Rede von Péter Vida in Textform:
Herr Abg. Vida (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! An jedem Scheidepunkt gewichtiger Entwicklungen stellt sich die Frage, wo man stand, als es darauf ankam. Hat man die Stimme erhoben oder hat man sich weggeduckt? Hat man Kritik geübt oder sich aus Bequemlichkeit, aus politischer Opportunität vom Problemherd abgewandt? Ich glaube, in solch einer Situation befinden wir uns auch heute.
Wir erleben es allenthalben: Europa atmet auf, fast alle Länder in Europa lockern ihre Coronaregeln und feierten oder feiern ihren „Freedom Day“. Dänemark feierte trotz hoher Infektionszahlen am 1. Februar den „Freedom Day“ und hat sich von so gut wie allen Maßnahmen verabschiedet. Großbritannien schaffte am 4. Februar alle Maßnahmen ab, Schweden am 9. Februar, Norwegen hob am 12. Februar alle Maßnahmen auf, Holland wird es am 25. Februar tun – und all das bei ähnlichen Impfquoten wie in Deutschland.
Und was macht Deutschland, das Land mit den strengsten Maßnahmen weltweit? Es weiß wieder alles besser, es hat den Stein der Weisen der Wissenschaft, es ist wohlüberlegter als alle anderen. Es ist wieder einmal klüger als alle anderen.
Wobei sich die Frage stellt: Kann man hier von Deutschland sprechen? Nein, man muss sagen: Es sind bestimmte politische Entscheidungsträger in Deutschland, die sich verrannt haben und nun teils aus Kalkül, teils aus Trotz, teils aus Stolz nicht den Mut haben, Fehler zu korrigieren oder gar einzugestehen.
In einer Situation, in der es schon verpönt ist, von einem „Freedom Day“ zu reden, weil angeblich auch bisher alle Freiheiten gegeben gewesen seien – nur für das Protokoll: Das waren sie nicht und sie sind es auch nicht -, reden wir auch gern vom „Freedom Day“ und fordern ihn auch so schnell wie möglich. Denn wenn ein Bundesgesundheitsminister sagt, dass es auch nach der Pandemie vor allem für die Älteren keine volle Freiheit geben wird, dann weiß man, wie wichtig es ist, diese Forderung exakt so aufrechtzuerhalten und sie auch so zu benennen.
Meine Damen und Herren, es lohnt sich nun ein Blick nach Brandenburg. Wenig überraschend konnte auch hier – trotz der weltweit strengsten und besten Maßnahmen – seit Ende November das Virus nicht eingedämmt werden. Die Corona-Fallzahlen in Deutschland sind heute nach wie vor auf einem Rekordhoch, Brandenburg mit Bayern vorneweg, das heißt: strengste Maßnahmen mit dem Ziel, die Virusverbreitung einzudämmen. Doch sie ließ sich nicht eindämmen.
Die Infektionszahlen haben sich seit Anfang Januar von der Hospitalisierungsrate und der Intensivbettenbelegung weitestgehend entkoppelt. Die Anzahl der Coronapatienten auf den Intensivstationen bleibt seit Anfang Februar stabil, trotz steigender Inzidenzen, eine Überlastung des Gesundheitswesens ist in dieser Welle ausgeblieben.
Ich frage mich ganz ehrlich: In solch einer Situation debattieren wir in Deutschland tatsächlich und ernsthaft weiterhin über eine Impfpflicht? In solch einer Situation haben wir immer noch den Zustand, dass wir Ungeimpften den Zutritt zu wesentlichen Dienstleistungen des Alltags verwehren? Wen kann das unbekümmert und ruhig verweilen lassen? Uns mit Sicherheit nicht.
Meine Damen und Herren, obwohl sich durch die Verbreitung von Omikron in Südafrika früh – sehr früh, bereits letztes Jahr – zeigte, dass diese Mutation hohe Infektionsquoten, aber in der Regel milde Verläufe bewirkt, wurden in Deutschland Schreckensszenarien an die Wand gemalt. Doch nicht nur das – man maßte sich wieder einmal an, es besser zu wissen als die ganze Welt. Mit einem Federstrich wurde der Genesenenstatus auf drei Monate verkürzt, eine massive Grundrechtseinschränkung von Amts wegen – durch eine Abteilung eines Ministeriums. Während der Genesenenstatus in allen Ländern Europas für sechs bis zwölf Monate gilt, sollen es in Deutschland nur drei Monate sein. Gesundheitsministerin Nonnemacher, daraufhin im Ausschuss für Gesundheit gefragt, ob denn die Wissenschaftler in allen anderen Ländern dümmer seien als Herr Wieler, antwortete mir: Wir haben keine anderen wissenschaftlichen Erkenntnisse, deswegen muss es bei drei Monaten bleiben. – Meine Damen und Herren, ganz ehrlich: Das ist für mich der anmaßendste Satz der gesamten Pandemie. Wissenschaftler aller Länder, hochkompetent geführte Ministerien in Holland, in Schweden, in England, in der Schweiz haben Erkenntnisse, gelangen zu wissenschaftlich begründeten Erkenntnissen, alle zusammen – und die Brandenburger Gesundheitsministerin sagt: Wir haben keine anderen wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Das, meine Damen und Herren, ist unter einem Brandenburger Brenngläschen der Kern des Problems: nicht bereit zu sein, einzugestehen, dass man falsch liegen könnte. Stattdessen wird so getan, als hätten wir in Herrn Wieler den einzigen Wissenschaftler Europas.
