Philip Zeschmann zum Gesetzentwurf der Koalition (SPD, CDU, Grüne) „Nachtragshaushaltsgesetz“ vom 26.02.20

26. Feb. 2020

Rede von Philip Zeschmann in Textform:

Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen Abgeordnete! Der vorgelegte Nachtragshaushalt ist ausgeglichen, wenngleich die vielfältigen Wünsche aus dem Koalitionsvertrag nur durch die Entnahme aus den Rücklagen bedient werden können. Leider ist es aber so, dass die Forderungen der Wähler an die Koalition aufgrund der vielfältigen Versprechen der beteiligten Parteien aus dem Wahlkampf nicht wirklich die Beachtung finden, die sie finden müssten. Aber die nächste Wahl ist ja auch erst 2024.

Solide Haushaltspolitik – darauf wurde schon eingegangen – wäre es, wenn man die Mehreinnahmen aus dem Jahr 2019, die hier mit 50 Millionen Euro beziffert wurden, nutzen würde – und nicht mehr. Der mit dem Nachtragshaushalt vorgenommene Griff in die Rücklagen im Umfang von – wie Frau Ministerin Lange vorhin ausführte – nunmehr 884 Millionen Euro zeugt nicht gerade von Kostenbewusstsein und schon gar nicht von sparsamer oder gar vorausschauender Haushaltsführung.

(Beifall BVB/FW)

Umgangssprachlich wird gesagt: „Etats versaut man in guten Jahren.“ Da ist die Landesregierung kräftig dabei, denn es wird schwer sein, auch in jedem Jahr in der Zukunft das zu finanzieren, was wir uns hier heute leisten, wie schon in verschiedenen Beiträgen anklang.

Aber, ehrlich gesagt, wirklich erschreckend ist die Selbstbedienungsmentalität und Versorgungspostenschafferei in der Staatskanzlei, die sich mit diesem Nachtragshaushalt freie Bahn bricht.

(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt DIE LINKE)

Kollege Kretschmer sprach schon die eine B-5-Stelle und die vier B-2-Stellen für die Regionalkoordinatoren an. Aber es kommt ja noch etwas hinzu: Es gibt noch weitere 20 – ich betone: 20 – Stellen für deren Büros. Das führt dann dazu, dass sich die Personalkosten allein im Jahr 2020 auf rund 1,9 Millionen Euro für diese überflüssigen Parallelstrukturen belaufen.

(Beifall BVB/FW)

Noch extremer wird es, wenn man sich anschaut, dass die Büro- und IT-Ausstattung rund 3,3 Millionen Euro kosten wird und voraussichtlich danach noch einmal 200 000 Euro jährlich. Da frage ich mich schon: Wie kann es sein, dass eine IT- und Büroausstattung für die Regionalkoordinatoren 3,3 Millionen Euro kostet? Werden dafür goldene Schreibtische oder Türklinken angeschafft? Tut mir leid, aber das versteht kein Mensch, schon gar nicht auf der Straße.

(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt DIE LINKE)

Zusätzlich sind noch Kosten für Veranstaltungen in Höhe von 500 000 Euro eingeplant. Im Ergebnis reden wir also allein im Jahr 2020 von Kosten in Höhe von 5,7 Millionen Euro und für die Folgejahre bis 2024 von jährlich 2,5 Millionen Euro an Steuergeld unserer Bürger. In dieser Wahlperiode sollen also bis 2024 fast 16 Millionen Euro – ich betone: 16 Millionen Euro – für steuerfinanzierten Wahlkampf der Regierungskoalition ausgegeben werden. Das ist einfach unglaublich!

(Beifall BVB/FW)

Schon deshalb können wir diesem Nachtragshaushalt natürlich nicht zustimmen.

Auf der kommunalen Ebene lernt man dann auch noch, wenn man das schon ein paar Jahre gemacht hat – das betrifft ja viele Kollegen hier -, dass man mit dem Geld der Bürger, mit unser aller Steuergeld, sparsam und wirtschaftlich umzugehen hat. Das steht übrigens auch in der Kommunalverfassung, die dieser Landtag einmal beschlossen hat. Offenkundig gilt dieser Grundsatz aber nicht für die Landesebene.

