Rede von Péter Vida in Textform:
Herr Abg. Vida (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Sehr geehrte Abgeordnete! In der Lausitz findet ein massiver Wandel statt, der sich mit dem Beschluss des Kohleausstiegs weiter beschleunigte. Das beschreibt der Ministerpräsident zutreffend. Er sagt außerdem, dass der Wandel nur durch einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt geschafft werden kann. Auch dies mag stimmen, aber der gesamtgesellschaftliche Diskurs bestimmt sich nicht allein durch die Regierung und ihre Auffassung, sondern durch Meinungswettstreit – hier im Parlament und auch in den Kommunen, insbesondere denen der Lausitz. Wer hier andere Akzente setzt, andere Positionen bezieht, punktuelle Hinweise gibt und kultiviert streitet, der spaltet nicht und spielt auch nicht etwas gegen etwas anderes aus, sondern tut das, wofür die Menschen auch in der Lausitz vor 30 Jahren auf die Straße gegangen sind: Er belebt die Meinungsvielfalt und die demokratische Diskussionskultur.
Meine Damen und Herren! Über 100 Jahre Braunkohletradition gehen zu Ende; rund 8 000 Arbeitsplätze in Tagebauen und Kraftwerken entfallen. Angekündigt hatte sich das schon lange; deswegen darf man die Frage stellen: Haben SPD-geführte Landesregierungen hierauf in der Vergangenheit richtig reagiert? Wer hat noch die Regierungserklärung von Ministerpräsident Woidke aus dem Jahr 2014 im Ohr, die in etwa das diametrale Gegenteil von dem vermittelte, was heute gesagt wurde?
Dabei wurde bereits im Jahr 2005 der EU-Emissionshandel eingeführt. Dass die verfügbaren CO2-Emissionsrechte langfristig immer knapper und teurer werden, musste allen bewusst sein. Dass die Braunkohleverstromung immer teurer wird, musste allen in der Regierung bewusst sein. Deswegen ist es wichtig, die Analyse der Situation anhand korrekter Fakten vorzunehmen. Unzutreffend sind die Ausführungen des Ministerpräsidenten, dass die Braunkohle aufgrund der Förderkapazitäten ohnehin zur Neige gegangen wäre. Die förderbaren Braunkohlevorräte in der Lausitz betragen noch 3,6 Milliarden Tonnen. Das würde noch etwa 60 Jahre reichen. Es liegt also nicht daran, dass die Vorräte zu Ende gehen, sondern daran, dass der Emissionsrechtehandel der Braunkohle aufgrund der Preisentwicklung wohl in 20 Jahren den Garaus gemacht hätte.
Gleichzeitig flutet bei Wind immer mehr EEG-subventionierter Windstrom die Netze, bei Sonnenschein auch Strom aus der Photovoltaik. Immer wieder treten an Strombörsen aufgrund eines Überangebots an erneuerbarem Strom mit sehr niedrigen Preisen Phasen auf, die die Einnahmen der Braunkohlekraftwerke schmälern. Höhere Kosten und niedrigere Erlöse führten schon seit 2018 immer häufiger zu Drosselungen der Braunkohlekraftwerke. Oft verdienten sie nur dann Geld, wenn kein Wind wehte und die Sonne nicht schien. Sie wurden sukzessive auf ihre Rolle als Reservekraftwerke reduziert.
Daher ist es bemerkenswert, wenn der Ministerpräsident in seiner heutigen Rede die falschen Anreizwirkungen des EEG kritisiert und das als kritikwürdig erkannt hat. Nun, das ist es schon seit geraumer Zeit, und das sollte in der Tat nicht künstlich verlängert werden, weil manche politische Lobbyisten damit Geld verdienen – und zwar nicht wenig. Allerspätestens ab dem 4 000. Windrad schaffen sie keinen zusätzlichen Beitrag zur Energiewende, keinen Kohleausstieg, keinen Klimaschutz – ganz im Gegenteil: Sie gefährden die Umwelt und belasten die Bürger – wirtschaftlich wie auch gesundheitlich. Der Strompreis steigt und würde dann sogar am Checkpoint Erik, der hier gerade aufgebaut wurde, scheitern.