Jetzt könnte man sagen: Okay, das ist eine Form der Selbstüberhöhung. – Nur, da macht es ja nicht halt. Es geht zulasten der Freiheit der Menschen, denn Freiheit, wie wir sie verstehen und wie sie auch das Grundgesetz versteht, ist zuallererst die Freiheit von staatlichen Verboten und staatlichen Geboten, meine Damen und Herren. Deswegen hat die Politik auch die Aufgabe, täglich zu hinterfragen, ob bestimmte Maßnahmen noch nötig sind – nicht, ob sie politisch opportun sind, nicht, ob sie taktisch passen, sondern ob sie in ihrer Belastung für den Bürger noch verhältnismäßig sind. Und da gilt nicht das Prinzip, wie es Ministerpräsident Kretschmann forderte, dass man gehorchen muss, sondern es gilt das Prinzip: Im Zweifel für die Freiheit.
Und so, meine Damen und Herren, blicken wir mit dieser Brennschärfe auf die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz und sagen: Natürlich geht es in die richtige Richtung. Ich habe mich im Ausschuss trotzdem enthalten, weil es zu langsam in die richtige Richtung geht. BVB / FREIE WÄHLER fordern die unverzügliche Aufhebung aller individuell beschränkenden Maßnahmen. Wir brauchen in allen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen, gesellschaftlichen Bereichen die Rückkehr zur Normalität für jedermann, gerade zum Wohle der Familien.
Masken, Abstand, bestimmte Steuerungsregeln bei Großveranstaltungen – das sind Regelungen, die derzeit noch bleiben können, bleiben sollten, nach unserer Einschätzung aber zum Frühlingsbeginn auch auslaufen, wegfallen können.
Meine Damen und Herren, wir unterstützen zudem die Forderung mancher Kreise, die Impfpflicht im Gesundheitssektor nicht umzusetzen. Es lohnt sich ein Blick nach Italien, wo sehr frühzeitig die Impfpflicht im Gesundheitssektor verfügt wurde. Man hat dort leidvolle Erfahrungen damit gemacht. Nach nur kurzer Zeit sind die Pflegekräfte in großer Zahl weggeblieben, und man hat sie dann händeringend zurückrufen bzw. anderweitig Personen anwerben müssen.
Auch in Deutschland steigt die Zahl der Arbeitssuchendmeldungen im Pflege- und Gesundheitsbereich seit Anfang des Jahres dramatisch an. Nun weiß ich, auch da kommen wieder die Beschwichtiger und Besserwisser, ich habe das bereits lesen können: Diese steigende Zahl der Arbeitssuchendmeldungen im Pflegebereich hat nichts mit der Impfpflicht zu tun, das liegt nur an der Überlastung. – Ach so! Na dann ist ja alles in Ordnung. Ich möchte daran erinnern, meine Damen und Herren: Wir können auf niemanden verzichten, gerade in diesem Bereich nicht.
Daher muss mit einem echten „Freedom Day“ auch die Debatte um benachteiligende und wirtschaftlich belastende Bestimmungen ein Ende haben. Wir sagen Nein zu andauernden Beschränkungen, wir sagen Ja zu Eigenverantwortung und Freiheit jedes Einzelnen. Wir glauben an den gesunden Menschenverstand.
Deshalb sagen wir auch Ja zur Aufrechterhaltung der Impfangebote, ohne Ansehen der Wirtschaftlichkeit dieser Einrichtungen. Es darf nicht noch einmal der Fehler gemacht werden, aus Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten die eine oder andere Einrichtung zu schließen. Denn die Impfung ist und bleibt der beste Schutz, daher muss es hier im Laufe des gesamten Jahres, auch bei geringer Auslastung, weiterhin niederschwellige Angebote geben, ob nun für Erstimpfungen, für Leute, die sich dafür entscheiden, oder für Zweit- oder Drittimpfungen. Und man muss die Kommunen hierbei unterstützen und nicht frustrieren, ob nun bei Impfzentren- oder bei Testzentrenerrichtungen. Auch hierzu haben wir in Anfragen gehört, dass es eben nicht so läuft. Da wird mit Kenngrößen operiert, da wird überhaupt nicht der ländliche Charakter Brandenburgs in Bezug genommen, die geringe Bevölkerungsdichte nicht beachtet. Genau deswegen dürfen wir die Kommunen nicht frustrieren, sondern die, die wohnortnahe Angebote schaffen wollen, ob Impf- oder Testzentren, müssen wir entsprechend unterstützen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns unsere Herzen in beide Hände nehmen und die kommenden Frühlings- und Sommermonate genießen – zum einen, weil kein Mensch wissen kann, wie es im Herbst mit der Pandemie weitergehen wird, und zum anderen, weil es die Menschen endlich verdient haben. Die Wissenschaft würdigend, in Achtsamkeit füreinander und in Freiheit miteinander, so wollen wir 2022 erleben. – Vielen Dank.