Rede von Matthias Stefke in Textform:
Herr Abg. Stefke (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen! BVB / FREIE WÄHLER begrüßen immer Volksinitiativen als Instrumente bürgerschaftlicher, sozusagen basisdemokratischer Beteiligung. Wir selbst nutzen dieses Instrument, wie Ihnen bekannt sein dürfte, seit Jahren und durchaus auch erfolgreich – so beispielsweise bei der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge oder aber bei der aktuell eingereichten Volksinitiative zur Abschaffung der Straßenerschließungsbeiträge.
Ziel einer Volksinitiative ist in der Regel die Befassung des Landtages mit einem politischen Sachthema, von dem sich ein großer Teil der Bürgerrinnen und Bürger direkt oder auch indirekt betroffen sieht. Die Zahl der Betroffenen lässt sich aber nicht nur an der Zahl derjenigen ableiten, die eine Volksinitiative unterschrieben haben, sondern auch der Zeitraum der gesammelten Unterschriften ist aussagekräftig.
Nun sollte man diese beiden Kriterien nicht allein als Maßstab dafür heranziehen, wie sehr den Bürgerinnen und Bürgern ein Thema auf der Seele brennt. Zu berücksichtigen ist für uns Parlamentarier, die über Annahme oder Ablehnung von Volksinitiativen zu befinden haben, auch die Komplexität eines Themas, die Interesse oder auch Desinteresse der Bürgerinnen und Bürger für eine Volksinitiative bedeuten kann.
Die Initiatoren der Volksinitiative „Keine Geschenke den Hohenzollern!“ haben sich ein sehr anspruchsvolles Thema vorgenommen. Auf den ersten Blick klingt es manchem vielleicht zu sehr nach Klassenkampf. Auf den zweiten Blick wird jedoch deutlich, dass es um sehr viel mehr geht. Die gesamte komplexe Materie, auch Rechtsmaterie, hier in einer fünfminütigen Rede allumfassend zu betrachten ist nicht möglich.
Im Kern geht es um Ansprüche der Hohenzollern gegenüber dem Land Brandenburg nach dem privatrechtlichen Entschädigungsund Ausgleichsleistungsgesetz aus dem Jahr 1994. Der Casus knacksus ist § 1 Abs. 4 des Ausgleichsleistungsgesetzes, der Ansprüche ausschließt, wenn der Enteignete – in diesem Fall Wilhelm von Preußen – dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet hat. „Erheblicher Vorschub“ ist jedoch ein unbestimmter Rechtsbegriff.
Nun kann man zwei Wege beschreiten, um den Konflikt bezüglich der Rückgabe von Immobilien oder Kunst und Kulturschätzen von unschätzbarem Wert zu lösen: den Verhandlungsweg, der letztendlich auf einen Kompromiss der widerstreitenden Positionen abzielt, mit der Folge einer vermutlich hohen finanziellen Ablösung an die Nachfahren des Hauses Hohenzollern; oder aber den Rechtsweg, der das Risiko des bekannten Spruches „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“ mit sich bringt. Die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses empfiehlt die Ablehnung der Volksinitiative, die sich gegen Verhandlungen über eine finanzielle Entschädigung des Hauses Hohenzollern richtet und auf eine gerichtliche Klärung vollständig zugunsten Brandenburgs setzt.
Nun würde man sich bei seiner Entscheidung hinsichtlich der Annahme oder Ablehnung einer Volksinitiative gern an der Auffassung der Landesregierung orientieren. Eine einheitliche Position gibt es in der Landesregierung jedoch nicht – im Gegenteil: Hier herrscht Uneinigkeit. Für beide Positionen, sowohl für die aus dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur als auch für die des Ministeriums der Finanzen und für Europa, mag es durchaus Argumente geben. Letztlich muss die Landesregierung aber mit einer Stimme sprechen und sich auf eine Haltung in der Frage verständigen.
Wir sind sehr gespannt, ob diese hier heute mitgeteilt wird, und wenn ja, welche. Die Beschlussempfehlung aus dem Kreis der Koalitionsfraktionen versucht, die differierenden Positionen auf untaugliche Weise zu verschleiern. Dies ist der Bedeutung der Frage aus unserer Sicht nicht angemessen. Die von der Finanzministerin vertretene Auffassung, nur eine abschließende und einvernehmliche Gesamteinigung könne dies vermeiden – etwa entlang der von mir vertretenen Linie Einigung ohne Entschädigung -, halten wir nicht für tragfähig.
Nach unserer Beurteilung wird eine Klärung durch das Bundesoder Landesverfassungsgericht letztlich unvermeidlich sein. Unserer Einschätzung nach besteht Grund zu der Annahme, dass die Chance für die Zurückweisung der Ansprüche höher ist als für einen Erfolg des Hauses Hohenzollern, weshalb wir die Annahme der Volksinitiative auch in den bisherigen Beratungen im AWFK und im Hauptausschuss nicht nur begrüßt, sondern auch unterstützt haben.
Dem Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE stimmen wir zu, weil er deutlicher auf den Punkt kommt als die doch sehr verschwurbelte Beschlussempfehlung des Hauptausschusses. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.