Meine Damen und Herren, das langfristige Ende der Braunkohle war also absehbar, auch wenn es im Gesetz kein konkretes Datum gab. Doch noch bis vor Kurzem wollte es bei der SPD niemand so richtig wahrhaben.
Das Energiekonzept der Landesregierung – vielfach beklatscht, formal bis heute gültig, politisch zumindest bis nach der Evaluierung 2018 – sah trotz dieser Faktenlage weiterhin den Neubau eines Braunkohlekraftwerkes mit 2 000 MW Nennleistung vor. Man setzte vor einigen Jahren noch auf teure CO2-Verpressung, um die Braunkohleverstromung fortzusetzen.
So wog man sich in trügerischer Sicherheit, beklatschte sich dafür und meinte, mit der Braunkohle ginge es schon irgendwie weiter, während der Strukturwandel in der Lausitz kaum in Gang kam. Es wurde viel geredet und auch viel Geld investiert – gar keine Frage -, aber bisher leider mit wenig Wirkung. Wie auch, wenn manche der durchgeführten Projekte überhaupt nicht auf ihre Wirkung überprüft und nicht verifiziert worden sind und sich oft genug nur als Feigenblätter erwiesen haben?
Das ist übrigens nicht nur mein Eindruck als Oppositionsvertreter, sondern Sie können das regelmäßig auch in der Presse nachlesen, der man schwerlich den Vorwurf machen kann, hier spalten oder irgendetwas ausspielen zu wollen. Dafür möchte ich ein paar Beispiele nennen:
Bereits vor zwei Jahren kritisierte das Deutschlandradio, dass die Landesregierung die rechtzeitige Weiterentwicklung der Lausitz verschlafen habe. Im „Tagesspiegel“ konnten wir im Juni lesen, dass aus dem Strukturförderfonds mehr als 48 000 Euro für geführte Touren mit Husky-Schlitten durch Tagebaufolgelandschaften bewilligt wurden. Für 1 500 Euro durfte der Verein „Cottbuser Narrenweiber“ eine Delegation aus Mazedonien in der Lausitz-Metropole empfangen.
Meine Damen und Herren, so schafft man keine selbsttragenden Arbeitsplätze. Allein von Naherholungsgebieten, Bergbaumuseen und steuerfinanzierten Events werden die Menschen in der Lausitz nach dem Ausstieg aus der Braunkohle wahrlich nicht leben können.
Erst im Juli dieses Jahres kommentierte „Der Spiegel“ die Situation wie folgt: „Doch reicht es, eine Region mit Geld zu fluten? Im Moment sieht es nicht gut aus.“ Das ist auch der Eindruck vieler Bewohner der Lausitz.
Dabei soll die Lausitz Energieregion bleiben. Teile der ehemaligen Tagebauflächen bieten sich als Standorte für Photovoltaik an – keine Frage -; die für Brandenburg notwendigen Reservekraftwerke sollten in der Region entstehen. Das würde auch den lokalen Zulieferern helfen, vor Ort neue Absatzmärkte zu finden. Neue industrielle Branchen bilden sich aus, so in der Kunststoffund in der Chemieindustrie, aber auch in der Metallbranche.
Es gilt, den Ausstieg und Umstieg gemeinsam mit den Menschen vor Ort zu bewerkstelligen. Dabei muss man jedoch bei den Fakten bleiben. Wir haben es heute schon gehört: Man versucht, die verfehlte Politik im Bereich der Windkraft und das sklavische Festhalten am 2-%-Ausbauziel nun mit dem Argument schönzufärben, dass Tesla angeblich deswegen gekommen sei, weil es hier viele Windräder gebe.
Teslas Standort liegt 3 km neben den Erdgastrassen JAGAL, OPAL und EUGAL. Tesla will den größten Teil seines Energiebedarfs mit Erdgas decken, nicht mit Windkraft. Der veröffentlichte E-Mail-Austausch zwischen der Landesregierung und Tesla zeigt ebenso wenig, dass die Erneuerbaren ein wichtiger Faktor bei der Standortentscheidung waren. Im Übrigen braucht man nur einen Blick in die Historie zu werfen: Im zuletzt errichteten Standort von Tesla in Shanghai besteht der Energiemix zu 80 % aus Kohle. Das bedeutet: Ein PR-Märchen wird nicht dadurch wahr, dass man es ständig wiederholt.
