Matthias Stefke zum Gesetzentwurf von SPD, CDU, Grüne: „Gesetz zur Änderung stiftungsrechtlicher und weiterer Vorschriften“ – 22.06.2022

22. Jun 2022

Rede von Matthias Stefke in Textform:

Stefke (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen! Ich wiederhole meine Kritik aus der 58. Sitzung am 16. Dezember 2021, in der wir den ersten Entwurf hierzu beraten habe: Heimlich, still und leise soll unter dem eher unverdächtigen Titel „Änderung stiftungsrechtlicher und weiterer Vorschriften“ in § 65 der brandenburgischen Kommunalverfassung ein fünfter Absatz eingefügt werden, der es den Kreisen erlauben soll, rückwirkend die Haushaltssatzung zu ändern, wenn die Kreisumlageerhebung rechtswidrig war. Das ist in etwa so, als würde der Tatbestand des Taschendiebstahls nach einer Verurteilung nach § 242 des Strafgesetzbuches geändert, sodass er dann doch völlig in Ordnung geht.

Mit der beabsichtigten Neuregelung werden die Rechte der Landkreise gestärkt, die der Kommunen nicht. Wie sich diese Möglichkeit in der Praxis auswirken wird – übrigens auch auf die auf das Jahr der Heilung folgenden Jahresabschlüsse -, bleibt abzuwarten. Es steht jedoch zu befürchten, dass dies eher zu weiterem Unfrieden in der kommunalen Familie und zu weiteren Klagen führen wird, statt eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu bieten.

Die Koalitionsfraktionen gehen davon aus, dass nur die vor Gericht erfolgreichen Kommunen einen geänderten Kreisumlagebescheid erhalten sollen. Nach unserer Beurteilung widerspräche dies allerdings klar den Regelungen in § 130 der brandenburgischen Kommunalverfassung und dem Grundsatz der Gleichbehandlung.

Übereinstimmung besteht darin, dass die Klagen der Kommunen nicht dazu führen dürfen, dass sie sich gänzlich der Pflicht zur Zahlung der Kreisumlage entziehen. Im Übrigen kenne ich aber auch keine Kommune, die gar keine Kreisumlage mehr zahlen möchte, wie es in diesem Zusammenhang gelegentlich kolportiert wird.

Anstatt mir nichts, dir nichts eine rückwirkende Heilungsmöglichkeit in die Kommunalverfassung einzubauen, sollten sich Regierung und Parlament einmal selbstkritisch die Frage stellen, warum so viele Kommunen gegen die Festsetzung von Kreisumlagesätzen Widerspruch erhoben und Klagen bei Gericht eingereicht haben und damit auch erfolgreich waren.

Der Prozess der Abwägung der gemeindlichen und kreislichen Interessen ist zugegebenermaßen schwierig. Tatsache ist aber, dass das Ministerium des Innern und für Kommunales die Landkreise dabei im Stich gelassen hat. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihn nach eigenem Gutdünken abzuwickeln. Das ist bekanntermaßen schiefgegangen.

Die klagenden Kommunen haben diesen Weg beschritten, weil der Prozess der Festsetzung der Kreisumlage intransparent und rechtswidrig war und weil sie den in Artikel 28 Grundgesetz verankerten Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung, im Speziellen der Finanzhoheit, verletzt sahen.

Die Landkreise haben offenbar aus den Gerichtsurteilen Lehren gezogen und gestalten den Abwägungsprozess nun transparenter und unter stärker Einbeziehung der Kommunen. Es darf bezweifelt werden, dass ohne die Klagen der Kommunen ein Umdenken bei der Festsetzung der Kreisumlagesätze stattgefunden hätte.

Die Fraktion BVB / FREIE WÄHLER hält die geplante Änderung von § 65 der brandenburgischen Kommunalverfassung für falsch und für verfassungsrechtlich bedenklich. Das, lieber Kollege Klemp, was Sie dazu ausgeführt haben, halte ich für grenzwertig. Sie haben Ausführungen gemacht nach dem Motto: Na ja, was bleibt uns denn übrig? Dann müssen die Kreise Millionen zurückzahlen. Weil es in der Folge so problematisch wird, missachten wir das Recht und die Gerichtsurteile.

Es gab bei der Ermittlung der Höhe der Kreisumlage offensichtlich unterschiedliche Auffassungen in puncto Fehlbedarf seitens der Kreise und der kreisangehörigen Gemeinden. Dafür spricht die enorme Anhäufung von Rücklagen bei den Landkreisen auf der einen Seite und die zunehmend sinkende finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen außerhalb des Speckgürtels um Berlin und Potsdam auf der anderen Seite. Die Kreisumlage, die lediglich mangels eigener Einnahmen den Fehlbedarf decken soll, ist nicht dafür gedacht, dass die Landkreise Rücklagen anhäufen. Wenn dies allerdings Jahr für Jahr geschieht, ist das ein klares Zeichen dafür, dass der Fehlbedarf und damit die Kreisumlage zu hoch angesetzt waren.

Den Kommunen, die sich erfolgreich gegen die Kreisumlagepraxis ihrer Landkreise gewehrt haben, wird mit dieser Gesetzesänderung ihr erstrittenes Recht auf Rückzahlung der Kreisumlage genommen. Es ist bekannt, dass das OVG auf diese Änderung wartet, um der Stadt Zossen nicht auch noch in zweiter Instanz Recht geben zu müssen. Zossen hat gekämpft, recht bekommen, und Sie wollen es der Stadt über mögliche rückwirkende Änderungen wieder nehmen. Das provoziert geradezu eine Verfassungsklage aller betroffenen Kommunen. Auch deswegen werden wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Wir bitte um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Zeschmann [BVB/FW])

Wir werden auch dem Änderungstrag der Koalitionsfraktionen zu Artikel 4 nicht zustimmen. Unter Punkt I teilen Sie selbst in der Begründung mit, dass nach Satz 1 oder 2 ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung nicht ausgeschlossen werden kann. Diesen durch ein Einvernehmen im Innenausschuss mit einfacher Mehrheit zu ermöglichen, lehnen wir ab. Deshalb stimmen wir dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE zu. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten Büttner [DIE LINKE])

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