Jetzt aber zu den einzelnen Positionen im Nachtragshaushalt, aus denen wir uns einige Punkte herausgepickt haben.

Unseren Bürgern wurde noch im Wahlkampf auch versprochen, dass schnell und umfassend mehr Polizisten zur Stärkung des Sicherheitsgefühls vor Ort eingesetzt und Stellen geschaffen werden. Leider ist in diesem Nachtragshaushalt absolut nirgends erkennbar, dass auch nur eine weitere Stelle im Polizeivollzugsdienst eingerichtet wird,

(Beifall BVB/FW)

es sei denn, der Vollzugsdienst wird nun von den Beamtinnen und Beamten des gehobenen und höheren Dienstes geleistet. Dort haben wir nämlich stolze 69 Stellen mehr, im mittleren Dienst sind es nur vier.

Für eine positive Ausnahme sorgt aus unserer Sicht die Justizministerin, die immerhin auf die personelle Unterbesetzung in den Gerichten und Staatsanwaltschaften reagiert und anstrebt, dass dies ausgebügelt wird; das wurde hier schon zur Sprache gebracht. Dazu muss ich sagen: Schön zu wissen, dass sich der eine oder andere an Wahlaussagen erinnert. Leider ist das hier offensichtlich die Ausnahme.

(Beifall BVB/FW)

Im Bereich Forstwirtschaft haben wir in diesem Hohen Haus schon über den Waldumbau gesprochen. Angesichts der Tatsache, dass es sich dabei um ein vordringliches Problem handelt, ist die mangelnde Priorisierung im Haushalt schlicht nicht nachvollziehbar.

(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt DIE LINKE)

Die Schulen in freier Trägerschaft sprach Herr Bretz schon an. Das Budget dafür steigt um ganze 2,9 Millionen Euro; das sind knapp 5 %. Es ist eine sehr geringe Steigerung, die noch nicht einmal die Kostenerhöhung der letzten Jahre aufwiegt, aber immerhin wird der Kahlschlag der letzten Jahre nicht fortgesetzt.

Dann kommen wir zu dem schönen Thema Krankenhausförderung. Dazu steht im Koalitionsvertrag: „Die Koalition wird alle Krankenhausstandorte im Land erhalten.“ Gleichzeitig sinkt aber die Krankenhausstrukturförderung, wie schon angesprochen wurde, um exakt 5 Millionen Euro. Wir passt das zusammen? Für uns ist das mindestens irritierend. Wo bleibt das Erhaltungsversprechen für unsere Krankenhäuser in der Fläche?

Bei der Wirtschaftsförderung – das geben wir zu – sieht es ganz gut aus. Es werden ungefähr 15 Millionen Euro zusätzlich für die Förderung des Technologietransfers, für die Förderung der Entwicklung und Einführung neuer Produkte und Technologien ausgegeben. Es bleibt zu hoffen, dass der Technologietransfer auch genau definiert ist, dass er auch überwacht und kontrolliert wird, damit diese Förderung zielgerichtet eingesetzt wird.

Im Bereich Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz fließen von den Mehrausgaben in Höhe von 5 Millionen Euro gegenüber dem bisherigen Haushalt nur 1,5 Millionen Euro in praxisorientierte Vorhaben. Die Zeit ist jedoch reif für klimaschützende Projekte auch im Bereich Landwirtschaft und Umwelt. Ich nahm an, dass das unter einem grünen Minister auch passieren sollte. Wenn man aber liest, dass ungefähr eine Million Euro für Potenzialanalysen, Grundgutachten, Strategiepapiere usw. anstatt für konkrete Investitionen ausgegeben werden soll, erkennt man, dass offensichtlich eine Million Euro in Papier investiert wird.

Im Komplex Infrastruktur und Landesplanung veranschlagt das MIL zusätzliche Mittel für Fördermaßnahmen in Höhe von 37 Millionen Euro aus dem Zukunftsinvestitionsfonds – auch das wurde schon angesprochen -, 1,5 Millionen Euro für Stadtentwicklung im ländlichen Raum. Dazu sagen wir: 1,5 Millionen Euro, das ist schlicht viel zu wenig, das sieht eher nach Machbarkeitsstudie und ähnlichen Schreibtischschubladenpapieren aus, also – Fazit – nach lukrativer Beschäftigungstherapie für koalitionsnahe Beratungsfirmen.

