Rede von Péter Vida in Textform:
Herr Abg. Vida (BVB/FW):
Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Direktdemokratische Mitwirkungen bei Sachentscheidungen sind wesentlich für eine partizipative Demokratie, sie stellen ein punktuelles, thematisches Korrektiv bei Sachfragen dar. Deswegen sieht Brandenburg wie jedes andere Bundesland auch Instrumente der Mitbestimmung vor, kommunal und auch auf Landesebene. Diese müssen situationsgerecht auch so gestaltet sein, dass man sie auch praktisch nutzen kann.
Sie wissen, dass wir in Brandenburg zu den wenigen Bundesländern gehören – vier an der Zahl -, die diese antiquierte Form der Amtseintragung bei Volksbegehren noch vorsehen. Wenn man das zusammen mit der recht kurzen Frist der Sammlung und der recht hohen Zahl der Unterschriften betrachtet, die man natürlich an der Bevölkerungszahl Brandenburgs messen muss und nicht einfach mit einer Zahl eines deutlich bevölkerungsreicheren Bundeslandes vergleichen kann, stellt man in der Zusammenschau fest: Wir haben die höchsten Hürden in Deutschland. Nicht ohne Grund befinden wir uns im unteren Bereich des Rankings bei Transparency International, aber auch bei Mehr Demokratie e. V. und anderen zivilgesellschaftlichen Vereinen.
Meine Damen und Herren, diese Argumente hatte ich bereits im Juni hier vorgetragen, als wir eine generelle Erleichterung und Abschaffung der Amtseintragungspflicht bei Volksbegehren vorgeschlagen haben. Die Grünen wandten damals ein, dass sie es eigentlich ähnlich sähen, wanden sich aber und sagten, dass sie das jetzt noch nicht machen könnten. Dabei waren wir es gemeinsam gewesen, die im April 2017 in der Potsdamer Innenstadt – gemeinsam mit Clemens Rostock – die symbolische Mauer dieser schweren antiquierten Hürden umstießen. Und nun hat man das Gefühl, die Grünen haben selbst die Maurerkelle in der Hand und schütten die Türme und Hürden immer höher auf.
Aber das macht alles nichts, denn hier und heute geht es lediglich um eine aufgrund von Corona zwingend gebotene Erleichterung. Der Landtag hat letztes Jahr auf Antrag der Linken die Frist zur Sammlung von Unterschriften bei Volksinitiativen, die ja per Straßensammlung erfolgt, um bis zu 50 % der Sammelzeit verlängert. Der Landtag beschließt demnächst die Halbierung der notwendigen Unterschriften für Bürgermeister und Landratskandidaten, die als Amtseintragung zu leisten sind, auch wegen Corona. Daher ist es für uns völlig unvorstellbar, dass der Landtag bei Volksbegehren keinen Handlungsbedarf sehen will. So schreibt die Koalition selbst in ihrem Antrag 7/3750 zur Senkung der Unterschriftenquoren für Bürgermeister, dass für die Einwerbung von Unterstützerunterschriften erheblich erschwerte Bedingungen gelten:
„Auch ist es nicht fernliegend, dass aus Angst vor einer Infektion eine geringe Anzahl von unterstützenden Personen für das Einwerben von Unterstützungsunterschriften im öffentlichen Raum zur Verfügung steht. Infolgedessen ist die fristgemäße Einholung von Unterstützungsunterschriften für die Teilnahme an […] Direktwahlen aufgrund der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen deutlich erschwert.“
Das ist eine richtige Situationsanalyse, die natürlich auch bei Volksbegehren gilt. Bei Bürgermeisterwahlen müssen Sie aufs Amt gehen und unterschreiben, bei Landratswahlen müssen Sie aufs Amt gehen und unterschreiben. Da sagt die Koalition in Anlehnung an das Landesverfassungsgericht, in Anlehnung an den Verfassungsgerichtshof Berlin: Wir müssen aufgrund der Coronapandemie mindestens bis Ende März eine Erleichterung schaffen.
Bei Volksbegehren müssen die Bürger auch aufs Amt gehen und unterschreiben, dementsprechend gelten diese Analysen hier auch. Denn Volksbegehren sind die logische Verlängerung von Volksinitiativen. Wenn der Landtag bei einer Pandemie Volksinitiativen Erleichterungen gewährt, Volksbegehren hingegen nicht, bedeutet dies, dass er eine selektive Beurteilung vornimmt, in welchen Fällen eine Pandemie vorliegt und in welchen Fällen eine Pandemie nicht vorliegt.
Im Umkehrschluss würde das heißen: Na ja, wir müssen Volksbegehren nicht erleichtern, wir nehmen ja die Volksinitiativen an. Das würde bedeuten, dass nur noch die Volksinitiativen Aussicht auf Erfolg haben, die der Landtag möchte, und nicht etwa die, die in ein Volksbegehren gehen könnten. Auch das kann nicht Sinn der Sache sein. Deswegen schließe ich ein Zitat aus Ihrem Antrag an:
„In Anbetracht der nicht abschätzbaren pandemischen Entwicklung und im Hinblick auf das vorstehend dargelegte Erfordernis eines angemessenen Unterschriftenquorums erscheint es angemessen, die Zahl der erforderlichen Unterstützungsunterschriften für Wahlvorschläge […] auf die Hälfte zu reduzieren.“
Nun haben wir beim Antrag zu Volksbegehren nicht die Möglichkeit, die Unterschriftenquoren zu senken, weil sie in der Verfassung stehen, wir haben nicht die Möglichkeit, die Frist zu erweitern, wie bei Volksinitiativen, was auch in der Verfassung steht, sondern haben als einzige Form der Erleichterung nur die Möglichkeit, eine Erleichterung der Art der Sammlung zu beantragen. Das tun wir hiermit und gehen davon aus, dass die coronabedingt erkannten Engpässe, die Sie alle – ich glaube, es war sogar einstimmig – bei Volksinitiativen, bei Bürgermeisterwahlen und bei Landratswahlen bejaht haben, bei Volksbegehren ebenso bejahen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.