Rede von Ilona Nicklisch in Textform:
Abgeordnete Ilona Nicklisch (BVB/FW):
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Es ist unumstritten, dass unsere Brandenburger Kindertagespflegepersonen das Angebot der Kindertagesbetreuung bereichern. Deswegen begrüßen wir als BVB / FREIE WÄHLER Fraktion sehr, dass es nun eine gesetzliche Legitimation der Großtagespflege geben soll. Die Vorteile sprechen für sich: Die Urlaubs- und Krankenvertretung kann unkomplizierter organisiert werden. Die Kindertagespflegepersonen profitieren gegenseitig von ihrem Fachwissen und ihrer Erfahrung. Ein kollegialer Austausch wird begünstigt. Die zu betreuenden Kinder profitieren von den unterschiedlichen Stärken der Tagespflegepersonen. Der eine ist vielleicht etwa musisch, der andere vielleicht sportlich talentiert. Die räumliche Aufteilung kann flexibler gestaltet werden. Man erreicht vielleicht die Schaffung eines Sportraums oder kann Spiel- und Schlafmöglichkeiten getrennt voneinander unterbringen. Kurzum: Wir werden dieser Drucksache definitiv zustimmen.
Doch die Legitimation der Großtagespflege ist nur ein Aspekt, der zur Attraktivität dieses Berufsfeldes beiträgt. Denn seien wir ehrlich: Die Kindertagespflege in Brandenburg ist unterreguliert. – Lassen Sie mich also die Gelegenheit nutzen, um auf generelle Missstände in der Kindertagespflege aufmerksam zu machen und dafür zu sensibilisieren.
Die gesetzlichen Regelungen werden in den einzelnen Landkreisen unterschiedlich ausgelegt, wie schon gesagt wurde. Die Gerichtsurteile, die in den Landkreisen gefällt werden, werden nicht als Grundlage für die Erarbeitung von Verwaltungsvorschriften der Kindertagespflege herangezogen. Deshalb sollte das Land klare Vorgaben für die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe machen.
Auch die Richtlinie KIP II, eine Richtlinie über die Förderung von kleinteiligen Investitionen zur qualitativen Verbesserung vorhandener Betreuungsplätze, wird in den Landkreisen unterschiedlich umgesetzt. MOL steht mit einem Förderzuschuss in Höhe von 90 % gut da, der Barnim mit nur 24 % für privat genutzte Räume eher schlecht. Zusätzlich wird im Barnim nur dann eine Förderung gezahlt, wenn die Tagespflegeperson bereits mindestens fünf Jahre als solche tätig war. Solange die örtlichen Jugendhilfeträger so großen Spielraum haben, kommt das, was vom Land vielleicht angedacht wurde, nicht bei der Kindertagespflege an.
Des Weiteren muss es auf Landesebene eine konkrete Vorgabe geben, was in den Sachkosten enthalten ist. Es darf nicht sein, dass das, was vom Bundesgesetzgeber vorgegeben ist, von den Jugendämtern willkürlich festgelegt wird, weil es von der Landesebene keine klaren Vorgaben gibt. Auch die Autoren des Buches „Recht und Steuern in der Kindertagespflege“ stellen fest, dass die Kindertagespflege einem ständigen Wandel unterliegt und die landesrechtlichen Regelungen teilweise sehr unterschiedlich ausgestaltet sind. Aufgrund neuer Rechtsprechung seien bisherige Verfahrensmuster teilweise neu zu überdenken und entsprechend anzupassen. Es kann und darf nicht sein, dass sich die Tagesmütter und -väter ihr Recht erst einklagen müssen, nur weil gesetzliche Vorgaben unterschiedlich ausgelegt werden, da sie auf Landesebene nicht konkretisiert wurden. Grundlegende Aspekte wie Sachkosten, Mietzuschuss oder Zugangsvoraussetzungen zur Ausübung der Tätigkeit der Kindertagespflegeperson müssen vom Land konkretisiert werden.
Sie sehen, meine Damen und Herren, es besteht dringender Handlungsbedarf, um die Kindertagespflege attraktiver zu gestalten und als gleichwertige Alternative zur Kita zu erhalten. Wir müssen uns mit den Kindertagespflegepersonen und ihren Vereinen sowie den Jugendämtern an einen Tisch setzen und gemeinsam überlegen, wie wir das Angebot der Kindertagespflege auf Landesebene stärken können. Die Legitimation der Großtagespflege ist dabei nur ein kleiner Schritt auf diesem Weg. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.