Péter Vida 2. Redebeitrag zu „Abschaffung der Erchließungsbeiträge“ von BVB/FW vom 28.08.20

28. Aug 2020

Link zum Vorgang: https://www.bvb-fw-fraktion.de/parla_tracking

Rede von Péter Vida in Textform:

Herr Abg. Vida (BVB/FW):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Es geht nicht nur um Glaubwürdigkeit, sondern es geht auch um Ehrlichkeit. Herr Genilke, ganz kurz zur Rekapitulation: Ich habe heute noch einmal auf der Website der CDU Finsterwalde nachgeschaut: Ortsvorsitzender Rainer Genilke …

(Zuruf) – Ja, ja, ich habe nur mal geschaut, ob es immer noch dort steht.

Die CDU fordert: Aus Sicht der CDU-Fraktion kommt es zu einer Ungleichbehandlung der Anwohner. Daher wird durch die Vorlage – gemeint ist ein Antrag der Stadtverordnetenversammlung Finsterwalde; Herr Genilke ist dort Stadtverordneter -, die im Übrigen einstimmig gefasst wurde, die künftige Landesregierung beauftragt, eine Gesetzesänderung herbeizuführen, die keine Erschließungsbeiträge für Bewohner von nicht erschlossenen, unbefestigten Straßen und Wegen zur Folge hat.

Der Stadtverordnete Rainer Genilke fordert die neue Landesregierung, deren Teil Rainer Genilke ist, auf, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, um die Erschließungsbeiträge abzuschaffen. Da sagt der Stadtverordnete Genilke zum Staatssekretär Genilke: Schaff die Beiträge ab! – Der Staatssekretär Genilke sagt dann dem Stadtverordneten Genilke: Das können wir uns nicht leisten; das ist unseriös, und das ist populistische Politik.

Noch einmal: Stadtverordneter und Ortsvorsitzender der CDU Finsterwalde!

Dieser Beschluss wurde vor genau einem Jahr einstimmig in der SVV Finsterwalde gefasst, und das ist auch weiterhin die Forderung auf der Website. Ich glaube, die Worte damals lauteten: Dem Unrecht auf den Leib rücken!

Schauen wir uns die Analyse des Ministeriums genauer an: Die 200 Millionen Euro sind grob unmathematisch erhoben worden. Wir haben schon thematisiert – darauf ist hier auch nichts erwidert worden -, dass natürlich nicht nach bewohnten Sandstraßen, sondern nach dem Verkehr gewidmeten Sandstraßen gefragt wurde. Übrigens können auch gewidmete Feldwege enthalten sein, die never ever ausgebaut werden. Schon dadurch haben wir eine zu hohe Annahme.

Was noch gar nicht zur Sprache kam: Hier wurde auch mit einem viel zu hohen Anliegeranteil kalkuliert, den das Land übernehmen müsste. Kalkuliert wurde pauschal mit 100 %, während es maximal 90 % sind, für Sammelstraßen teilweise nur 60 % oder 70 %. Im Landesschnitt liegen wir – da können wir nur schätzen – bei ca. 80 %, auf keinen Fall bei 100 %. Wenn Sie das zusammennehmen, kommen wir in der Summe schon deutlich nach unten.

Maßgebend ist jedoch die Fehlannahme, dass schlagartig alle Straßen ausgebaut würden. Im November 2018 hat das Innenministerium – nicht ich, Herr Klemp – einen Bericht vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass in den letzten Jahren in Brandenburg im Schnitt etwa 12 km bis 15 km Sandstraßen erschlossen worden sind, alle Gemeinden in Summe. Die Stichprobe lag damals bei 93 %, nicht 54 %.

Nun sollen es laut aktuellem Bericht ab nächstem Jahr nicht 12 km oder 15 km sein, sondern 200 km. Das entspräche einem Anstieg der Bautätigkeit um das Vierzehnfache! Das vertritt das Infrastrukturministerium ernsthaft und will uns glauben machen, dass die Baufirmen neben dem Straßenausbau, den Reparaturen und sonstigen Aufgaben die Kapazitäten hätten, 14-mal so viel zu bauen. Dass das abwegig ist, liegt auf der Hand.

Noch absurder wird es – das hat der Staatssekretär zu meiner Überraschung auch wiederholt, ich wundere mich sehr -, wenn man das mit der Abschaffung der Ausbaubeiträge vergleicht. Im April 2020 hat das Infrastrukturministerium mitgeteilt, dass bei den veranschlagten Kosten, die den Gemeinden aufgrund der Abschaffung der Ausbaubeiträge gezahlt werden müssen, das geplante Geld ungefähr ausreichen würde.

Auf Grundlage der Kalkulation der letzten Jahre wurde sogar mit einem Anstieg der Bautätigkeit gerechnet. Die Ausbaubeiträge lagen bei 25 Millionen Euro. Man hat über 40 Millionen Euro veranschlagt. Im Bericht im April 2020 wurde die Zahl genannt – heute haben wir keine andere gehört – und dass sie voraussichtlich – wie hieß es – auskömmlich sein würde. Wir verzeichneten also bei der Abschaffung der Ausbaubeiträge einen Anstieg von 25 Millionen Euro auf 40 Millionen Euro.