Ein schnell wachsender und zukunftsfähiger Bereich für die Lausitz ist unstreitig der Tourismus. Das Wachstumspotenzial ist enorm. Viele neue Arbeitsplätze sind schon entstanden und werden noch entstehen. Durch die Sanierung der stillgelegten Tagebaue entstehen riesige Seen. Sie verbessern nicht nur die Naherholung, sondern bieten auch Potenzial für einen längeren Urlaub, ohne lange Fahrten in Kauf nehmen zu müssen.
Auch die landwirtschaftliche Entwicklung ist nicht zu vernachlässigen, auch wenn die Lausitz in diesem Bereich noch nicht führend ist. Ein Schwerpunkt im Rahmen der künftigen Entwicklung kann hier in der Ernährungswirtschaft liegen.
Im Bereich der Bildung wird, ja muss sich die Region weiterentwickeln. Wenn für den Nachwuchs in der Region Schulen, Hochschulen und Universitäten weiterentwickelt werden, hilft dies dabei, die Fachkräfte vor Ort auszubilden und dort zu binden. Nur länderübergreifend mit Sachsen und den polnischen Partnern kann es gelingen, für die Region eine gute Zukunft zu gestalten. Ein übergreifendes Entwicklungskonzept für die Region muss erarbeitet werden, in das die Belange aller Partner und der Menschen der Region für die kommenden Jahrzehnte einfließen. Entsprechend werden wir bei den Anträgen abstimmen.
Kulturell hat die Lausitz schon jetzt einiges zu bieten: Theater, Museen, Schlösser und Parks wie auch das Kunsthandwerk und die sorbische Kultur bieten ein abwechslungsreiches, interessantes Repertoire. Mit dem hoffentlich erfolgenden Wachstum der Region wird sich auch der kulturelle Bereich stetig weiterentwickeln.
Diese Entwicklung zu fördern und zu steuern ist Aufgabe dieser Landesregierung und der nächsten Landesregierungen. Dazu braucht es eine gute Infrastruktur. Die vom Ministerpräsidenten gelobte, angeblich so gute digitale Infrastruktur erweist sich innerhalb dieser Diskussion eher als ein Kalauer. Calau ist allerdings auch ein Teil der Lausitz, insofern passt es wieder. Es handelt sich freilich um einen Bereich, in dem es strukturell und konzeptionell massiven Nachholbedarf gibt.
Wenn wir von guter Infrastruktur reden, müssen auch die Kommunen genannt werden, die nicht alleingelassen werden sollen. Schauen Sie nach Welzow, wo die Menschen seit Jahren bangen, wo die Grundstücke an Wert verlieren, wo die nötige Verkehrsinfrastruktur nicht ausgebaut und die Randbetroffenheit nicht ausreichend gewürdigt wird. Diese Hängepartie hat vielen Menschen Sorgen bereitet. Dort sind erhebliche Nachteile entstanden, die es nun knallhart zu entschädigen gilt.
Die nunmehr gewährte Strukturförderung in Höhe von 10,3 Milliarden Euro ist absolut gerechtfertigt. Der Löwenanteil davon muss in Straßen, Brücken, Schulen und die Bahn fließen. Wenn der Strukturwandel nicht gelingt, liegt das nicht am mangelnden Geld, sondern an dessen falschem Einsatz.
Ganz Brandenburg hat ein Interesse daran, dass die Lausitz Erfolg hat. Daher tun wir als Parlament und als Regierung gut daran, den Beitrag eines jeden, der sich mit lauterem Geist einbringt, ernst zu nehmen. Nehmen Sie die Menschen ernst, die sich um ihre Zukunft sorgen. Nehmen Sie die Menschen mit, die ihre Zukunft gestalten wollen. Dann haben Sie alle an Ihrer Seite. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.