Rede von Ilona Nicklisch in Textform:
Frau Abg. Nicklisch (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Welch zentrale Bedeutung hat ein gut funktionierendes Gesundheitssystem! Das erleben wir in der gegenwärtigen Situation besonders anschaulich. Im Hinblick auf die Bewältigung der augenblicklichen Herausforderungen taucht eine Frage immer wieder auf: Warum ist die Anzahl der Toten in Deutschland noch relativ gering oder überschaubar und weshalb ist bei den Intensivbetten derzeit so gut wie keine Überlastung erkennbar?
Die Antworten stimmen in der Richtung weitgehend überein: Weil das Gesundheitssystem insgesamt trotz vieler verbesserungswürdiger Einzelpositionen immer noch sehr gut aufgestellt ist. Allerdings – das sage ich in aller Klarheit – gibt es im Land Brandenburg keine gleichmäßige gesundheitliche Versorgung aller Einwohner.
Mit der Verlagerung der Bevölkerung in den letzten drei Jahrzehnten vom ländlichen Raum in die Ballungsgebiete hat es diese Entwicklung auch bei den Dienstleistungen, in Handwerk und Gewerbe sowie bei der gesundheitlichen Versorgung gegeben, mit den entsprechenden Folgen. Wie schlimm das teilweise ist, realisiert ein Regierungspolitiker allerdings erst in direktem Kontakt mit dem Wähler so richtig.
Deshalb unterstützen wir als BVB / FREIE WÄHLER alles, was dazu beiträgt, dass die Patienten im ganzen Land Brandenburg ein akzeptables gesundheitliches Versorgungssystem erhalten. Dazu zählen wir auch die uns vorliegenden Erweiterungen, denn mit Appellen allein werden wir auch in Zukunft keine Landärzte gewinnen. Wir haben die Bemühungen mit dem im Juli letzten Jahres auf den Weg gebrachten brandenburgischen Landärzteprogramm unterstrichen.
Mit dieser Erweiterung wird allerdings eine Klientel angesprochen, die sich eher als Weltenbummler denn als ländlich und sesshaft sieht. Was den Erfolg dieses Beschlusses angeht, bin ich persönlich daher eher skeptisch. Bestätigt wird die Skepsis zum Beispiel durch die Aussage des Landarztes Dr. Jürgen Rammrath, der seine Sicht auf den Sachverhalt wie folgt darlegt – Zitat -: Man muss sich einfach nur mal vor Augen halten, wer bisher einen Studienplatz für Medizin bekommen hat. Die Voraussetzungen waren immer: hervorragende Noten, Einser-Abiturienten. Wenn Sie immer zu den Besten gezählt haben, dann verändert das einen Menschen. Ich habe Zweifel, dass jemand, der weiß und verinnerlicht hat, dass er zur Elite gehört, unbedingt der geeignete Kandidat ist, um aufs Land zu gehen.
Wie dem „Ärzteblatt“ vom September letzten Jahres zu entnehmen war, haben ab Oktober 2019 von 75 Bewerbern in Brandenburg 34 Studenten das Stipendium in Höhe von 1 000 Euro erhalten und weitere sieben ein Co-Stipendium in Höhe von 500 Euro. Die Hoffnung, die sich damit verbindet, ist teuer erkauft. So ist für mich unverständlich, warum der maximale Zeitraum von 75 Monaten für ein Stipendium länger ist als der minimale Zeitraum von 60 Monaten für die spätere Verpflichtung, als Landarzt in Brandenburg tätig zu werden.
Gespannt sein darf man auch darauf, ob die Absolventen ihre Versprechen tatsächlich einhalten. Für diese Aufgabe benötigt man nicht nur Liebe zur Natur, sondern man sollte auch dem einfachen Landleben etwas Gutes abgewinnen können und im Idealfall sogar ein Seelsorger für die Menschen vor Ort sein. Solche Akademiker sind heute eher selten zu finden.
Groß ist die Gefahr, dass den frisch ausgebildeten Ärzten Angebote auf den Tisch flattern, bei denen die Rückzahlung der Förderung deutlich profitabler ist als die Verpflichtung, fünf Jahre als Landarzt zu praktizieren. Die Förderung würde damit nicht nur ihr Ziel verfehlen, sondern wäre außerdem für viele nur eine günstige Zwischenfinanzierung ihres Studiums.
Deutlich besser gefällt mir das Programm in Nordrhein-Westfalen: Zielgruppe ist hier nicht die Elite, sondern die sogenannte medizinische zweite Reihe, bei denen eine Anstellung als Landarzt eine viel höhere Motivation darstellt. Für den Zugang zum Studium benötigt man vor allem theoretisches Wissen. Beim Auswahlverfahren zählen praktische Kenntnisse. Die Bewerber finanzieren ihr Studium ganz normal, ohne finanzielle Hilfe des Staates. Ihre Verpflichtung, auf dem Land als Arzt tätig zu werden, gilt nicht nur für fünf Jahre, sondern für zehn Jahre. Der hohe persönliche Einsatz, der hier von den Bewerbern gefordert wird, lässt eine ganz andere Erfolgsquote erwarten.
Nordrhein-Westfalen trägt also nicht Geld hinterher, sondern erschließt …
Vizepräsidentin Richstein: Frau Abgeordnete, Sie müssten bitte zum Schluss kommen.
Frau Abg. Nicklisch (BVB/FW): – Ich bin sofort fertig. … ehrgeizigen Fachkräften ungeahnte Perspektiven. Ein vorhandenes Problem mit Geld zu lösen ist sicherlich verführerisch. Abgesehen davon, dass es teuer ist, zeugt es allerdings von wenig Kreativität. – Danke.