Wir freuen uns, dass für kommunale Brücken und Radwege 12 Millionen Euro eingestellt werden und unser Nachbohren zum Thema Brücken – ich erinnere nur an die Sperrung der Brücke in Brandenburg an der Havel, die wir hier schon thematisiert hatten – endlich Gehör findet.

Allerdings wird für Schienenpersonennahverkehr und Logistik gerade mal eine Million Euro eingestellt. Das reicht weder für die Planung noch für die Umsetzung irgendwelcher Maßnahmen, sondern sieht eher nach Symbolpolitik aus.

Förderprogramme für den ÖPNV bekommen immerhin 12,5 Millionen Euro. Allerdings fragen wir uns dann, warum hier plötzlich Förderprogramme und keine Zuschüsse mehr geplant sind. Herr von Gizycki hat uns noch im Dezember im Haushaltsausschuss auf die Finger geklopft und gesagt, aus dem Zukunftsinvestitionsfonds dürften grundsätzlich keine Fördermittelprogramme finanziert werden, sondern das sei lediglich für Zuschüsse für Investitionen vorgesehen. Jetzt sieht es ganz anders aus.

(Beifall BVB/FW)

Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen im Rahmen der Ansiedlung von Tesla: 10 Millionen Euro. Dazu habe ich in Erinnerung, dass alle Kollegen der Koalition, auch der Landesregierung, gesagt haben, Maßnahmen rund um Tesla sollten nicht auf Kosten der Steuerzahler finanziert werden. Jetzt plötzlich vergessen? Sehr erstaunlich!

Bemerkenswert sind darüber hinaus die Ansätze, die auch auf den Zukunftsinvestitionsfonds zurückgreifen sollen, nämlich 19 Millionen Euro für den Brandenburgischen IT-Dienstleister, ZIT-BB, und 4,5 Millionen Euro Zuschüsse für studentisches Wohnen sowie Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 10 Millionen Euro für das MIL, die es 2021 und 2022 jeweils zu 5 Millionen Euro ansetzen kann.

Aus unserer Sicht ist das ein Schlag ins Gesicht unserer Bürger und Steuerzahler sowie ins Gesicht des Landtags als Organ mit der vorgeblichen Budgethoheit, denn zu keinem Euro wird konkret erklärt, warum und wofür diesem Zukunftsinvestitionsfonds etwas  entnommen werden soll. Das muss erläutert und begründet werden.

(Beifall BVB/FW und DIE LINKE)

Das heißt für uns: Mit dem Zukunftsinvestitionsfonds sollen die Wahlversprechen der Koalition sukzessive umgesetzt werden. Es geht nicht an, dass Mittel in dieser Höhe im Haushalt veranschlagt werden, ohne dass gesagt wird, wofür sie verwendet werden sollen. Daher halten wir es für zwingend erforderlich, einen Umsetzungsplan, der in den Fachausschüssen beraten und erarbeitet wird, für dieses Zukunftsinvestitionsfondsgesetz zu entwickeln und zu verabschieden. Grundsätzlich ist zu klären, ob diese Maßnahmen stehen bleiben können, denn laut Aussagen der Koalition sollen eben keine Förderprogramme finanziert, sondern nur Zuschüsse gewährt werden.

Unsere Schlussfolgerung: Kaum ein Versprechen aus dem Wahlkampf an unsere Bürger oder eine Aussage aus der Koalitionsvereinbarung wird finanziell hinterlegt und damit wirklich angegangen. Also waren die meisten Aussagen nur heiße Luft. Das bedauern wir, weil im Koalitionspapier viele gute Ansätze enthalten sind. Wirklich erschreckend ist und bleibt die extreme Selbstbedienungsmentalität der Staatskanzlei beim Thema Regionalkoordinatoren, ihrer Entourage und ihrer offensichtlich üppigen Ausstattung. Das lässt jede Verhältnismäßigkeit vermissen und ist keinem Bürger zu erklären. Daher: Lassen Sie den Aufbau dieser überflüssigen und extrem teuren Parallelstrukturen einfach weg. – Danke schön.

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