Link zum Vorgang: https://www.bvb-fw-fraktion.de/parla_tracking
Rede von Matthias Stefke in Textform:
Herr Abg. Stefke (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen! Ein weiteres Mal bringen wir einen Antrag zum BER-Schallschutzprogramm ein. Für diejenigen, die nicht Mitglied im Sonderausschuss und deshalb nicht im Detail mit dem Prozedere vertraut sind, kurz zur Erklärung:
Wenn Anspruchsberechtigte einen Antrag auf den Einbau von Schallschutz gestellt haben, kommt ein Ingenieurbüro und begutachtet ihr Haus dahin gehend, welche baulichen Maßnahmen notwendig sind, um das Schallschutzziel zu erreichen. Die Maßnahmen für Fenster-, Dach- und Wanddämmung sowie Schalldämmlüfter werden dann in einem Leistungsverzeichnis aufgelistet und mit Preisen versehen, und unter dem Strich steht dann eine Gesamtsumme, die die Flughafengesellschaft zu zahlen garantiert. Dieses Leistungsverzeichnis ist dann Teil der sogenannten Anspruchsermittlung.
Unser Antrag zielt auf ein Dilemma, welches Tausende Haushalte betrifft. Den Monatsberichten der Flughafengesellschaft können wir entnehmen, dass rund 5 % aller Anträge auf Schallschutz noch immer nicht abgearbeitet – sprich: genehmigt – sind. Daran ändert sich seit Monaten – konkret: seit einem Jahr – nichts.
Ein weiteres und gravierendes Problem ist die Quote bezüglich der Anspruchsermittlung, die die Anspruchsberechtigten bereits in bauliche Umsetzung gebracht haben. Lediglich 31 % dieser Anspruchsermittlungen sind bisher baulich umgesetzt worden, so die Angabe der Flughafengesellschaft. Diese Zahl ist, für sich genommen, schon schlimm genug, aber es kommt noch schlimmer; denn die 31 % sind auch noch geschönt, da hier auch Teilumsetzungen und Sonderfälle eingerechnet wurden. Man kommt auf lediglich 16,6 %, wenn man diese herausrechnet. Es ist wirklich zum Fremdschämen.
Die FBB hat einstmals im vorvorletzten Monatsbericht im Januar dieses Jahres die Quote hinsichtlich der baulich umgesetzten und abgerechneten Anträge genannt, danach noch einmal im Februar-Bericht. Im aktuellsten, für März, fehlt diese Zahl; offenbar hat man selbst erkannt, dass sie nicht korrekt ist, und sich davor gescheut, die tatsächlichen Zahlen zu veröffentlichen. Es stellt sich die berechtigte Frage: Warum lassen die Betroffenen den Schallschutz nicht einbauen, wenn sie die Zusage erhalten haben, dass die Flughafengesellschaft die Kosten übernimmt?
Nun, dafür ist nicht nur ein Grund zu nennen, aber einer ist hauptursächlich: Viele Betroffene im BER-Umfeld, die die Anspruchsermittlung teils schon seit Jahren in den Händen halten, haben zunächst angesichts zu vielfältiger Rechtsstreitigkeiten zu den Schallschutzprogrammen in Bezug auf Wohnküchen, Deckenhöhen, Wintergärten, Schalldämmlüfter oder auch zu der Frage, ob Innen- oder Außendämmung, mit der baulichen Umsetzung gezögert. Sie haben – und wer will es ihnen verdenken? – abgewartet, ob dabei schlussendlich noch ein höherwertiger Schallschutz für sie herausspringt.
Es sind Jahre ins Land gegangen, um diese Fragen gerichtlich zu entscheiden. In dieser Zeit haben sich die Preise für die Schallschutzmaßnahmen, die in dem Leistungsverzeichnis genannt wurden, naturgemäß erhöht – und dies nicht nur um wenige Euro, sondern es handelt sich dabei um vier- bis fünfstellige Beträge.
Vizepräsidentin Richstein: Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Herr Abg. Stefke (BVB/FW):
Nein, ich möchte gern weiter vortragen. – Für die Flughafengesellschaft gibt es keine Verpflichtung, die durch Preissteigerungen entstandenen Mehrkosten zu übernehmen. Die Betroffenen, oftmals bereits im hohen Alter, können die Mehrkosten nicht übernehmen; einen Kredit erhalten sie deshalb auch nicht mehr. Die Folge ist: Die Anspruchsermittlung wird nicht eingelöst, die Häuser der Betroffenen sind nicht schallgeschützt. Das kann es jedoch nicht sein. Eine Lösung muss auch für dieses Problem gefunden werden, und zwar schnellstens.
Wir schlagen in unserem Antrag eine für die Flughafengesellschaft kostenneutrale Lösung vor. Sie sieht so aus, dass den Anspruchsberechtigten gestattet werden soll, dass sie den Gesamtbetrag aus den Anspruchsermittlungen gegebenenfalls auch nur für ein Gewerk aus dem Leistungsverzeichnis verwenden dürfen, also beispielsweise nur für Schallschutzfenster oder nur für die Schalldämmung an Dach oder Wänden – je nachdem, wofür der Betrag, der vor Jahren gewährt wurde, noch ausreicht. Im Zweifel ist doch ein teilweiser Schallschutz besser als gar kein Schallschutz; und um es gleich klarzustellen: Die Verwendung der Mittel soll ausschließlich für Schallschutzmaßnahmen möglich sein, nicht für einen Swimmingpool, nicht für einen Koiteich und auch nicht für die Pflasterung der Auffahrt.
Aktuell freut sich über die jetzige Situation allein die Flughafengesellschaft, denn Dutzende Millionen Euro werden von ihr nicht abgefordert, weil die Anspruchsermittlungen aufgrund der genannten Preissteigerungen nicht in Umsetzung gebracht werden.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sozialpolitik ist nicht nur die Mietpreisbremse, die Höhe von Hartz-IV-Sätzen oder die Kita-Kostenfreiheit; auch der Umgang mit Lärmbetroffenen im BER-Umfeld in Bezug auf die Anspruchsermittlung ist für unsere Fraktion eine soziale Frage, und weder 31 % noch – und schon gar nicht – 16 % der umgesetzten – oder besser gesagt: der aus Kostengründen umsetzbaren – Anspruchsermittlungen sind sozial. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten im Bundestagswahlkampf von allen Parteien wieder vernehmen dürfen, wie wichtig ihnen die soziale Frage ist. Heute haben Sie Gelegenheit, dies unter Beweis zu stellen.
Demzufolge kann es nur eine Zustimmung zu unserem Antrag geben. Ich bitte Sie darum und bin auf die folgende Diskussion und die Abstimmung sehr gespannt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.