Nun kann man sich die Frage stellen: Wie kann es sein, dass es bei der Abschaffung der Ausbaubeiträge nur zu einem moderaten Anstieg kommt, bei der Abschaffung der Erschließungsbeiträge hingegen zu einem sprunghaften Anstieg, und zwar auf eine Art und Weise, dass sofort alle Straßen ausgebaut werden?

In der letzten Ausschusssitzung – wir haben uns ein bisschen duelliert – hat mich Herr Genilke als „lustigen Typen“ bezeichnet. Das hat er gemacht. War das nett gemeint? War das sein Finsterwalder Charme? Man weiß es nicht.

Vizepräsident Galau: Herr Kollege Vida, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Herr Abg. Vida (BVB/FW):

Das ist jetzt leider nicht möglich. – Ich weiß aber, dass er noch viel lustiger ist. Das Paradoxon, dass bei den Ausbaubeiträgen die Abschaffung zu einem moderaten Anstieg führt, bei den Erschließungsbeiträgen hingegen sofort alles ausgebaut wird, hat Herr Genilke damit erklärt – ebenfalls lustig -, dass das eben so sei.

Um dies nachzuvollziehen – ich habe Ihnen hier etwas mitgebracht -, braucht man vier Zahlen: die 20, die 30, die 40 und die 1 400.

(Der Abgeordnete Vida [BVB/FW] hält vier Pappschilder mit aufgedruckten Zahlen in die Höhe.)

Beim Ausbau, sagt Staatssekretär Genilke, verbleibt ein Gemeindeanteil von im Schnitt 30 %. Dieser Anteil ist so hoch, dass dies davor hemmt, alle Straßen auszubauen, sodass die Kosten nur um 40 % steigen, was auch stimmt. Bei der Erschließung hingegen, sagt Staatssekretär Genilke, verbleibt ein Gemeindeanteil von nur 20 %. Diese 20 % sind so niedrig, dass schlagartig sofort alles erschlossen und ausgebaut wird, sodass die Kosten um 1 400 % steigen.

Um es noch einmal gegenüberzustellen: Wir reden von 10 Prozentpunkten Differenz. Beim Ausbau verbleiben 30 %, bei der Erschließung verbleiben 20 %. Und diese Differenz ist so gewaltig, dass das bei den Kosten beim Ausbau zu einem Anstieg um 40 % und bei der Erschließung zu einem Anstieg um 1 400 % führt, also ein Anstieg um den Faktor 28. Ich weiß nicht, wer von Ihnen das glaubt – wohl eher niemand.

Genau diese Annahme ist die Quintessenz des Berichts der Landesregierung. Genau auf dieser absurden Annahme basieren die 200 Millionen Euro. Ich überlasse es daher Ihrer eigenen Beurteilung, wie wahrscheinlich das ist. Ich habe einen Tipp dafür, diese Wahrscheinlichkeit in etwa zu bemessen. Dafür brauchen wir aber eine fünfte Zahl, nämlich die Null.

(Der Abgeordnete Vida [BVB/FW] hält ein Pappschild mit der Ziffer „0“ in die Höhe.)

Das sind genau 0 % Wahrscheinlichkeit. Deswegen setzen wir gegen die substanzlose Desinformation Zahlen und Fakten, Erfahrungswerte, Erhebungen der Kommunen, des Städte- und Gemeindebundes, auch der Landesregierung. Gegen die sich abzeichnende Ablehnung unseres Antrags setzen wir demnächst auch eine Volksinitiative – und das mit voller Kraft!

Das alles hat auch einen Grund. Wir haben im Dezember letzten Jahres den ersten Antrag gestellt. Da gab es die Signale aus der Koalition: Wir müssen uns dem Thema nähern. Haut nicht gleich drauf, kommt nicht gleich mit dem großen Hammer Abschaffung. – Da haben wir gesagt: Okay, wir sind in der Thematik und bringen einzelne Teilaspekte.

Wir haben für jeden Teilaspekt eine Ausschussüberweisung beantragt. Nicht einer dieser Anträge wurde diskutiert. Nicht einer dieser Anträge wurde überwiesen. Nicht einer dieser Anträge wurde angenommen. Und jetzt werfen Sie uns vor, dass wir in der Konsequenz nach einem Jahr selbstverständlich mit dem letzten Punkt der Antragsentwicklung kommen, nämlich den Vorschlag einer generellen Abschaffung unterbreiten, der durch Ausschussüberweisung vertieft zu präzisieren wäre. Das wollen wir übrigens nicht mit Rückwirkung, wie uns vorgeworfen wurde, sondern mit Wirkung ab 1. Januar 2021.

Nachdem Sie bei jedem unserer Anträge seit Dezember 2019 gesagt haben, dass diese legitim seien, man sich aber später gebündelt damit befassen müsse, wäre es jetzt nach einem Jahr wahrlich an der Zeit, einen Antrag, und zwar den vorliegenden Antrag, mit einer Ausschussüberweisung zu würdigen, um die tiefgründige Diskussion, die alle gefordert haben, ernsthaft im Ausschuss angehen zu können und auch die Hinweise von Frau Johlige einzuflechten. Darum bitte ich Sie. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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