet, was die Gastronomen brauchen und wo wir helfen können. Wir müssen aber sehen, dass es hier auch um Steuereinnahmen der öffentlichen Haushalte geht, und das waren im Haushaltsjahr 2022 immerhin 284,9 Milliarden Euro. Das muss man auch sehen.
Deshalb haben wir in unserem ursprünglichen Änderungsantrag vorgeschlagen, das nicht pauschal und für alle Zeiten zu machen, sondern nach zwei Jahren anhand der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu prüfen – und gegebenenfalls regelmäßig zu prüfen, sofern das noch einmal verlängert werden muss -: Wie sind sie? Wie ist die Situation? Was können wir uns auf der haushalterischen Einnahmeseite, also fiskalpolitisch, leisten, und was ist auf der anderen Seite noch an Hilfen erforderlich, um die Gastronomie entsprechend zu unterstützen?
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Entwicklung des Mehrwertsteuersatzes in Deutschland eine interessante Geschichte hinter sich hat. Wir haben 1968 mit einem Mehrwertsteuersatz von 10 % angefangen; da lag der reduzierte Satz bei 5 %. Bis zum Jahr 2007 stiegen die Sätze auf 19 % und 7 %. Zu Coronazeiten hatten wir ein halbes Jahr lang eine Absenkung, und jetzt sind wir, sage ich einmal, wieder bei dem Standardlevel.
Die Unternehmen haben eben nicht nur mit den Folgen der Coronakrise zu kämpfen, sofern sie sie überlebt haben – ich finde es kritisch und bedauere es sehr, dass viele Anbieter danach nicht wieder durchstarten konnten -, sondern im letzten Jahr vor allem auch noch mit der inflationären Preisentwicklung bei Energie und Lebensmitteln. Wir sagen: Ein Restaurantbesuch muss für normale Menschen auch weiterhin bezahlbar sein.
(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten Walter [DIE LINKE])
Laut Deutschem Hotel- und Gaststättenverband, dem DEHOGA, der hier schon angesprochen wurde, werden bei den vermeintlichen Umsatzsteuerausfällen – das sind ungefähr 1,629 Milliarden Euro beim Bund, 1,394 Milliarden Euro bei den Ländern und 61,7 Millionen Euro bei den Kommunen – nicht die positiven Effekte der Steuersenkungen berücksichtigt. Diese brauche ich jetzt nicht alle aufzuzählen: Existenzsicherung, Sicherung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen und Investitionen.
Die Bürger und Verbraucher haben ihren Konsum infolge die Inflation deutlich zurückgefahren; das haben wir schon gehört. Es gab zwar nach DEHOGA-Angaben und den uns vorliegenden statistischen Informationen einen Nachholeffekt nach den Corona-Einschränkungen, aber viele Gastronomen sagen, dass sich die Trinkgelder auf ein Drittel reduziert haben. Deshalb ist der Ansatz des Antrags richtig und notwendig.
Nichtsdestotrotz ist die Umsatzsteuer eine wichtige Einnahmequelle des Bundes, der Länder und der Kommunen und sollte nicht leichtfertig vollständig und für alle Zeiten, Herr Münschke, dereguliert, sondern an die wirtschaftlichen und konjunkturellen Rahmenbedingungen angepasst werden: Wie entwickelt sich die Inflation? Wie entwickeln sich die Energiepreise? Dann können wir in zwei Jahren schauen, ob es noch notwendig ist oder nicht. Wie gesagt, wir freuen uns sehr, dass genau diese Regelung aus unserem Änderungsantrag zentraler Bestandteil des gemeinsamen Antrags geworden ist.
(Beifall BVB/FW)
Interessant war noch, dass sowohl im Ursprungsantrag der Kollegen von den Linken als auch im Antrag der AfD geschrieben steht, dass die Ausnahme von 7 % auch auf alle Getränke gewährt werden soll, was bisher nicht der Fall ist. Ich weiß nicht, ob das ein Versehen oder Absicht war. Ich finde es ja schön, dass Sie Freibier für alle wollen, glaube aber, dass das mit Steuergeld nicht finanzierbar ist. Deswegen muss man hier Vernunft wahren.
(Beifall BVB/FW)
Das wollen wir nicht; deswegen ist das auch nicht in den gemeinsamen Antrag aufgenommen worden.
(Münschke [AfD]: Freibier bedeutet, dass man nichts dafür bezahlt!)
– Ja, jetzt wird es erst mal billiger. Wie gesagt, entscheidend ist, die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu beachten.
Herr Münschke, da ich Sie gerade höre: Sie haben vorhin gesagt, die Anträge strotzen vor Kontrollwahn. Wenn ich etwas zwei Jahre verlängere und es dann anhand der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen überprüfe, wo ist da der Kontrollwahn? Im Gegenteil. Sie sagen dagegen, Sie wollen die vorbehaltslose Umsetzung, dies dauerhaft abschaffen und regeln – das ist Kontrollwahn. Das ist ein extrem überorientierter Eingriff in die Wirtschaft. Ich dachte immer, auch die AfD steht für freie Marktwirtschaft oder soziale Marktwirtschaft. Das wird hier mit Füßen getreten. Das bedauern wir sehr.
Vizepräsident Galau: Herr Dr. Zeschmann, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Dr. Zeschmann (BVB/FW): Aber gerne, Herr Münschke.
Vizepräsident Galau: Bitte schön.
Fragen eines anderen Abgeordneten (Frage und Name darf aus protokollarischen Gründen nicht hier erscheinen.)
Dr. Zeschmann (BVB/FW):
Herr Münschke, wir haben uns auch mit dem Ursprungsantrag auseinandergesetzt und halten es in einer Marktwirtschaft auch nicht für sinnvoll und volkswirtschaftlich tragfähig, dass wir hier im Landtag bestimmte Vorfestlegungen für bestimmte Spielräume, die sich vielleicht ergeben, vornehmen.
Wir haben gesagt, wir wollen, dass der Restaurantbesuch für normale Menschen bezahlbar bleibt. Wir alle wissen, wenn wir das in den letzten ein, zwei Jahren verfolgt haben, dass die Preise doch sehr gestiegen sind und viele Menschen gar nicht mehr ins Restaurant gehen oder, wie Herr Bommert richtig gesagt hat, darauf als Erstes preissensibel regieren, und, wie auch die Unternehmer uns gesagt haben, sind die Trinkgeldbeträge deutlich zurückgegangen. Deswegen halten wir den Vorschlag nicht für sinnvoll, sondern wir wollen wirklich, dass diese relativ günstigen Preise, die durch eine Beibehaltung von 7 % Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel und auf den Verzehr im Gasthaus gewährt werden, an den Kunden weitergegeben werden, damit die Preise nicht noch weiter ansteigen müssen.
Deswegen, wie gesagt: Sehr schön, eine Sternstunde der Demokratie.
Vizepräsident Galau:
Vielen Dank, Herr Dr. Zeschmann. Sie sind jetzt auch am Ende Ihrer Redezeit.
(Vereinzelt Heiterkeit)
Dr. Zeschmann (BVB/FW): Okay, gut.
(Beifall BVB/FW)